""Also, man denkt ja: Germany - das ist ein Land, also ein El Dorado. Man hat einen Mercedes. Und man denkt auch: Die Deutschen sind sehr, sehr diszipliniert."
"Man denkt halt in Klischees: also Lederhose, Bart, Bratwurst, Bier in der Hand, in einem Mercedes, BMW oder Porsche sitzend. Und die deutsche Pünktlichkeit. Das stimmt aber nicht immer."
Wenn Agnes Nagy und Nadjib Sadikou über das Deutschen-Bild in ihrer Heimat sprechen, müssen sie schmunzeln. Sie kommt aus Ostungarn, er aus dem westafrikanischen Benin - und sie wissen es besser. Beide leben schon seit über fünf Jahren in Deutschland. Agnes Nagy hat gerade ihren Bachelor in Germanistik gemacht. Nun geht sie noch den Master in Germanistischer Linguistik an. Nadjib Sadikow hat nach dem Germanistikstudium in Tübingen promoviert. In der neunten Gymnasialklasse hatte er die Gelegenheit, Deutsch als Fremdsprache zu wählen. Der Aufbau der Sprache hatte ihn damals fasziniert.
"Aber auch als die Sprache der Logik, sagen wir mal so: Meine Muttersprache ist Yuroga. Und das ist eine Tonsprache. Das heißt: Sie können ein Wort nehmen und dann verschiedene Betonungen vornehmen. Und das gibt dann andere Bedeutungen. Aber die deutsche Sprache, mann kann sagen, durch die Grammatik ist auch eine Sprache der Geduld. Also wenn ein Deutscher einen Satz anfängt, dann musst du den bis zum Ende hören. Weil am Ende könnte er sagen, dass das, was du am Anfang gedacht hast, ins Gegenteil verkehrt wird. Deshalb ist es eine Sprache der Geduld und der Logik."
Die Ungarin Agnes Nagy kam schon im Kindergarten mit Deutsch in Berührung: Gleich gegenüber ein zweisprachiges Gymnasium, an dem Deutsch- und Ungarisch unterrichtet wurde - da kamen die Deutschlehrer ab und an auch in den Kindergarten. Später war für Agnes klar: Das Gymnasium mit Deutsch musste es sein. Mehrmals durfte sie an einem Schüleraustausch teilnehmen - und kam schnell zur Entscheidung: Ein Studium in Deutschland wäre nicht schlecht.
"Das war nicht nur wegen Deutsch, wegen der Sprache, sondern auch wegen der Kultur. Die Mentalität, diese andere, positive Einstellung zum Leben hat mich so sehr beeindruckt, dass ich hierbleiben wollte. Es sind wirklich so Kleinigkeiten: Dass man auf der Straße läuft, und die Leute lächeln. Oder dass man im Laden, wenn man sich verabschiedet, sich einen schönen Tag wünscht. Das sind eben diese Kleinigkeiten, was man in Ungarn eben nicht jeden Tag erlebt."
Daneben ist Agnes Nagy auch angetan vom deutschen Hochschulsystem.
"Wenn ich eine Frage gestellt habe, wurde mir diese Frage immer geduldig beantwortet, was ich zu tun habe, und immer mit einem Lächeln im Gesicht. Und genau das Gegenteil hab' ich mal an einer ungarischen Uni erlebt. Hier merkt man, dass die Lehrenden für die Studenten da sind und die Studenten für die Lehrenden. Und ich habe halt so den Eindruck gehabt in Ungarn, dass sich die Lehrenden für etwas Besseres und Klügeres halten und dementsprechend ein bisschen herablassend die Studenten behandeln und nicht immer gerecht."
So etwas bekommt Reinhard Brunner oft zu hören. Er leitet die Abteilung Beratung internationaler Studierender an der Uni Tübingen, ist selbst Germanist. Viele ausländische Studierende, die in Tübingen Germanistik studieren, erwartet zum Auftakt eine Art 'Deutschunterricht auf höherem Niveau'. Dabei werden sie von Anfang an mit Dingen wie komperativer Literaturwissenschaft oder Linguistik konfrontiert. Und auch die Art des Lehrbetriebes überrascht die meisten.
"Das sind viele aus ihrem Studiensystem nicht gewohnt: Da findet ein Frontalunterricht statt, beispielsweise Osteuropäische Länder, Russland, auch romanische Länder. Da herrscht Frontalunterricht vor mit Abprüfen von Wissen. Das ist hier so nicht der Fall, insbesondere nicht in Germanistik."
Doch die meisten Germanistik-Studierenden aus dem Ausland gewöhnen sich schnell an selbstständiges Arbeiten - und schätzen diese Freiheit sogar. Nadjib Sadikou:
"Man hat die Freiheit, auszuwählen, und jeder hat - ein schönes Wort - seinen Forschungsschwerpunkt, wo man sagt: Ich möchte in dieser Richtung und in dieser Richtung arbeiten. Man hat dann diese Frage, man hat diese Möglichkeiten. Aber in Benin war das ganz begrenzt."
Agnes Nagy und Nadjib Sadikou haben sich entschlossen, an der Uni zu bleiben, im Wissenschaftsbetrieb weiter zu arbeiten. Und beide wollen nicht mehr zurück in ihre Heimatländer. Nadjib Sadikou hat in Tübingen Familie mit drei Kindern, Agnes Nagy plant an ihrer privaten Zukunft, gemeinsam mit ihrem deutschen Freund. Gleichwohl wissen sie: Mit einem Germanistik-Abschluss aus Tübingen in der Tasche hätten sie Karrierechancen, auch zuhause, in Ungarn oder in Westafrika.
"Bei einer Firma arbeiten, die Leute suchen mit sehr guten Deutschkenntnissen, bei einer IT-Firma zum Beispiel. Die wollen auch junge Leute einstellen, diejenigen, die eine Sprache studiert haben, Deutsch zum Beispiel. Und die können diese Leute dann so ausbilden, dass sie in das Firmenprofil reinpassen."
"Da hat man wirklich viele Möglichkeiten. Man könnte beispielsweise als Übersetzer arbeiten. Man könnte in Verlagen arbeiten. Und man könnte auch im Bereich der interkulturellen Kommunikation, des Kulturtransfers, etwas machen."
Deshalb bleiben längst nicht alle ausländischen Germanistik-Studierenden nach ihrem Abschluss in Deutschland. Reinhard Brunner:
"Ich habe auch andere Beispiele: eine Studentin, die nach Afrika ins Goethe-Institut zurückgegangen ist und dort jetzt arbeitet oder im Heimatland im germanistischen Bereich, in der Forschung oder auch in der Lehre. Da kenne ich einige Beispiele."
"Man denkt halt in Klischees: also Lederhose, Bart, Bratwurst, Bier in der Hand, in einem Mercedes, BMW oder Porsche sitzend. Und die deutsche Pünktlichkeit. Das stimmt aber nicht immer."
Wenn Agnes Nagy und Nadjib Sadikou über das Deutschen-Bild in ihrer Heimat sprechen, müssen sie schmunzeln. Sie kommt aus Ostungarn, er aus dem westafrikanischen Benin - und sie wissen es besser. Beide leben schon seit über fünf Jahren in Deutschland. Agnes Nagy hat gerade ihren Bachelor in Germanistik gemacht. Nun geht sie noch den Master in Germanistischer Linguistik an. Nadjib Sadikow hat nach dem Germanistikstudium in Tübingen promoviert. In der neunten Gymnasialklasse hatte er die Gelegenheit, Deutsch als Fremdsprache zu wählen. Der Aufbau der Sprache hatte ihn damals fasziniert.
"Aber auch als die Sprache der Logik, sagen wir mal so: Meine Muttersprache ist Yuroga. Und das ist eine Tonsprache. Das heißt: Sie können ein Wort nehmen und dann verschiedene Betonungen vornehmen. Und das gibt dann andere Bedeutungen. Aber die deutsche Sprache, mann kann sagen, durch die Grammatik ist auch eine Sprache der Geduld. Also wenn ein Deutscher einen Satz anfängt, dann musst du den bis zum Ende hören. Weil am Ende könnte er sagen, dass das, was du am Anfang gedacht hast, ins Gegenteil verkehrt wird. Deshalb ist es eine Sprache der Geduld und der Logik."
Die Ungarin Agnes Nagy kam schon im Kindergarten mit Deutsch in Berührung: Gleich gegenüber ein zweisprachiges Gymnasium, an dem Deutsch- und Ungarisch unterrichtet wurde - da kamen die Deutschlehrer ab und an auch in den Kindergarten. Später war für Agnes klar: Das Gymnasium mit Deutsch musste es sein. Mehrmals durfte sie an einem Schüleraustausch teilnehmen - und kam schnell zur Entscheidung: Ein Studium in Deutschland wäre nicht schlecht.
"Das war nicht nur wegen Deutsch, wegen der Sprache, sondern auch wegen der Kultur. Die Mentalität, diese andere, positive Einstellung zum Leben hat mich so sehr beeindruckt, dass ich hierbleiben wollte. Es sind wirklich so Kleinigkeiten: Dass man auf der Straße läuft, und die Leute lächeln. Oder dass man im Laden, wenn man sich verabschiedet, sich einen schönen Tag wünscht. Das sind eben diese Kleinigkeiten, was man in Ungarn eben nicht jeden Tag erlebt."
Daneben ist Agnes Nagy auch angetan vom deutschen Hochschulsystem.
"Wenn ich eine Frage gestellt habe, wurde mir diese Frage immer geduldig beantwortet, was ich zu tun habe, und immer mit einem Lächeln im Gesicht. Und genau das Gegenteil hab' ich mal an einer ungarischen Uni erlebt. Hier merkt man, dass die Lehrenden für die Studenten da sind und die Studenten für die Lehrenden. Und ich habe halt so den Eindruck gehabt in Ungarn, dass sich die Lehrenden für etwas Besseres und Klügeres halten und dementsprechend ein bisschen herablassend die Studenten behandeln und nicht immer gerecht."
So etwas bekommt Reinhard Brunner oft zu hören. Er leitet die Abteilung Beratung internationaler Studierender an der Uni Tübingen, ist selbst Germanist. Viele ausländische Studierende, die in Tübingen Germanistik studieren, erwartet zum Auftakt eine Art 'Deutschunterricht auf höherem Niveau'. Dabei werden sie von Anfang an mit Dingen wie komperativer Literaturwissenschaft oder Linguistik konfrontiert. Und auch die Art des Lehrbetriebes überrascht die meisten.
"Das sind viele aus ihrem Studiensystem nicht gewohnt: Da findet ein Frontalunterricht statt, beispielsweise Osteuropäische Länder, Russland, auch romanische Länder. Da herrscht Frontalunterricht vor mit Abprüfen von Wissen. Das ist hier so nicht der Fall, insbesondere nicht in Germanistik."
Doch die meisten Germanistik-Studierenden aus dem Ausland gewöhnen sich schnell an selbstständiges Arbeiten - und schätzen diese Freiheit sogar. Nadjib Sadikou:
"Man hat die Freiheit, auszuwählen, und jeder hat - ein schönes Wort - seinen Forschungsschwerpunkt, wo man sagt: Ich möchte in dieser Richtung und in dieser Richtung arbeiten. Man hat dann diese Frage, man hat diese Möglichkeiten. Aber in Benin war das ganz begrenzt."
Agnes Nagy und Nadjib Sadikou haben sich entschlossen, an der Uni zu bleiben, im Wissenschaftsbetrieb weiter zu arbeiten. Und beide wollen nicht mehr zurück in ihre Heimatländer. Nadjib Sadikou hat in Tübingen Familie mit drei Kindern, Agnes Nagy plant an ihrer privaten Zukunft, gemeinsam mit ihrem deutschen Freund. Gleichwohl wissen sie: Mit einem Germanistik-Abschluss aus Tübingen in der Tasche hätten sie Karrierechancen, auch zuhause, in Ungarn oder in Westafrika.
"Bei einer Firma arbeiten, die Leute suchen mit sehr guten Deutschkenntnissen, bei einer IT-Firma zum Beispiel. Die wollen auch junge Leute einstellen, diejenigen, die eine Sprache studiert haben, Deutsch zum Beispiel. Und die können diese Leute dann so ausbilden, dass sie in das Firmenprofil reinpassen."
"Da hat man wirklich viele Möglichkeiten. Man könnte beispielsweise als Übersetzer arbeiten. Man könnte in Verlagen arbeiten. Und man könnte auch im Bereich der interkulturellen Kommunikation, des Kulturtransfers, etwas machen."
Deshalb bleiben längst nicht alle ausländischen Germanistik-Studierenden nach ihrem Abschluss in Deutschland. Reinhard Brunner:
"Ich habe auch andere Beispiele: eine Studentin, die nach Afrika ins Goethe-Institut zurückgegangen ist und dort jetzt arbeitet oder im Heimatland im germanistischen Bereich, in der Forschung oder auch in der Lehre. Da kenne ich einige Beispiele."