Stefan Römermann: Salmonellen im Geflügelfleisch, Ehec in Gemüsesprossen oder Pferdefleisch in der Lasagne – immer wieder sorgen Lebensmittelskandale für dicke Schlagzeilen und für Rufe nach schärferen Kontrollen. Dabei wird in Deutschland vergleichsweise viel geprüft: Rund 800.000 Kontrollen in über 500.000 Lebensmittelbetrieben haben die Behörden im vergangenen Jahr durchgeführt. Das Erschreckende dabei: Bei rund einem Viertel der Kontrollen, genauer bei 23 Prozent wurden Verstöße festgestellt. So aktuelle Zahlen des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, die das Amt heute veröffentlicht hat. – Vor der Sendung habe ich den Präsidenten des Amtes, Helmut Tschiersky gefragt, ob ihm angesichts der Arbeit seiner Behörde eigentlich manchmal der Appetit vergeht.
Helmut Tschiersky: Der Appetit vergeht mir nicht, weil ich weiß, dass in Deutschland die Lebensmittelkontrolle funktioniert, und auch die Zahlen lassen sich durchaus so verstehen, dass die Beanstandungen ja letztendlich auch ein Erfolg der Lebensmittelkontrolle sind.
Römermann: Aber 23 Prozent der untersuchten Betriebe, bei denen wurden Verstöße festgestellt. Ist das nicht doch extrem hoch?
Tschiersky: Das ist eine Zahl, die wir in jedem Jahr etwa in der gleichen Größenordnung feststellen.
"Das Personal wandelt sich ständig"
Römermann: Das macht die Sache ja nicht besser.
Tschiersky: Das macht die Sache nicht besser, aber man muss daran denken, dass der Lebensmittelbereich ja ein durchaus ständig im Wandel begriffener Bereich ist. Gerade bei den kleineren Betrieben, bei den Kleingastronomie-Betrieben, bei Bäckereien, Metzgereien und so weiter haben wir einen ständigen Wandel. Das heißt, auch das Personal wandelt sich ständig. Darüber hinaus gibt es Strukturwandel im Bereich der Lebensmittelwirtschaft und – das sollte man nicht vergessen – es gibt auch ständig neue gesetzliche Vorschriften. Das führt immer wieder dazu, dass möglicherweise auch aus Unkenntnis heraus Beanstandungen ausgesprochen werden müssen.
Römermann: Aber die Beanstandungen, die Sie aussprechen, die versickern ja irgendwo. Die Bevölkerung kriegt davon wenig mit. Müssten die nicht eigentlich öffentlich gemacht werden, damit die Bevölkerung auch weiß, dieser Betrieb bemüht sich wirklich, die Vorschriften einzuhalten?
Tschiersky: Den Gesamtüberblick geben wir ja heute. Das heißt, wir informieren durchaus auch die Verbraucher über den Stand. Die Frage, inwieweit jetzt zu einzelnen Betrieben ein Ergebnis oder eine Information zum Ergebnis der Kontrolle gegeben wird, wird ja sehr kontrovers in der Politik diskutiert, und wir haben in Deutschland bislang die Auffassung von Seiten der Politik, dass dieses Verfahren, wie es zum Beispiel etwa in Dänemark eingeführt ist, in Deutschland so nicht eingeführt werden soll.
Glyphosat-Rückstände "bei drei von 3.600 Proben"
Römermann: Momentan ist ja die Aufregung gerade aus aktuellem Anlass groß um die Belastung mit Pestiziden. Vor allem das Thema Glyphosat geht ja gerade ganz wild durch die Medien. Inwieweit haben wir denn da eigentlich in Deutschland Belastungen in den Lebensmitteln?
Tschiersky: Man kann sagen, dass die Bundesländer Glyphosat-Rückstände kontrollieren, und das waren im Jahre 2015 (die 2016er-Zahlen habe ich jetzt im Moment nicht zur Hand) etwa 3.600 Proben. Bei etwa 0,8 Prozent der Proben, nicht mehr, 0,8 Prozent der Proben waren Rückstände nachweisbar. Das heißt also, nur bei drei von diesen 3600 Proben wurden Glyphosat-Rückstände über dem Höchstgehalt gefunden. Das heißt, keine der drei Proben wurden im Endeffekt beanstandet, weil man Beanstandungen in der Regel nur ausspricht, wenn eine Doppelbestimmung das gleiche Ergebnis bringt.
Römermann: Trotzdem: Rückstände sind in vielen Lebensmitteln zu finden, wenn sie auch unterhalb der Grenzwerte liegen.
Tschiersky: Das ist richtig und das entspricht ja auch dem gesetzlichen Stand. Das heißt, meine Behörde ist ja unter anderem auch für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln zuständig. Aber die müssen unterhalb der Rückstände bleiben, und diese Rückstände wiederum werden europaweit so festgelegt, dass bei Einhaltung der Grenzwerte keine gesundheitlichen Risiken zu befürchten sind.
"Campylobacteriosen als wichtigste Durchfallerkrankung in Deutschland"
Römermann: Besondere Sorge macht Ihnen momentan ein kleines Bakterium mit einem etwas seltsamen Namen: Campylobacter. Warum sind diese Bakterien so bedenklich?
Tschiersky: Campylobacter gehören ähnlich wie die Salmonellen zu den Erregern von Durchfallerkrankungen, und nach den Daten, die uns auch durch das Robert-Koch-Institut bekannt sind, haben mittlerweile Campylobacteriosen die Salmonellenerkrankungen als wichtigste Durchfallerkrankung in Deutschland abgelöst.
Römermann: Die wurden in 77 Prozent der untersuchten Tiere gefunden, diese Bakterien. Da vergeht einem jetzt aber schon ein bisschen der Appetit, oder?
Tschiersky: Na ja. Es ging hier um Masthähnchen-Schlachtkörper. Es war ein systematisches Programm, das die Bundesländer gemeinsam mit dem Bundesinstitut für Risikobewertung und dem BVL im Jahre 2016 durchgeführt haben. Dort wurden in der Tat in drei Viertel der untersuchten Masthähnchen-Schlachtkörper Campylobacter nachgewiesen.
"Die Tiere selber tragen ja die Bakterien in sich"
Römermann: Wo kommen denn nun diese Campylobacter-Bakterien tatsächlich in die Bestände rein? Ist das irgendwo in der Transportkette? Passiert das auf den Höfen? Wo passiert das?
Tschiersky: Die Tiere selber tragen ja die Bakterien in sich. Zum Beispiel ein schwieriger Kolikeim ist ein Fäkalkeim, den natürlich auch ein Masthähnchen in sich trägt, und damit ist es selbstverständlich auch während des Schlachtprozesses anwesend. Insofern ergibt sich daraus schon eine ganz natürliche Kontaminationsquelle.
Römermann: Und die muss dann einfach beim Schlachthof rausgewaschen werden, oder was?
Tschiersky: Ja! Es gibt dann ein Hygiene-Management, das dafür Sorge trägt, dass die Zahl der Keime gering gehalten und reduziert wird.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.