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Lebensqualität trotz Krebs

Jährlich erkranken in Deutschland etwa 350- bis 400.000 Menschen an Krebs. Sie leiden in vielen Fällen nicht nur an den körperlichen Auswirkungen der lebensbedrohlichen Krankheit. Durch die Konfrontation mit der Diagnose, durch Nebenwirkungen der Behandlung oder einen langen Krankenhausaufenthalt haben sie auch mit psychischen Lasten zu kämpfen.

Von Wolfgang Nitschke |
    Eine psychoonkologische Studie der Ludwig-Maximilian-Universität München versucht in Zusammenarbeit mit dem Städtischen Krankenhaus München-Schwabing herauszufinden, wie Betroffenen und ihren Angehörigen bei der Bewältigung der seelischen Belastung geholfen werden kann.

    Die psychischen Nebenwirkungen einer Krebsdiagnose können vielfältig sein. Manche Patienten leiden unter Schlafstörungen, andere unter Depressionen oder Orientierungslosigkeit. Eine Patientin, die am Plasmozytrom, der häufigsten und bösartigsten Form des Knochenmarkstumors leidet berichtet über ihre Befindlichkeit von der Diagnose bis zur Entlassung aus dem Krankenhaus.

    Zunächst mal einen ganz schönen Schock, ja – Niedergeschlagenheit und den Boden unter den Füßen zu verlieren das war alles auf einmal zunichte gemacht. Zunächst Mal nach der Behandlung, Hochdosis Chemo, da ging ist mir sehr schlecht, da war ich in einem tief, mir war so egal was passieren würde oder solle oder wenn jemand eingebrochen hätte, mir wäre das so egal gewesen also nach dem Krankenhaus zu Hause dann.

    Heute jedoch geht es der Patientin auch psychisch wieder besser sie hat sich mit Ihrer Krankheit arrangiert. Auch weil sie an der psychoonkologischen Studie teilgenommen und sich in zahlreichen Gesprächen und durch das Ausfüllen verschiedener Fragebögen mit dem Ausmaß ihrer seelischen Belastungen auseinandersetzen konnte.

    Das hat mir dann sehr gut geholfen, ja ich konnte ein bisschen etwas loswerden, ich habe gesagt was mich gestört hat in dem Krankenhaus, und verschiedene Sachen haben wir miteinander gemacht. Die Imagination war auch sehr hilfreich irgendwie so ein Stückchen Vorstellungskraft, ein Stückchen Freiheit oder heile Welt oder so. Heute: Ich arbeite wieder also seit Oktober arbeite ich, es geht mir gut.

    Erste Ergebnisse der Studie zeigen, dass es den meisten Teilnehmern durch die psychologische Unterstützung, kreative Therapie und die Gespräche nicht nur subjektiv – psychisch – besser geht. Auch eine objektive Verbesserung der Lebensqualität lässt sich erkennen. Doch nicht alle Krebspatienten, denen die Psychoonkologie angeboten wird reagieren positiv. "Ich brauche keinen Psychologen – ich bin doch nicht bekloppt" – diese Antwort hat Dr. Eckhard Frick, psychotherapeutischer Leiter des Projektes schon sehr oft zu hören bekommen.

    Nun, es gibt Patienten die uns sagen, dass sie keine Psychotherapie brauchen, weil sie sehr gut unterstützt sind. Bei einem Teil der Patienten trifft das sicherlich zu. Andere scheuen sich eine psychotherapeutische Unterstützung in Anspruch zu nehmen, weil sie meinen als psychisch krank abgestempelt zu werden. Darum geht es uns aber nicht. Wir wollen Menschen, die eine schwere körperliche Erkrankung haben helfen, mit dieser Erkrankung fertig zu werden und falls es Fragestellungen gibt, die zu klären sind, aus der Lebensgeschichte, in der Partnerschaft, im Verhältnis zu den nächsten Angehörigen, diese aufgreifen. Aber soweit aufgreifen, wie es den Patienten gut tut.

    Neben Einzel- und Gruppengesprächen setzen die Ärzte auf individuell maßgeschneiderte Therapie. Dr. Irmgard Bumeder, onkologische Leiterin der Studie.

    Die Psychoonkologie arbeitet praktisch mit allem gängigen psychotherapeutischen Methoden, die es sicherlich schon länger auf dem Markt gibt. Diese Methoden müssen nur sinnvoll auch auf den Patienten zugeschnitten, eingesetzt werden. Das ist in unserer Erfahrung eben gut ein Entspannungsverfahren, entweder im Sinn von Autogenem Training, oder progressive Muskelrelaxation, Musik- und Kunsttherapie letztlich nach den Vorlieben des Patienten einzusetzen, auch Bewegungstherapie, Atemtherapie unter Umständen einzusetzen, und psychotherapeutische Interventionen zielgerichtet auf die jeweilige Problematik, die jetzt gerade aktuell für den Patienten ist zuzuschneiden. Das heißt, keine langwierige psychoanalytische Behandlung, zu initiieren, sondern etwas kurzfristiges mit den Patienten durchzuführen, was dann wirklich sehr individuell für den Patienten Fokussiert wird.

    Aber es geht nicht nur um die Patienten – auch den Angehörigen will die Psychoonkologie helfen. Themen wie ein möglicher Rückfall oder der Tod dürften nicht tabuisiert werden, meint Dr. Eckard Frick.

    Es gibt auch die teilweise sehr stressige Situation, dass der Patient den Angehörigen schont und der Angehörige den Patienten. Und das gewissermaßen um die Dinge herum geredet wird um den jeweils anderen nicht zu belasten und da ist es häufig entlastend, wenn die Dinge einfach angesprochen werden und da haben wir als Ärzte und Krankenschwestern denke ich eine gewisse Vorbildfunktion, dass wir nüchtern die Dinge ansprechen, und nicht drumherum reden.

    Letztendlich – so glauben die Forscher herausgefunden zu haben – gelten all diese Dinge nicht nur für Tumorerkrankungen. Auch andere schwere Leiden ließen sich durch zielgerichtete psycholotherapeutische Begleitung in ihren Auswirkungen mildern. Doch das Problem liegt auch ein wenig im deutschen System – wer in eine Rehaklink geht, wird für eine begrenzte Zeit umfassend betreut, wer nach Hause entlassen wird, hat oft Schwierigkeiten, eine geeignete psychotherapeutische Mitbehandlung zu finden.