"Das sind Crepes mit Birne in Portwein. Und dazu gibt es eine Schokoladensoße. Die Schokolade dazu ist beim Zoll hängengeblieben. Die lag da mehrere Stunden in der Sonne. Die läuft dann ein bisschen an, ist aber nach wie vor genießbar und gut. Wir haben sie jetzt geschmolzen und das ergibt eine wunderbare Schokosoße."
Anette Keuchel kann es kaum noch erwarten. Der Gedanke, ein Restaurant gegen Lebensmittelverschwendung in Berlin zu gründen, stammt von ihr. Vor gut einem Jahr las sie in der Zeitung über ein ähnliches Projekt in Kopenhagen. Im Herbst soll es nun ein Pendant auch in Deutschland geben – "Restlos glücklich" soll das Restaurant heißen, in dem fast ausschließlich mit Lebensmitteln gekocht werden soll, die sonst in den Müll geworfen würden. Derzeit läuft eine Crowdfunding-Kampagne, um das nötige Startkapital von rund 50.000 Euro zusammenzubekommen. Und deshalb wird schon mal gekocht - für Freunde, Unterstützer und auch für Journalisten.
Laut Angaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums landen in Deutschland jährlich mehr als 11 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll. Obst und Gemüse, welches nicht der Norm des Handels entspricht, weil es vielleicht etwas krumm gewachsen ist. Bei anderen ist das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen und natürlich schmeißen auch die Haushalte zu viel an noch Genießbarem einfach weg. In einer Großstadt wie Berlin gibt es deshalb viele Quellen, aus denen die künftigen Restaurant-Betreiber schöpfen können. "Restlos glücklich" arbeitet derzeit schon mit einigen Partnern im Handel und auch mit Landwirten zusammen. Aline Henkys ist Kommunikationsdesignerin - die 27-jährige erzählt, woher beispielsweise der Portwein für die leckeren Crepes mit Schokoladensoße stammt:
"Unser neuester Kooperationspartner ist die Weinhandlung "Suff", wo beispielsweise nach einer Weinprobe dann einfach ein paar offene Flaschen rumstehen. Die können ja nicht mehr verkauft werden. Es gibt somit wirklich viele überraschende Orte, wo Lebensmittel verlorengehen."
Restaurantgewinne sollen in Bildungsprojekte fließen
Festangestellt im künftigen Restaurant sollen lediglich zwei Köche und eine Managerin sein. Ansonsten hofft man auf viel freiwilliges Engagement. "Restlos glücklich" will täglich wechselnde Menüs anbieten - abhängig von dem, was gerade irgendwo übrig ist, sagt Leonie Beckmann, die sonst im Bildungsbereich arbeitet:
"Es geht uns auch um die Verschwendung, die im Restaurant stattfindet. Auch das wollen wir nicht hinnehmen. Deshalb gibt es bei uns kleinere Portionen, aber auch einen kostenlosen Nachschlag, falls gewünscht. Denn natürlich ist es uns auch wichtig, die Gäste zufrieden nach Hause gehen zu lassen."
Jene, die bisher mitmachen, wollen sich gegen die Verschwendung engagieren und vor allem aufklären. Johannes Erz beispielsweise ist ein Landwirt, der vor einem Jahr im Oderbruch einen Bauernhof übernommen hat. Zwei bis dreimal die Woche ist er in Berlin und beliefert seine Kunden mit Obst und Gemüse - was übrig bleibt oder nicht mehr verkäuflich ist, bekommt "Restlos glücklich". Auch Johannes Erz will aufklären, Zusammenhänge aufzeigen.
"Auf dem Land wird produziert und in der Stadt wird entsprechend verbraucht. Zum Beispiel: Dieses Jahr wird wieder ein richtig gutes Pflaumenjahr. Es gibt Unmengen an Pflaumen, die keiner ernten will, weil der Preis dann entsprechend niedrig ist. Das ist dann das Schöne an "Restlos glücklich", hier können solche Zusammenhänge auch ganz wunderbar kommuniziert werden."
Die Gewinne aus dem Restaurant sollen in Bildungsprojekte fließen, beispielsweise könnte Großstadtkindern der Besuch eines Bauernhofs ermöglicht werden. Das engagierte Team von "Restlos glücklich" hofft, dass Lebensmitteln künftig generell wieder mehr Wertschätzung entgegengebracht wird. Die Gäste sollen nicht nur gut, sondern auch bewusst speisen, sagt Leoni Beckmann:
"Für unsere Gäste ist es zuerst natürlich eine ganz normale Restaurant--Erfahrung. Aber nebenbei lernen sie auch noch etwas. Unser Wunsch ist es, dass sie zu Hause, wenn sie in den Kühlschrank gucken und eine kleine, schrumpelige Tomate sehen - dass sie dann überlegen, was sie daraus noch alles zaubern können."