Er war ein Schwergewicht, nicht nur wegen der 270 Pfund, die der Vorsitzende der Gewerkschaft ÖTV auf die Waage brachte. Heinz Kluncker saß von 1964 an fast 20 Jahre lang der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr vor. Und seine Forderungen, ganz ruhig vorgetragen, waren nicht von Pappe:
"Wir gehen von dem aus, was für Arbeitnehmer wichtig und richtig ist. Und da steht im Mittelpunkt des nächsten Jahres für uns, im Frühjahr des Jahres, eine Verbesserung der Löhne und Gehälter um neun Prozent."
Im Februar 1974 schaffte er noch mehr als neun Prozent. Drei Tage lang ließ er die Republik bestreiken. Müll blieb liegen, Busse blieben stehen. Dann hatte er den legendären Tarifabschluss von elf Prozent mehr Lohn durchgesetzt.
Seine Nachfolgerin, Monika Wulf-Mathies, freute sich, der Öffentliche Dienst sei "Trendsetter für die deutsche Einheit im Tarifbereich" gewesen. So praktische Themen wie die 40-Stunden-Woche in den neuen Bundesländern gehörten dazu, aber auch heftig umstrittene wie die Anerkennung der Dienstzeiten in der DDR.
In der Metallindustrie war Franz Steinkühler, von 1986 bis 1993 Chef der IG Metall, für kürzere Arbeitszeiten angetreten, stritt für die 35-Stunden-Woche, um Arbeit auf mehr Köpfe zu verteilen. Dafür, sagte er später, würde nicht noch einmal auf die Barrikaden gehen, zu sehr hätten sich die Arbeitsorganisationen geändert:
"Wenn ich heute entscheiden müsste, dann würde ich wahrscheinlich nicht für pauschale und generelle Arbeitszeitverkürzung plädieren, sondern für differenzierte Arbeitszeitverkürzungen."
In Deutschland vergleichsweise wenige Streiks
Der langjährige Vorsitzende der Baugewerkschaft, Klaus Wiesehügel, der voriges Jahr unter Peer Steinbrück Arbeitsminister werden wollte, hat dafür gekämpft, Bauarbeitern trotz Winter und Wetter einen verlässlichen Lohn zukommen zu lassen. Mindestlöhne waren dabei ein Thema. Den Unternehmern traute er wenig Fürsorge für die Beschäftigten zu:
"Ich habe - das mag sich jetzt klassenkämpferisch anhören -, ich habe aber bei manchen Mittelständlern wirklich den Verdacht: Würden wir ihrer Argumentation folgen und sagen: ‚Jawoll, nur wenn wir die Löhne senken, dann gibt es wirklich Arbeitsplätze.‘ ist der Endpunkt der Diskussion Kost und Logis. Und wenn ich jetzt kommen würde und sagen, ich greife dieser Entwicklung vor und biete Kost und Logis an, dann werden die gleichen Unternehmer in einem halben Jahr zu mir sagen: 'Aber Herr Wiesehügel, jede Woche Fleisch geht nicht. Und jeden Tag schon gar nicht.'“
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, die Begrenzung der Leiharbeit, auch das zieht sich schon seit Jahren durch die gewerkschaftliche Tarifpolitik.
Durchgesetzt wird sie auch mit Streiks. Sie nahmen zuletzt zu. Im internationalen Vergleich wird in Deutschland allerdings relativ wenig gestreikt. Zwischen 2004 und 2010 fielen hier pro 1.000 Beschäftigte im Jahresmittel lediglich 15 Arbeitstage durch Arbeitskämpfe aus. In Frankreich waren es 162, in Großbritannien 24 und in den Vereinigten Staaten neun.