Montag der 29. Januar 1996. Dunkelheit umhüllt Venedig nach einem grauen Wintertag. Es ist 20 Uhr 58, als bei der Feuerwache ein Anruf angeht. Eine Frau meldet starke Rauchentwicklung in einem Seitenflügel des Gran Teatro la Fenice, den sie gegenüber von ihrem Arbeitsplatz in einem Hotel sehen kann. Das Opernhaus ist seit einigen Wochen wegen Renovierungsarbeiten geschlossen. Wenige Minuten nach dem Anruf erreicht die erste Feuerwehreinheit das weltberühmte Theater. Durch die Fenster der Fassade leuchten bereits Flammen.
Abgebrannt bis auf die Außenmauern
Ausgerechnet die Kanäle beim Theater führen an diesen Tagen wegen Reinigungsarbeiten kein Wasser. Die Feuerwehr muss lange Schlauchverbindungen teilweise bis zum Canal Grande legen. Funkenschlag und Rauchschwaden füllen die oft nur einen Meter breiten Gassen um das Theater. Ein ganzes Stadtviertel ist bedroht. Während man beginnt, die Umgebung weiträumig zu evakuieren, dringen Feuerwehrmänner durch den Bühneneingang ins Gebäude ein. Sie wollen prüfen, ob die Flammen bereits den Zuschauersaal erreicht haben. In dem Dokumentarfilm "L’incendio della Fenice" erinnert sich einer von ihnen:
"Als wir vom Pförtnergang zum Saal vorstießen, da hatte das Feuer bereits die Ränge erreicht und die meisten Logen zerstört. Da war nichts mehr zu machen."
Am nächsten Morgen ragen von der berühmten Opernbühne nur noch rußgeschwärzte Außenwände in den Winterhimmel.
Von Verdi bis Nono: alle bespielten La Fenice
Das Theater wurde 1792 errichtet, nachdem ein Vorgängerbau von Feuer zerstört worden war. Man gab ihm den Namen "la Fenice", um an den mythischen Sonnenvogel Phönix zu erinnern, der sich dem Feuer trotzend aus der Asche erheben konnte.
200 Jahre lang wurde hier Musikgeschichte geschrieben. Der junge Gioachino Rossini feierte auf dieser Bühne erste Erfolge. Giuseppe Verdi ließ in der Fenice unter anderem die Opern "Ernani", "Rigoletto" oder "Simone Boccanegra" uraufführen.
Mit der "Traviata", später ein Welterfolg, erlebte er ein Debakel. Das Publikum verlachte die rundliche und urgesunde Sängerin in der Rolle der schwindsüchtigen Kurtisane Violetta. Richard Wagner dirigierte kurz vor seinem Tod 1883 in Venedig im Foyer der Oper seine Symphonie in C-Dur. Und im 20. Jahrhundert brachten Komponisten wie Igor Strawinsky oder Luigi Nono in der Fenice wichtige Werke zur Uraufführung.
Es war Brandstiftung
Angesichts der Bedeutung der Bühne versprach der Bürgermeister der Stadt, der Philosoph und sozialdemokratische Politiker Massimo Cacciari, vor den noch rauchenden Trümmern des alten Opernhauses: "Wir werden das Teatro la Fenice wiederaufbauen, wo es war und wie es war."
Während ein langer Prozess zur Planung der Rekonstruktion einsetzte, war die Polizei dabei, nach Ursachen und möglichen Tätern zu forschen. Vier Jahre nach der Katastrophe wurden ein Elektriker aus Venedig und sein Cousin wegen Brandstiftung verurteilt. Sie hatten einer Konventionalstrafe entgehen wollen, weil sie ihre Arbeiten bei der Renovierung der Fenice nicht termingerecht abschließen konnten. Mit einem auf ihren Baustellenbereich begrenzten Feuer hatten sie gehofft, Zeit zu gewinnen.
Auferstanden zu neuem altem Glanz
Der Opernbetrieb wurde nach dem Brand in einem Zelt auf der Parkplatzinsel Tronchetto notdürftig fortgesetzt. Derweil arbeiteten Architekten und Handwerker am Wiederaufbau der Fenice nach alten Plänen und Dokumenten.
Der große birnenförmige Saal mit fünf Logenreihen wurde exakt nach den Vorlagen gestaltet. Und die dem Barock nachempfundenen Dekorationen, wie sie Mitte des 19. Jahrhunderts Mode waren, leuchteten sieben Jahre nach der Zerstörung wieder in Purpur und Gold.
Ab Dezember 2003 konnten im so rekonstruierten Gran Teatro la Fenice zunächst nur Konzerte stattfinden. Im November 2004 wurde es nach der endgültigen Fertigstellung der Bühnentechnik auch für Opernaufführungen feierlich eröffnet. Mit einer Inszenierung von Verdis "La Traviata" stieg der Phoenix in Venedig wieder aus der Asche.