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Legehennen-Verordnung erneut in der Diskussion

Remme: Hörer mit guter Erinnerung werden jetzt sagen, wieso entscheidet der Bundesrat schon wieder über die Käfighaltung von Legehennen. Vor zwei Jahren hat die Länderkammer dazu eigentlich alles gesagt. Einmütig wurde beschlossen, herkömmliche Batterien, die jedem Huhn weniger als ein DIN-A4-Blatt Platz lassen, ab 2007 zu verbieten und selbst die etwas größeren so genannten ausgestalteten Käfige sollte es nach 2011 nicht mehr geben. Inzwischen jedoch wollen einige Länder diesen Entscheid kippen. Tierschützer schreien auf. Die Politik sei vor der Agrarlobby eingeknickt, so der Vorwurf. - Am Telefon ist nun ein prominenter Vertreter dieser Agrarlobby, Bauernpräsident Gerd Sonnleiter, und Nordrhein-Westfalens Landwirtschaftsministerin Bärbel Höhn von den Grünen, die in diesem Fall auf der Seite der Tierschützer steht. Guten Morgen!

    Höhn: Guten Morgen!

    Sonnleitner: Guten Morgen!

    Remme: Herr Sonnleitner, was spricht für Sie dafür, eine Entscheidung, die vor zwei Jahren sicherlich nach langer Abwägung getroffen wurde, jetzt rückgängig zu machen?

    Sonnleitner: Ich stehe - das möchte ich ausdrücklich betonen - auch auf Seiten der Tierschützer. Ich betrachte mich als Bauer und als Bauernpräsident als Tierschützer. Der Käfig ist für uns auch tot. Wir wollen diesen Käfig nicht und wir haben auch nicht dafür plädiert, dass dieser Käfig bleiben soll, sondern wir wollen eine Option, dass wir ein Haltungsverfahren haben, das den Tieren gerecht wird, den Arbeitsplätzen, den Menschen, die dort arbeiten, und der Umwelt, sprich Nitrateinbringung in den Boden. Diese Option wollen wir zusammen mit Wissenschaftlern, zusammen mit Tierschützern und auch zusammen mit allen gesellschaftlich relevanten Gruppierungen.

    Remme: Aber dann müsste ja die Käfighaltung jetzt nicht länger erlaubt werden?

    Sonnleitner: Es ging ja, wenn Sie unsere Stellungnahmen ansehen, immer darum, dass wir eine Haltungsform finden, die allen Ansprüchen gerecht wird und besonders den Hennen. Da glauben wir, dass wir das Prinzip der Kleinvolieren so wie auch Tierfreunde ihre Singvögel halten, ihre Kanarienvögel halten, auch auf die Wirtschaftlichkeit einer Eierproduktion umlegen können.
    Meine große Sorge ist, dass wir zwar das Frühstücksei dann von Bodenhaltung und Freilandhaltung haben, dass aber die ganzen Eier, die in die Nahrungsmittelproduktion, in Fertiggerichte, in Kantinen und generell in den Verzehr gehen, dann vom Ausland kommen, Flüssigei aus Brasilien, das Ei aus der Ukraine, und dass dort wesentlich mehr Hennen in den Käfig reingestopft werden wie jetzt schon bei uns. Wissen Sie, Tierschutz ist für mich unteilbar. Und wenn er unteilbar ist, dann dürfen wir entweder diese Eier nicht mehr reinlassen, oder bei uns einen Weg finden, bessere Bedingungen zu schaffen.

    Remme: Frau Höhn, überzeugt Sie diese Argumentationslinie?

    Höhn: Nein, die überzeugt mich überhaupt nicht und in der Tat ist das hier auch ein Ausspielen von Huhn gegen Schwein, denn eigentlich geht es heute ja um die Schweinehaltungsverordnung. Wir haben 1999, ich auch als Person, ein ganz, ganz wichtiges Urteil beim Bundesverfassungsgericht erwirkt, nämlich dass die Batteriekäfighaltung nicht dem Tierschutzgesetz entspricht. Daraufhin musste die Hennenhaltungsverordnung geändert werden und wir haben damals eindeutig entschieden. 2006 ist der Ausstieg aus der Batteriekäfighaltung.
    Herr Sonnleitner, was Sie wollen und was heute zur Abstimmung steht ist, dass genau dieses Auslaufen verschoben werden soll auf 2009. Nicht mehr und nicht weniger! Im Übrigen wollen Sie einen Käfig installieren, nämlich einen ausgestalteten Käfig. Sie sagen immer sehr schön, das sei so eine Art Voliere oder so etwas. Das ist ein ausgestalteter Käfig, nicht mehr und nicht weniger. Von daher sage ich sehr eindeutig und klar: Das hat mit Tierschutz nichts zu tun, Herr Sonnleitner, worüber Sie reden. Sie versuchen, da etwas vorzuschützen, und bitte lassen Sie mich jetzt auch mal ausreden. Sie haben lange genug Ihre Argumente vorgetragen. Sie versuchen, hier mit dem Tierschutz etwas vorzuschützen, was nicht der Fall ist. Die bisherigen Haltungssysteme sind nach Wirtschaftlichkeit gegangen und nach Hygiene, aber nicht nach Tierschutz, eindeutig nicht. Wir haben durch dieses Urteil die Verpflichtung - und ich sage zurecht die Verpflichtung, denn ich habe viel dafür gekämpft, dass wir dieses Urteil bekommen haben -, auch den Tierschutz angemessen hier wiederzufinden. Was Sie momentan machen, dass wir einerseits einen Riesen Rückschritt bei den Hennen hier abstimmen lassen sollen - und ich bin absolut dagegen, dass wir es tun -, und zweitens bei den Schweinen eine EU-Verordnung hier eins zu eins umsetzen sollen, wo auch genau dieses Bundesverfassungsgerichtsurteil sagt, für die Schweine müssen wir ebenso zu besseren Haltungsformen kommen, und zwar mehr als die EU vorschreibt. Die Diskussion, dass dann die Eier woanders hinwandern oder die Hennen, das lasse ich nicht gelten, denn wenn wir uns danach richten, wo der Letzte auf dieser Welt seine Standards hat, dann werden wir an solchen Punkten nie nach vorne kommen. Wir tun auch den Bauern keinen Gefallen, denn was ist denn passiert bei der Hennenhaltung. Da ist die Industrie eingezogen. Wenn wir in einem Bereich eine industrielle Landwirtschaft haben, dann ist das im Hennenhaltungsbereich. Das müssen wir stoppen. Das heißt da sind doch Ihre kleinbäuerlichen Betriebe gar nicht mehr mit dabei.

    Sonnleitner: Frau Höhen, Sie unterstellen mir etwas, für was ich nicht kämpfe. Ich kämpfe doch nicht für den Käfig. Ich kämpfe für eine bessere Tierhaltung.

    Höhn: Sie kämpfen für den ausgestalteten Käfig und das ist ein Käfig!

    Sonnleitner: Diese Eier kommen dann von außen rein und dem Tierschutz ist dann überhaupt nicht Genüge getan. Man kann doch dies nicht teilen. Wir werden erleben, dass bei uns die Eierproduktion massiv zurückgeht und dass wir Extremimporte haben werden. Da könnten wir uns doch zusammensetzen, Frau Höhn, und sagen, wie werden wir den Tieren gerecht, wie können wir Wirtschaftlichkeit mit Tierschutz verbinden. Genau diese Frage wollen wir gemeinsam mit Tierschützern, mit der Politik in einem Großversuch und dann in der Umsetzung versuchen.

    Höhn: Herr Sonnleitner, Sie machen das ja gerade nicht gemeinsam mit Tierschützern. Insofern ist das hier eine Diskussion, die vollkommen zu einem anderen Ergebnis als das führt, was Sie hier vorschützen. Sie schützen falsche Tatsachen vor. Sie tun so, als würden Sie etwas für den Tierschutz tun wollen und wollen die Batteriekäfighaltung verlängern. Um nicht mehr und nicht weniger geht es heute bei der Abstimmung.

    Remme: Ich hätte im Interesse des Hörers eine kurze Frage, Frau Höhn. Es fällt dauernd der Begriff "ausgestalteter Käfig" und man könnte meinen, da hängen Bilder an der Wand. Was heißt denn das "ausgestalteter Käfig"?

    Höhn: Das ist in der Tat ein etwas besserer Käfig als die Batteriekäfighaltung.

    Sonnleitner: Das ist kein Käfig; das ist eine Kleinvoliere.

    Höhn: Weil da auch eine Sitzstange vorhanden ist, weil eben viele Argumente des Urteils von 1999 auch umgesetzt worden sind, aber wichtige Argumente fehlen. Zum Beispiel können die Tiere nicht flattern, weil die Höhe gar nicht gegeben ist. Von daher ist auch dieses Verfassungsgerichtsurteil, was ich 1999 erwirkt habe, mit diesem ausgestalteten Käfig nicht umgesetzt.
    Es kann nicht sein, dass wir jetzt bei einer Diskussion, wo es um Verbesserung bei Schweinen geht, zu einer Verschlechterung bei den Hühnern kommen. Das ist absolut verrückt und es ist auch gegen die Verbraucher. Herr Sonnleitner, Sie müssen doch, wenn Sie Vertreter der Bauern sind, allen klar machen, die Bauern produzieren für die Verbraucher. Wenn Sie immer permanent versuchen, Produkte zu produzieren, die die Verbraucher nicht mehr haben wollen, müssen Sie sich nicht wundern, wenn sich der Trend gegen die Bauern richtet.

    Remme: Herr Sonnleitner, ist die Koppelung zwischen Schweinehaltung und Legehennenhaltung in diesem Fall wirklich legitim?

    Sonnleitner: Diese Koppelung hat nicht der Bauernverband gefordert; das hat die Politik ins Spiel gebracht. Wir wollen eine vernünftige Behandlung der Schweinehaltungsverordnung und wir wollen eine wirklich intensive Behandlung der Legehennenhaltungsverordnung. Aber noch einmal: wir wollen doch nicht den alten Käfig. Wir wollen keine Käfigformen, die dem Tier nicht gerecht werden, sondern wir wollen eine Kleinvoliere. Da wollen wir eben gemeinsam mit der Gesellschaft aufzeigen, dass in einer Kleinvoliere Platz für die Hühner ist, Sand zum Schaben fürs Staubbad, eine dunkle Ecke, wo sie das Ei ablegen kann, weil das will die Henne, eine Sitzstange und auch eine größere Höhe. Frau Höhn unterstellt ha, dass wir nur den alten Käfig ein bisschen größer machen. Wir wollen die gesamten Haltungsbedingungen für Legehennen verbessern. Ich kann auf Staaten verweisen wie die Schweiz, die die Käfighaltung verboten haben und dann keine Alternativen eingeführt haben, dass dann eben die Eigenproduktion massiv zurückgegangen ist. Dann wird eben denn Hennen und dem Tierschutz nichts Gutes getan.
    Nochmals: wir wollen dies ja nicht per Gewalt durchbringen, sondern eben mit den Tierschützern, mit den Wissenschaftlern. Allein die Sprachregelung von der Frau Höhn ist eine Diffamierung. Sie unterstellt uns und möchte in der Öffentlichkeit immer so darstellen, als wollen wir den alten Käfig. Das stimmt nicht! Wir wollen eine offene Diskussion um den Tierschutz.

    Höhn: Sie wollen erst mal eine Verlängerung für den alten Käfig!

    Remme: Herr Sonnleitner, es bleibt doch dabei, wenn sich diejenigen durchsetzen, die heute im Bundesrat dieses Ansinnen stellen, diese Regelung zurückzunehmen, dass es längere Zeit, also zwei Jahre, drei Jahre länger bei 550 Quadratzentimetern für die Henne bleibt?

    Höhn: Der entscheidende Punkt ist, dass gerade die Länder - und da versucht auch Herr Sonnleitner ein falsches Bild zu vermitteln - wie die Schweiz und wie Schweden, die den Käfig abgeschafft haben, zu allem gekommen sind, dass der Anteil der Eier, die aus Bodenhaltung und Freilandhaltung gekommen sind, bei den Verbrauchern stärker nachgefragt worden ist und damit eine weitere Perspektive für bäuerliche Betriebe entstanden ist. Ja, es gibt auch einige, die abgewandert sind. Die industrielle Hennenhaltung ist abgewandert. Aber die alternativen Haltungsformen wie die Freilandhaltung sind auch gestiegen in ihrem Anteil und damit sind letzten Endes mehr Arbeitsplätze in diesem Bereich gehalten worden. Nur dann, wenn immer mehr Länder diesem Beispiel folgen, nicht nur die Schweiz und Schweden, sondern auch Deutschland und letzten Endes Europa, nur dann werden wir auch die Haltungsformen in den anderen Ländern verändern und nicht dadurch, dass wir immer hinter dem letzten Land hinterher rennen.

    Remme: Herr Sonnleitner, wie schwer wiegen die wirtschaftlichen Interessen in diesem Fall?

    Sonnleitner: Es geht darum; können wir noch eine Eierproduktion, die den Bedarf in Deutschland einigermaßen abdeckt, aufrecht erhalten oder nicht. Wir wollen die Bodenhaltung. Wir wollen die Volierenhaltung. Wir wollen die Ökoeierproduktion. Wir wollen ja all diese alternativen Haltungsformen.

    Höhn: Warum machen Sie dann andere Anträge, Herr Sonnleitner? Das finde ich ja wirklich verrückt!

    Sonnleitner: Wir wollen aber auch, dass wir den Volumenmarkt besetzen können mit einer Produktionsweise, die dem Tier gerecht wird und die uns auch noch eine Wirtschaftlichkeit erlaubt. Bei einem strikten Nein zu Kleinvolieren werden wir erleben, dass Arbeitsplätze abwandern, und nochmals, dass dann eben genau dies, was wir alle, Frau Höhn und ich nicht wollen, dass dann Agrargroßindustrielle mit Massenproduktionen in Ländern, wo überhaupt keine Tierschutzüberwachung stattfindet, unsere Märkte beliefern.
    Meine Heimat ist Bayern. Dort haben jetzt Großinvestoren in der Nähe der bayerischen Grenze in Tschechien Stallungen hingestellt, wo Millionen von Hennen in engsten alten Käfigen, dort nochmals mit einer Henne mehr für unseren Markt produzieren. Das kann doch nicht die Zukunft sein.

    Höhn: Genau! Das wollen wir auch beide nicht!

    Remme: Frau Höhn, eine Frage an die Politik zum Schluss. Sie kennen die Mehrheitsverhältnisse. Ist das Kippen dieser Regelung von 2001 im Bundesrat heute wahrscheinlich?

    Höhn: Ich werde kämpfen bis zur letzten Minute, dass es nicht kippt. Ich hoffe und ich appelliere an die Vernunft der Ministerpräsidenten - die sind nämlich bei solch einem Punkt dichter am Verbraucher dran als die Landwirtschaftsminister -, dass sie dem Votum ihrer Landwirtschaftsminister nicht folgen und dass wir deshalb bei der jetzigen Regelung für die Hennenhaltung bleiben.

    Remme: Vielen Dank! - Das war die Landwirtschaftsministerin von Nordrhein-Westfalen, Bärbel Höhn - sie ist von den Grünen -, und Bauernpräsident Gerd Sonnleitner. Ich danke Ihnen!
    Gerd Sonnleitner, Präsident des Deutschen Bauernverbandes
    Gerd Sonnleitner, Präsident des Deutschen Bauernverbandes (AP)
    Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Bärbel Höhn
    Bärbel Höhn, Landwirtschaftsministerin in NRW (AP)
    Legehennen im Käfig
    Legehennen im Käfig (AP)