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Lebensretter Schwein?

In Deutschland warten viele tausend Menschen auf ein neues Herz, eine neue Leber, eine neue Niere, Lunge oder Bauchspeicheldr¸se, doch Organe sind ein knappes Gut. Deshalb sterben immer wieder Menschen auf der Warteliste. Einen Ausweg könnten hier die Organe von Schweinen eröffenen: sie sind etwa geleich groß wie ihre menschlichen Gegenstücke und funktionieren ähnlich. Allerdings gibt es für die sogenannte Xenotransplantation große Hürden. Zum einen werden Organe einer andere Tierart vom Immunsystem sofort erkannt und attackiert, zum andern besteht die Gefahr, dass Krankheitserreger vom Schwein auf den Menschen übergehen und so theoretisch neue Seuchen entstehen könnten. Am Robert Koch Institut in Berlin findet derzeit das 6. Minisymposium Xenotransplantation statt.

    Blumenthal: Zuerst einmal eine grundsätzliche Frage, derzeit wird viel über Stammzellen und Gewebetechnologien geredet, braucht es da überhaupt noch die Forschung an der Xenotransplantation?

    Volkhart Wildermuth: Diese Frage wurde in Berlin naturgemäß mit Ja beantwortet. Die Stammzelltechnologie kann wie der Name schon sagt, heilende Zellen bereitstellen. Ob es je gelingen wird, daraus ein funktionierendes Organ zu formen, das bezweifeln vielen. Da erscheint es einfacher, die fertigen Organe vom Schwein dem Menschen anzupassen. Und selbst wenn es nur um die Zellen geht, etwa um Inselzellen, die für Zuckerkranke ganz nach Bedarf Insulin herstellen könnten, da kann man aus einem Schwein mit einem mal riesige Mengen gewinnen, Mengen, die sich derzeit mit der Zucht von Stammzellen im Reagenzglas nicht erhalten lassen.

    Blumenthal: Stammzellen wären immerhin vom Menschen und würden das Immunsystem weniger aufstacheln. Läßt sich die Abstoflungsreaktion von Schweineorganen denn überhaupt in den Griff bekommen?

    Wildermuth: Da gibt es Erfolge zu vermelden. Der erste Angriff des Immunsystems richtet sich gegen Zuckerstrukturen auf der Oberfläche von Schweinezellen, die es beim Menschen nicht gibt. Inzwischen konnten per Gentechnik Schweine erzeugt werden, die diese Zucker nicht mehr bilden. Damit ist die erste Hürde genommen, die Organe werden im Affenversuch nicht mehr innerhalb von Stunden abgestoflen. Vor kurzem ist es auch in Deutschland gelungen, Schweine zu klonieren, an der Bundesforschungasnstalt für Landwirtschaft. Dank dieser Technik dürfte die Vermenschlichung des Schweins noch schneller vorangehen. Damit ist aber nur die erste Hürde genommen, denn auch diese angepassten Organe werden nach wenigen Tagen abgestoßen. Dann bilden sich Antikörper und spezifische Abwehrzellen. Bei der Übertragung menschlicher Organe lassen sie sich mit Medikamenten in den Griff bekommen. Doch die funktionieren im Rahmen einer Xenotransplantation nicht so gut, wie Prof. Karin Ulrichs von der Universität Würzburg in Experimenten belegen konnte.

    Ulrichs: Die Abstoflungskräfte, die immunologischen Reaktionen sind offenbar sehr viel drastischer. Mit der medikamentösen Behandlung allein werden wir nicht weiterkommen. Es tut mir leid hier für all jene Kollegen sagen zu müssen die sich intensiv mit der xenogenen Transplantation vaskulariseirter Organe mit Gefäßanschluss beschäftigen. Aber wir haben hier sehr viel schwierigere Bedingungen als wenn wir nur eine Zell- oder Gewebetransplantation machen.

    Wildermuth: Hier gibt es nur zwei Auswege: einmal die Erzeugung einer Toleranz, das heißt vor der eigentlichen Übertragung des Schweineorgans wird das Immunsystem schon mal an den Eindringling gewöhnt. Da gibt es erste Ansätze, wie das funktionieren könnte. Karin Ulrichs geht einen anderen Weg. Sie will Schweineinselzellen übertragen, die sind so klein, dass sie sich verkapseln lassen. So sind sie sicher vor den Angriffen des Abwehrsystems und können doch den Zuckerhaushalt über das Insulin regeln.

    Blumenthal: Wie schnell könnten denn solche Versuche beginnen?

    Wildermuth: Technisch wäre die Übertragung dieser verkapselten Schweinezellen kein Problem. Karin Ulrich rechnet damit, dass sie in einem Jahr damit beginnen könnte. Aber noch gibt es keinen rechtlichen Rahmen für den Einsatz von tierischem Gewebe. Zwar sollte Deutschland die entsprechenden Regelungen bis Mai 2003 verabschiedet haben, aber das dürfte wohl nichts mehr werden. Fest steht aber jetzt schon, dass das Paul Ehrlich Institut für die Zulassung zuständig sein wird. Voraussetzung für eine OK aus Frankfurt wäre aber, dass die Schweinezellen keine Viren enthalten und dass kann bislang noch niemand garantieren.

    Blumenthal: Die Schweineviren könnten in den immungeschwächten Patienten den Sprung ¸ber die Artgrenze schaffen und dann neue Seuchen auslösen. Wie groß ist diese Gefahr denn einzuschätzen?

    Wildermuth: Die Sorge war groß, weil diese Schweineviren menschliche Zellen im Reagenzglas befallen können. Allerdings gab es im letzten Jahr einige Experimente, die nahelegen, das eine solche Infektion im lebenden Organismus deutlich schwieriger ist Am Robert Koch Institut zum Beispiel wurden Affen über lange Zeit hohen Dosen dieser Schweineviren ausgesetzt, gleichzeitig wurde ihr Immunsystem massiv unterdrückt. Dennoch konnten sich die Schweineviren nicht festsetzen. Auch in anderen Tiermodellen kam es zu keiner Infektion und auch bei den Rund 200 Menschen, die schon mit Schweinehaut oder Inselzellen vom Schwein behandelt wurden, konnten keine Schweineviren nachgewiesen werden. Inzwischen sind auch die Tests so gut, dass sich eine Infektion sehr früh würde nachweisen lassen, außerdem arbeiten die Wissenschafltler an Impfstoffen und Medikamenten gegen diese Viren. Das Risiko ist sicher nicht Null, aber sicher nicht so hoch, wie man das Anfangs geglaubt hat, es sollte sich beherrschen lassen. Zumal es inzwischen auch Schweine gibt, die in ihrem Erbgut keine Viren enthalten und die sich auch Keimfrei aufziehen lassen.

    Blumenthal: Wann wird es also die ersten Organe vom Bauern geben?

    Wildermuth: Vom Bauern sicher nicht, die Schweine müssen ja Keimfrei aufgezogen werden, das kann nur in hoch spezialisierten Zuchtanstalten gelingen. Realistisch scheint die Übertragung vom Inselzellen vom Schwein zu sein. Das dürfte vielen Zuckerkranken helfen, aber es würde keinen Patienten von den Wartelisten für die Organe herunter helfen. Für die großen Organe sind die Hürden immer noch sehr hoch. Bei der Abstoßung müsste es zu einem Durchbruch kommen. Wenn es aber gelingt, dass Immunsystem dazu zu bringen, ein Schweineorgan zu akzeptieren, dann würde es auch sicher mit menschliche Organe von nicht perfekt passenden Spendern zurechtkommen. Und bei denen wäre man auch sicher das sie funktionieren. Das ist ja noch völlig unklar. Eine Schwein trinkt vier mal so viel wie ein Mensch, entsprechend ist eine Schweineniere für einen viel größeren Flüssigkeitsdurchsatz ausgelegt. Die Schweineleber produziert über 2500 Stoffe, viele davon unterscheiden sich beträchtlich von den menschlichen Gegenstücken. Am ähnlichsten von der Funktion ist noch das Schweineherz. Allerdings geht ein Schwein auf allen Vieren, im aufrechten Körper eines Menschen müsste es deutlich flexibler sein. Die Frage ob ein Schweineorgan sich im menschlichen Körper bewähren kann, die wird sich letztlich erst in der Praxis beantworten lassen. Von daher glaube ich, wird es noch viele Symposien über die Xenotransplantation geben, bevor der erste Mensch mit einem Schweineherz herumlaufen wird.