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Lebensversicherungen
"Brauchen Rechtsanspruch auf Nachrechenbarkeit"

Wie viel Geld Kunden nach Auslaufen ihrer Lebensversicherung zusteht, sei für diese meist nicht nachvollziehbar, erklärte Axel Kleinlein vom Bund der Versicherten im DLF. Sie müssten sich darauf verlassen, dass die Versicherung den richtigen Betrag auszahle. Kleinlein fordert eine gesetzliche Regelung, die das ändert.

Axel Kleinlein im Gespräch mit Stefan Römermann | 24.07.2015
    Stefan Römermann: Über den Fall spreche ich jetzt mit Axel Kleinlein vom Bund der Versicherten, er ist mir aus Berlin zugeschaltet. Herr Kleinlein, haben Sie denn schon Ihre eigene Versicherung nachgerechnet, ob da alles mit in Ordnung ist?
    Axel Kleinlein: Da gibt es nichts zum Nachrechnen, weil ich natürlich keine Lebensversicherung habe, und ansonsten habe ich aber auch schon in der Tat sehr, sehr viele Verträge nachgerechnet als Gutachter und ich muss sagen, nicht nur bei der ERGO, sondern auch bei anderen ist es durchaus im Cent- oder im niedrigen Eurobereich eigentlich ganz üblich, dass die Zahlen nicht so richtig nachvollziehbar sind.
    Römermann: Wie kann so was denn überhaupt passieren? Man sollte doch denken, dass macht ein Computer, da geht dann alles automatisch und wird auch alles richtig berechnet. Woran liegt es?
    Kleinlein: Wenn es ein Computer wäre, der nur zwei plus zwei rechnen müsste, wie in Ihrem Beitrag da genannt, dann hätten wir keine Probleme. Die Berechnungen sind aber erheblich komplizierter und erheblich kniffliger, denn es geht nicht nur einfach darum, zu schauen, wie viel Geld zahlt der Kunde ein und welche Zinsen gibt es da drauf. So dürfen die Unternehmen nämlich gar nicht rechnen, die müssen nach der sogenannten Prospektivenmethode rechnen, das ist viel kniffliger, da stecken Sterbetafeln mit drin, das sind schwierige Berechnungen für die Überschussbeteiligung, und letztlich eigentlich wäre es überraschend, wenn hier keine kleineren Fehler im Cent- und Eurobereich auftreten würden. Also wir gehen davon aus, dass es kein singuläres Problem der ERGO-Versicherung ist, sondern da muss man schauen, dass wir hier die Versicherungslandschaft insgesamt ins Auge nehmen.
    Römermann: Okay, wenn wir da jetzt über einen Vertrag sprechen, der über, ich sage mal, 10, 15 oder 20 Jahre läuft und da sind dann irgendwie um 2 Euro falsch berechnet – ist das für Sie ein Drama oder sagen Sie, na gut, da kann man drüber wegsehen?
    Kleinlein: Richtig drüber wegsehen nein, das kann durchaus auch mal ein Drama sein, das kommt eben auf die jeweilige Situation drauf an.
    Römermann: Und das läppert sich natürlich auch.
    Kleinlein: Das läppert sich natürlich, aus Sicht der Unternehmen sind das wichtige Beträge. Entscheidend ist natürlich auch, dass man sieht, es wird mal zu viel, mal zu wenig gezahlt. Der eigentliche Skandal liegt ja ganz woanders, denn der Kunde, dem eine Zahl genannt wird, der möchte ja eigentlich gerne wissen, stimmt diese Zahl. Und normalerweise würde man meinen, er kann hier beim Unternehmen die entsprechenden Hintergründe auch anfordern, sich das vorrechnen lassen, damit eine Überprüfbarkeit da ist, aber da liegt er falsch, denn die Gesetze geben das gar nicht her.
    Römermann: Aber ich bekomme doch Abrechnungen von meiner Versicherung.
    Kleinlein: Nur diese Abrechnungen, die kann selbst ein Versicherungsmathematiker nicht überprüfen, wenn er nicht bestimmte noch Hintergrundinformationen zu Sterbetafeln, Garantiezins, Bezugsgrößen der Überschussbeteiligung und so weiter bekommt. Und da haben wir auch für ein Mitglied vom Bund der Versicherten auch durchgeklagt, bis zum Bundesgerichtshof sind wir gekommen, und der hat uns aber dann leider gesagt, es gibt keinen Anspruch darauf, dass man nachrechenbare Ergebnisse vom Versicherungsunternehmen bekommt. Also die jetzige Gesetzeslage gibt nichts her laut BGH, als einfach nur, man muss dem Versicherer was schenken, nämlich viel Vertrauen und viel Glauben. Nachprüfen kann man nicht, das ist nicht vorgesehen.
    Römermann: Was wünschen Sie sich denn dann da vom Gesetzgeber? Das scheint ja so, also ob da Regelungsbedarf besteht.
    Kleinlein: Das ist ganz dringender Regelungsbedarf. Der Gesetzgeber spricht ja gerne von Transparenz und Verbraucherfreundlichkeit – hier könnte er mal wirklich beweisen, dass er das ernst nimmt und dass es nicht nur ein Lippenbekenntnis ist. Wir brauchen eine gesetzliche Grundlage, die eine Nachvollziehbarkeit zumindest für Experten gewährleistet, einen Rechtsanspruch auf Nachrechenbarkeit der Versicherungsverträge, das ist das, was wir uns hier wünschen würden, und das ist ein ganz klarer Appell, der hier an den Bundestag geht.
    Römermann: Axel Kleinlein vom Bund der Versicherten, vielen Dank für das Gespräch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.