Manfred Götzke: Ja, ja, die Deutschlehrer und die neue Rechtschreibung. Ob sie sie wirklich hätten verhindern können, wie der Kabarettist Sebastian Krämer meint, das können wir heute nicht mehr klären. Viel interessanter ist aber die Frage, wie Deutschlehrer heute damit klarkommen. Tja, und da ist letzte Woche ein etwas peinlicher Fall bekannt geworden: Ein Deutschlehrer aus Baden-Württemberg wollte seine Schüler auf ein Diktat mit einer Wortliste vorbereiten, darauf waren die besonders schwierigen Wörter zusammengefasst, und der gute Mann hat die Liste so betitelt: "Leerer" – Leerer mit Doppel-E – "prauchen wir nicht". Das war lustig gemeint. Das Dumme dabei: Die Liste strotzt auch sonst von Fehlern, die nicht beabsichtigt waren. 36 Fehler auf zwei Seiten. Peter Eisenberg ist emeritierter Sprachwissenschaftler an der Universität Potsdam. Herr Eisenberg, ist der arme Mann, der jetzt wohl zum Gespött der Schule wurde, ein Einzelfall?
Peter Eisenberg: Meiner Meinung nach nicht. Der Lehrer ist sogar im positiven Sinne eine Ausnahme, insofern diese Lehrkraft versucht hat, die Schüler intensiv auf ein Diktat vorzubereiten.
Götzke: Ohne Erfolg!
Eisenberg: Das ist durchaus nicht mehr üblich, sondern viel üblicher ist, dass die Beschäftigung mit Rechtschreibung, zumal noch im Gymnasium wie hier, weitgehend verdrängt wird, jedenfalls einen niedrigeren Status hat als vor der Orthografiereform. Was allerdings dort den Schülern vermittelt wird, das ist, wie Sie richtig gesagt haben, von weitgehender Unkenntnis der gegenwärtigen Situation geprägt und viel verträglicher mit dem, was 1996 galt.
Götzke: Aber sind die Deutschlehrer, was Rechtschreibung angeht, was vor allem die neue Rechtschreibung angeht, nicht auf dem Stand der Dinge?
Eisenberg: Das kann man sagen. Man kann so eine Aussage natürlich nicht vollständig generalisieren, aber man kann schon sagen, dass mit dem teilweisen Rückbau von 2006 die Unkenntnis vieler Deutschlehrer über den aktuellen Stand zugenommen hat.
Götzke: Woran machen Sie die Kritik fest?
Eisenberg: Das liegt vor allen Dingen daran, dass weder die Medien, noch die Kultusministerkonferenz eine intensive Öffentlichkeitsarbeit gemacht haben. Das war ja nach 1996 durchaus der Fall, die Neuregelung ist damals öffentlich sehr intensiv diskutiert worden, aber 2006 eben gar nicht. Die Neuregelung von 2006, die also teilweise den Rückbau betrieben hat und die Rückkehr zur alten Orthografie ...
Götzke: ... also die teilweise Rückkehr zur alten Orthografie ...
Eisenberg: ... die teilweise Rückkehr zur alten Orthografie, ganz recht, war eigentlich nur politisch gewollt. Sie war gewollt, weil man endlich die öffentliche Debatte loswerden wollte. Aber das inhaltliche Interesse an dem, was dort geschehen ist, war sehr gering, und von der KMK ist kaum etwas unternommen worden, um diese neue Schreibweise unter die Leute zu bringen.
Götzke: An den Universitäten in der Lehrerausbildung scheint das Ganze keine besonders große Rolle zu spielen.
Eisenberg: Na ja, das ist verschieden. Im Grunde müsste es in der Ausbildung von Deutschlehrern eine große Rolle spielen, ganz besonders in der Ausbildung von Grundschullehrern, aber auch bei der Ausbildung von Lehrern für die Sekundarstufe. Das ist traditionell nicht hinreichend der Fall und es ist seit 1996 und erst recht seit 2006 noch weniger der Fall.
Götzke: Und heute wird Orthografie nicht mehr so dezidiert gelehrt von den Lehrern in den Schulen, weil sie sich selbst nicht mehr so sicher sind?
Eisenberg: Ja natürlich, sie sind sich nicht mehr so sicher, es hat ein paar Veränderungen gegeben, immer wieder Veränderungen, aber die neue Regelung von 1996 selbst hat Bereiche geregelt, die die Lehrer bisher eigentlich vorher nie so recht zu händeln wussten. Und das war in dem Bereich auch ganz richtig.
Götzke: Woran machen Sie es fest, dass die Deutschlehrer früher besser waren, früher firmer waren in Sachen Orthografie?
Eisenberg: Ob man das so ohne Weiteres so sagen kann, dass sie firmer waren und besser waren, das wollen wir mal dahingestellt sein lassen. Es ist einfach so gewesen, dass die deutsche Orthografie in einem langen Prozess der Aushandlung innerhalb unserer Gesellschaft weit verbreitet war und in dieser Form auch eine ganz gute Rolle in der Deutschlehrerausbildung gespielt hat. Auch damals war ganz besonders bei den Grundschullehrern die Auseinandersetzung mit der Orthografie nicht weit genug betrieben worden, aber es bestand doch ein gesellschaftlicher Konsens darüber, dass die Orthografie wichtig ist, und sie wurde nicht hinreichend, aber doch weitgehend gelehrt in der Schule.
Götzke: Bei PISA und den ganzen anderen jetzt inflationären Bildungstests geht es ja vornehmlich um die Leistung der Schüler. Bräuchten wir eine Art Lehrer-PISA, um solche Katastrophen zu verhindern?
Eisenberg: Nein, man muss die Lehrerausbildung verbessern, und nicht die Lehrer öffentlich bloßstellen.
Götzke: Hätten die Lehrer, die Deutschlehrer die neue Rechtschreibung verhindern müssen, wie Sebastian Krämer es anregt?
Eisenberg: Nein, die Lehrer waren nicht diejenigen, die die neue Orthografie hätten verhindern müssen, das hätten die Kultusminister machen müssen und das hätte auch die Germanistik machen müssen, also das Fach, das ja zuständig ist für die Beschreibung der deutschen Orthografie. Aber ausgerechnet den Deutschlehrern diese Aufgabe zuzuschreiben, das ist ein bisschen blauäugig.
Götzke: Deutschlehrer kennen sich mit der neuen Rechtschreibung nicht ausreichend aus, sagt der Sprachwissenschaftler Peter Eisenberg. Vielen Dank!
Peter Eisenberg: Meiner Meinung nach nicht. Der Lehrer ist sogar im positiven Sinne eine Ausnahme, insofern diese Lehrkraft versucht hat, die Schüler intensiv auf ein Diktat vorzubereiten.
Götzke: Ohne Erfolg!
Eisenberg: Das ist durchaus nicht mehr üblich, sondern viel üblicher ist, dass die Beschäftigung mit Rechtschreibung, zumal noch im Gymnasium wie hier, weitgehend verdrängt wird, jedenfalls einen niedrigeren Status hat als vor der Orthografiereform. Was allerdings dort den Schülern vermittelt wird, das ist, wie Sie richtig gesagt haben, von weitgehender Unkenntnis der gegenwärtigen Situation geprägt und viel verträglicher mit dem, was 1996 galt.
Götzke: Aber sind die Deutschlehrer, was Rechtschreibung angeht, was vor allem die neue Rechtschreibung angeht, nicht auf dem Stand der Dinge?
Eisenberg: Das kann man sagen. Man kann so eine Aussage natürlich nicht vollständig generalisieren, aber man kann schon sagen, dass mit dem teilweisen Rückbau von 2006 die Unkenntnis vieler Deutschlehrer über den aktuellen Stand zugenommen hat.
Götzke: Woran machen Sie die Kritik fest?
Eisenberg: Das liegt vor allen Dingen daran, dass weder die Medien, noch die Kultusministerkonferenz eine intensive Öffentlichkeitsarbeit gemacht haben. Das war ja nach 1996 durchaus der Fall, die Neuregelung ist damals öffentlich sehr intensiv diskutiert worden, aber 2006 eben gar nicht. Die Neuregelung von 2006, die also teilweise den Rückbau betrieben hat und die Rückkehr zur alten Orthografie ...
Götzke: ... also die teilweise Rückkehr zur alten Orthografie ...
Eisenberg: ... die teilweise Rückkehr zur alten Orthografie, ganz recht, war eigentlich nur politisch gewollt. Sie war gewollt, weil man endlich die öffentliche Debatte loswerden wollte. Aber das inhaltliche Interesse an dem, was dort geschehen ist, war sehr gering, und von der KMK ist kaum etwas unternommen worden, um diese neue Schreibweise unter die Leute zu bringen.
Götzke: An den Universitäten in der Lehrerausbildung scheint das Ganze keine besonders große Rolle zu spielen.
Eisenberg: Na ja, das ist verschieden. Im Grunde müsste es in der Ausbildung von Deutschlehrern eine große Rolle spielen, ganz besonders in der Ausbildung von Grundschullehrern, aber auch bei der Ausbildung von Lehrern für die Sekundarstufe. Das ist traditionell nicht hinreichend der Fall und es ist seit 1996 und erst recht seit 2006 noch weniger der Fall.
Götzke: Und heute wird Orthografie nicht mehr so dezidiert gelehrt von den Lehrern in den Schulen, weil sie sich selbst nicht mehr so sicher sind?
Eisenberg: Ja natürlich, sie sind sich nicht mehr so sicher, es hat ein paar Veränderungen gegeben, immer wieder Veränderungen, aber die neue Regelung von 1996 selbst hat Bereiche geregelt, die die Lehrer bisher eigentlich vorher nie so recht zu händeln wussten. Und das war in dem Bereich auch ganz richtig.
Götzke: Woran machen Sie es fest, dass die Deutschlehrer früher besser waren, früher firmer waren in Sachen Orthografie?
Eisenberg: Ob man das so ohne Weiteres so sagen kann, dass sie firmer waren und besser waren, das wollen wir mal dahingestellt sein lassen. Es ist einfach so gewesen, dass die deutsche Orthografie in einem langen Prozess der Aushandlung innerhalb unserer Gesellschaft weit verbreitet war und in dieser Form auch eine ganz gute Rolle in der Deutschlehrerausbildung gespielt hat. Auch damals war ganz besonders bei den Grundschullehrern die Auseinandersetzung mit der Orthografie nicht weit genug betrieben worden, aber es bestand doch ein gesellschaftlicher Konsens darüber, dass die Orthografie wichtig ist, und sie wurde nicht hinreichend, aber doch weitgehend gelehrt in der Schule.
Götzke: Bei PISA und den ganzen anderen jetzt inflationären Bildungstests geht es ja vornehmlich um die Leistung der Schüler. Bräuchten wir eine Art Lehrer-PISA, um solche Katastrophen zu verhindern?
Eisenberg: Nein, man muss die Lehrerausbildung verbessern, und nicht die Lehrer öffentlich bloßstellen.
Götzke: Hätten die Lehrer, die Deutschlehrer die neue Rechtschreibung verhindern müssen, wie Sebastian Krämer es anregt?
Eisenberg: Nein, die Lehrer waren nicht diejenigen, die die neue Orthografie hätten verhindern müssen, das hätten die Kultusminister machen müssen und das hätte auch die Germanistik machen müssen, also das Fach, das ja zuständig ist für die Beschreibung der deutschen Orthografie. Aber ausgerechnet den Deutschlehrern diese Aufgabe zuzuschreiben, das ist ein bisschen blauäugig.
Götzke: Deutschlehrer kennen sich mit der neuen Rechtschreibung nicht ausreichend aus, sagt der Sprachwissenschaftler Peter Eisenberg. Vielen Dank!