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Lehren lernen
Eine Servicestelle der Uni Jena bringt Lehrenden Didaktik bei

Konzentration auf das Wesentliche ist wichtig in einem Seminar: Das und vieles mehr wird künftigen Seminarleitern an der Uni Jena bei der Servicestelle "Lehre Lernen" beigebracht. Etwa 300, meist noch junge Dozenten belegen jedes Jahr die speziellen Workshops und lernen das Rüstzeug für gute Lehre.

Von Henry Bernhard |
    "Wie kann ich so stark reduzieren, dass ich mir vorstellen kann in so einer Drei-Minuten-Sequenz: Was müssten die Studierenden heute aus dem Seminar eigentlich mitgenommen haben?"
    Matthias Schwarzkopf steht inmitten von fünf Doktoranden und erklärt, was in einem Seminar wichtig ist. Hier: Reduktion auf das Wesentliche.
    "Weil es ihnen dann wieder leichter fällt, zum Beispiel Texte zu kürzen oder auszuwählen; es fällt ihnen leichter, Gruppenarbeiten zu planen, weil sie dann zielgerichteter Aufgaben formulieren können usw. Das ist sozusagen die Grundidee der didaktischen Reduktion."
    Für drei Tage sind sie hier im Basis-Workshop Akademische Lehre für Geistes- und Sozialwissenschaftler an der Servicestelle "Lehre Lernen" der Universität Jena. Die jungen Männer wirken fast noch wie Studenten.
    "Genau, das ist das Anspruchsvolle an der Universität: Gestern war ich noch Student, und heute muss ich lehren."
    Ein Schritt, der den meisten schwer fällt, denn Lehren bedeutet viel mehr als nur Wissen. Der Soziologe Sebastian Sevignani erinnert sich noch gut an das erste Seminar, das er gegeben hat:
    "Da hatte ich halt meinen Master-Abschluss gerade gemacht. Natürlich gab's damals wenig Überlegungen: 'Wie vermittle ich was?', usw.; also ich weiß, dass es ihnen Spaß gemacht hat in dieser Gruppe, aber ob sie tatsächlich so viel von dem Inhalt mitgenommen haben, dass weiß ich irgendwo nicht."
    Sebastian Sevignani sucht sich weiteres Rüstzeug. In den drei Tagen gibt es vier Grundthemen: Was müssen meine Studenten wissen? Was brauchen sie dafür für ein Handwerkszeug? Welche Rolle spiele ich als Lehrender? Und wie trete ich vor den Studenten auf? Matthias Schwarzkopf empfiehlt allen jungen Wissenschaftlern, Lehrkurse zu besuchen:
    Seminarinhalt: "Wie trete ich vor den Studenten auf?"
    "Die sind nicht deswegen überfordert, weil sie fachlich das nicht hinkriegen würden – das ist eigentlich kein Problem. Aber es ist oft so, dass hier Studierende gerade in den Fächern Geistes- und Sozialwissenschaften Schwierigkeiten haben, schwierige Texte zu lesen, dass sie Schwierigkeiten haben, Texte zu schreiben und dass sie Schwierigkeiten haben, über Texte zu reden. Und das muss man in den ersten zwei, drei, vier Semestern erst mal entwickeln."
    Fünf Mitarbeiter an der Servicestelle der Jenaer Uni geben spezielle Kurse für Natur- und Geisteswissenschaftler, auf Deutsch und Englisch, vergeben Lehrzertifikate in verschiedenen Stufen. Etwa 300, meist junge Dozenten gehen jedes Jahr durch ihre Schule. Auch einige ältere wie der Wirtschaftsinformatiker Prof. Jürgen Müller, der ein Einzeltraining absolviert. Seine Lehrveranstaltung wurde mit zwei Kameras aufgezeichnet, nun analysieren er und Matthias Schwarzkopf die Aufnahmen am Computer.
    "Da stelle ich ihnen eine kleine Aufgabe, die sie bitte in Partnerarbeit lösen. Sie kriegen von mir Moderationskärtchen."
    Schweigend schauen die beiden ein paar Minuten auf den Monitor, folgen dem Seminar. Zwischendurch immer wieder Lob, kaum Kritik.
    "Für mich war 'ne Frage: Haben Sie bei den Studierenden eigentlich eine Art Unsicherheit wahrgenommen, sehen die auch wirklich, dass das, was Sie jetzt angeschrieben haben, relevantes Wissen ist im Sinn von, 'Das muss ich mir merken!'?"
    "Absolut, meine Erfahrung ist eh: Wenn ich jetzt 'ne große Masse von Studenten einbinde, kommen die eigentlich auf die gleichen Sachen, die ich ihnen sonst erzählen würde. Also von der Seite schreiben die schon intuitiv mit. Aber es ist gut, dass Sie das sagen! Ich hab selbst nie darauf geachtet, dass die mitschreiben. Das machen ganz viele. Das passt für mich, und das ist genau das Richtige."
    "Ja, ja, genau!"
    Müller lehre auf extrem hohem Niveau, meint Schwarzkopf. Dennoch kommt er zu ihm:
    "Man bildet sich ein, alles zu können, aber es ändert sich ja 'ne ganze Menge. Die Studenten kommen mit 'nem anderen Background als vor 20 Jahren, die ganze neue Medienwelt. Und es ist gut, mal ein bisschen zu reflektieren: Das, was man über Jahre macht – passt das überhaupt noch? Die Lehrer sind ja Einzelkämpfer – es ist immer gut, wenn sich das andere noch mal anschauen: Was macht man eigentlich? Das sind Sachen, die sich eingeschliffen haben; ich achte da gar nicht drauf. Und es ist gut, noch mal drauf gestoßen zu werden: Was machst Du hier eigentlich?"