"DAF-Lehrer auf Abstellgleis. Miserabler Arbeitsmarkt. Lehrermangel." Beatrice Richter, die ihren richtigen Namen hier nicht nennen will, sitzt an ihrem Schreibtisch und liest Nachrichten. Sie kennt die aktuellen Schlagzeilen nur zu gut, eigentlich aber muss sie arbeiten.
"Ich bewerte das schriftliche deutsche Sprachdiplom für die Deutsche Stelle für Auslandsschulwesen, natürlich auch auf Honorarbasis."
Sarkasmus schwingt in Richters Stimme mit. Sie ist DAZ-Lehrerin (Deutsch als Zweitsprache). In ihrem neunjährigen Berufsleben war sie noch nie fest angestellt. Dabei hatte sie große Pläne, als sie damals Ende der 90er-Jahre mit ihrem Magisterstudium anfing: Deutsch als Fremdsprache, Spanisch, KMW. Ihr Traum: Deutsch im Ausland zu unterrichten. Das tat sie auch – in Spanien und Südamerika. Dann änderte sich ihre Lebensplanung.
"Ich hab ein Kind bekommen und dann kam ich an einen Punkt, wo ich dachte, ich möchte einfach in Deutschland bleiben könne, bei meinen Freunden bei meiner Familie und habe dann versucht Stellen zu finden und was feste Stellen anging, konnte ich nur scheitern im DAZ-Bereich."
Jahrelang hangelt sich Richter von Monat zu Monat. Sie unterrichtet Erwachsene an Volkshochschulen, heuert bei Interdaf an, einem an die Leipziger Universität angegliederter Verein, der Deutsch als Fremdsprache vermittelt. Doch einen festen Job ergattert sie nie. Existenzängste treiben sie um, immer wieder muss sie mit Hartz IV aufstocken. Zwischen 15 und 20 Euro bekommt sie pro Unterrichtsstunde. Der Grund: DAF-Absolventen fehlt das Staatsexamen, sie gelten nicht als "vollständige Lehrer". Dabei dürfen sie im Ausland sogar an Gymnasien unterrichten. Das niedrige Gehalt aber ist nicht alles, erzählt die 35-Jährige.
"Das Problem an der Sache ist, dass man keine klar geregelten Arbeitszeiten hat. Als Honorarkraftlehrer für DAZ bist du dann hier drei Monate im Kurs, dann hast du wieder drei Monate nichts zu tun, dann musst du wieder einen neuen Kurs finden, das Problem ist auch: Du bekommst kein Geld für Vor- oder Nachbereitung, Klausuren erstellen, Klausuren bewerten – all das wird nicht bezahlt, auch wenn du krank bist oder Urlaub hast."
Bis zu 20.000 Lehrer fehlen bundesweit
Die DAF/DAZ-Ausbildung ist bundesweit nicht einheitlich geregelt. Den Absolventen blieb der Zugang zu Schulen lange verwehrt. Bis jetzt. Denn seit der steigenden Flüchtlingszahl gibt es ein Problem: Es fehlen zwischen 10.000 und 20.000 qualifizierte Lehrer deutschlandweit, schätzt der Fachverband Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Jahrelang hatte die Politik am Berufsbild DAZ gespart, redete immer von Integration, nur kosten durfte sie nichts. Für Theresa Birnbaum, DAZ-Expertin an der Universität Jena, liegt die Krux in der fehlenden Achtung vor dieser Arbeit.
"Ich denke, dass da im Moment ein gesellschaftliches Umdenken stattfindet. Dass die Schulen auch Quereinsteiger beschäftigen. Da ist es ganz wichtig, dass man eben auch anerkennt, dass das richtige Lehrer sind, die für eine besondere Zielgruppe ausgebildet wurden. Wenn man da Beschäftigungsverhältnisse schafft, die eine gewisse Sicherheit geben und eine Wertschätzung vornimmt, ich denke, dann können wir erst richtige Erfolge erzielen."
Mit Erfolgen meint sie die schulische Integration von den Kindern, die unsere Zukunft mitgestalten werden. Die deutsche Sprache ist dafür ihr wichtigstes Instrument. Bisher aber ist die Schulabbrecherquote unter Migranten doppelt so hoch wie unter deutschen Kindern, an Gymnasien fehlt es fast gänzlich an DAZ-Lehrern. Der Lehrermangel macht nun kreativ. Allein in Sachsen sind von den 1000 neueingestellten Lehrern 20 Prozent Seiteneinsteiger. Seit diesem Jahr bietet die Leipziger Universität das Lehramtserweiterungsfach Deutsch als Zweitsprache an. Plötzlich erhielt auch Beatrice Richter mehrere Jobangebote, doch sie bleibt skeptisch.
"Das ist natürlich ein schönes Gefühl, ganz klar, aber es macht auch ein komisches Gefühl zu wissen, wenn diese Massen an Flüchtlingen, die im Moment kommen, mal weniger werden und die dann integriert sind und DAZ-Lehrer nicht mehr ganz so dringend gebraucht werden, dann sind wir natürlich die Allerersten, die rausfliegen, davon kann man eigentlich ausgehen."
Deshalb will Richter ihr Zweitstudium auf Lehramt, dass sie derzeit an der Universität in Halle absolviert, unbedingt beenden. Denn wenn sich am Nischendasein der Sprachausbildung bis dahin nichts geändert haben sollte, ist sie mit dem Staatsexamen auf der sicheren Seite.