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Lebensmittelverschwendung
Französische Supermärkte sollen Strafen zahlen

Seit drei Jahren sind französische Supermärkte gesetzlich verpflichtet, übrig gebliebene Lebensmittel an gemeinnützige Organisationen zu spenden. Doch längst nicht alle Geschäfte halten sich daran. Mit einer Klage auf hohe Strafzahlungen wollen Aktivisten die Märkte jetzt zum Handeln zwingen.

Von Marlene Thiele |
Eine Mülltonne mit Lebensmittelresten.
Ein Gesetz verbietet es Supermärkten in Frankreich, Lebensmittel einfach wegzuwerfen. (Imago)
In Mimizan, einem kleinen Dorf an der südwestfranzösischen Atlantikküste, treffen sich an einem Montagmorgen drei gut gekleidete Männer vor der Mülltonne des Leclerc-Supermarktes. Sie ziehen die Säcke heraus und breiten ihren Inhalt auf dem Boden aus. Der Pariser Anwalt Arash Derambarsh hat die Zusammenkunft initiiert, denn hier wurde wiederholt gegen das Gesetz verstoßen.
"Wir - dieser Vollzugsbeamte, mein Anwaltskollege Thierry Vallat und ich - wir sind nach Mimizan Plage gekommen, um zu belegen, dass der Supermarkt hier sich nicht an die Regeln hält und immer wieder genießbare Lebensmittel wegwirft, anstatt sie Hilfsorganisationen zu spenden."
Auf dem Boden liegen unter anderem Schokocroissants, Kekse, Rindfleisch und Paprikaschoten – größere Mengen und alles eigentlich noch essbar. Es riecht nach Chlor. Die Supermarktmitarbeiter haben Chemikalien über die aussortierten Lebensmittel gesprüht, diese sollen verhindern, dass sich später jemand an den Abfällen bedient. Auch diese, früher in Frankreich gängige Praxis verstößt gegen das "loi relative à la lutte contre le gaspillage alimentaire" das französische Gesetz zur Bekämpfung der Lebensmittelverschwendung. Das Gesetz verpflichtet Supermärkte ab einer Größe von 400 Quadratmetern, nicht verkaufte Esswaren an gemeinnützige Organisationen zu spenden. 3750 Euro beträgt die Strafe pro Verstoß, also pro Tag, an dem der Supermarkt Lebensmittel wegwirft.
Vorteile auch für die Supermärkte
Während die Männer den Inhalt der Säcke protokollieren und fotografieren, nähert sich die Filialleiterin des Marktes. Derambarsh geht auf sie zu: "Guten Tag. Wir haben gerade ein Feststellungsprotokoll aufgenommen. Was Sie hier tun, ist ganz klar ein Vergehen."- "Okay."- "Wir stellen fest, dass verschiedene Lebensmittel weggeworfen wurden, obwohl man sie noch an karitative Organisationen hätte spenden können." "Okay."- "Warum tun Sie das?" -"Ich befolge nur die Anweisungen."
Eigentlich ist das Gesetz auch für die Supermärkte vorteilhaft: Für jede Spende wird 60 Prozent des Warenwertes von der Steuer abgezogen. Wer weiter Genießbares in den Müll wirft, scheut vor allem Absprachen und Logistik.
"Die Dame weiß sehr gut, worum es geht, aber sie hat keine Lust, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, deswegen wirft sie die Reste einfach weg. In einem Land, in dem mehr als 15 Millionen Menschen quasi kein Geld auf dem Konto haben, ist das inakzeptabel. Was hier liegt, hätte man essen können – aber nein, es wird lieber weggeworfen – und noch schlimmer: man schüttet Chlor darüber. Das ist der Gipfel der Absurdität."
Zufriedenheit bei den Tafeln
Anwalt Derambarsh hat das Gesetz gegen die Lebensmittelverschwendung mit auf den Weg gebracht. Anfang 2015 startete er eine Onlinepetition, um die Verschwendung der Supermärkte einzudämmen. Zeitgleich machte er öffentlich auf den Missstand aufmerksam, etwa indem er über mehrere Wochen die aussortierten Lebensmittel eines Supermarktes verteilte und französischen und internationalen Medien zahlreiche Interviews gab. Nur vier Monate später hatte die französische Regierung einstimmig das geforderte Gesetz beschlossen. Organisationen wie die Tafel bewerten es drei Jahre später sehr positiv. Logistische Probleme gebe es trotz weitaus mehr Spenden nicht. Auch Derambarsh ist sehr zufrieden.
"Dank dieses Gesetzes werden über 22 Prozent mehr Lebensmittel gespendet. Aufs Jahr gerechnet entspricht das mehr als zehn Millionen verteilter Mahlzeiten. Frankreich war weltweit das allererste Land mit einem solchen Gesetz. Allerdings halten sich die Supermärkte immer noch nicht daran. Wir haben uns das drei Jahre lang angesehen und ab jetzt gehen wir dagegen vor."
Arash Derambarsh sieht die Klage gegen den Leclerc-Markt in Mimizan als erste Warnung. Er hat online dazu aufgerufen, ihm weitere Supermärkte zu melden, die das Gesetz missachten und schon nach zwei Tagen hat er mehr als 200 Hinweise erhalten. Jetzt plant Derambarsh weitere Anzeigen. 2019, so sagt er, wird das Gesetz gegen die Lebensmittelverschwendung endlich angewendet.