Freude über die Sommerferien? Keine Spur. Nicole Wildgrube-Bernhard ist Realschullehrerin in Heilbronn. Was sie seit ein paar Tagen betrübt, ist: "die Arbeitslosigkeit. Sechs Wochen, die ganzen Sommerferien, komplett."
Julia Penzkofer, Haupt- und Realschullehrerin aus Schwäbisch-Gmünd, kann sich ebenso wenig über den Beginn der Sommerferien freuen. "Richtig, weil: Der Staat bezahlt mich nämlich nicht in dieser Zeit, weil: Am Ende eines Schuljahres hört mein Vertrag einfach auch."
So geht das derzeit vielen Pädagogen, die im zurückliegenden Schuljahr nur befristet als Krankheitsvertretung beschäftigt wurden. In Baden-Württemberg bekommen 7000 fertig ausgebildete Referendare sowie 3000 Lehrerinnen und Lehrer aller Schularten mit Beginn der Sommerferien kein Gehalt mehr. Der Grund:
"Das Kultusministerium schließt alle Verträge mit Vertretungskehrkräften so ab, dass sie am letzten Unterrichtstag vor den Sommerferien enden."
Und das manchmal mit drastischen Folgen, findet Doro Moritz, Vorsitzende des Landesverbandes Baden-Württemberg in der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft:
"Wir hatten auch Fälle, die im vergangenen Jahr Hartz IV beantragt hatten, und die zum Beispiel in Karlsruhe ums Wildparkstadion Rasenmähen, Hecken schneiden und Laub aufsammeln mussten."
Rasenmähende Junglehrer
Viele Betroffene entschlossen sich deshalb, es ihren Schülern gleich zu tun – und suchten sich einen Ferienjob. Nicole Wildgrube-Bernhard:
"Ich hab jetzt halt noch einen Nebenjob: Service, Bedienung, im Restaurant. Wie ein Student, ein Schüler mit Ferienjob sozusagen. Ich gehe davon aus, dass das viele machen."
Wo bleibt da das notwendige Maß an Wertschätzung? fragen sich viele betroffene Lehrkräfte, die häufig kurzfristig eine Krankheitsvertretung übernommen haben. Sie verweisen auf die Zustände an jenen Schulen, die keine Vertretungslehrer gefunden haben. Julia Penzkofer:
"Es fällt Unterricht aus. Die Qualität leidet sehr darunter. Die Belastungen der einzelnen Kolleginnen und Kollegen ist sehr, sehr hoch."
Deswegen erhebt die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft die Forderung nach Gehaltsfortzahlung während der Ferienzeit für alle Lehrerinnen und Lehrer. Die baden-württembergische Landesvorsitzende Doro Moritz blickt dabei auf andere Bundesländer:
"Also Hessen hat die Regelung, wenn 39 Wochen der Beschäftigung bestand, die Sommerferien bezahlt werden. Und in Nordrhein-Westfalen erhalten die die Sommerferien bezahlt, die zum 1. Februar eingestellt wurden."
Unterrichtsausfälle
Doch im baden-württembergischen Kultusministerium ist man wenig geneigt, an der bestehenden Regelung etwas zu ändern, wenn auch die Klagen der Betroffenen durchaus Gehör finden.
"Wir haben Verständnis dafür, dass die Situation der befristet Beschäftigten nicht einfach ist."
betont Ministeriumssprecher Michael Hermann. Er verweist allerdings darauf, dass viele der Lehrkräfte, die zeitlich befristet eingestellt wurden, außerhalb des regulären Stellenplans beschäftigt werden müssen.
"Das ist zunächst einmal sachlich richtig, dies bis zum Schuljahresende zu befristen. Wir müssen auch sehen, dass wir uns auch in einem relativ engen rechtlichen und faktischen Rahmen bewegen, in dem wir diese Befristungen gestalten können."
Letztlich geht es aber ums Geld: Das Land müsste einen zweistelligen Millionenbetrag in die Hand nehmen, um die befristet beschäftigten Lehrer auch in den Sommerferien zu bezahlen. Ministeriumssprecher Michael Hermann hält für die Betroffenen dennoch eine Art Trostpflaster bereit: Nie standen die Chancen auf Festanstellung im neuen Schuljahr für die Betroffenen so gut wie derzeit.
"Gerade zum kommenden Schuljahr gibt es eine Rekordeinstellung in Baden-Württemberg. Es sind 5000 junge Lehrerinnen und Lehrer, die neu in den baden-württembergischen Schuldienst eingestellt werden."
Dabei haben Lehrkräfte, die bislang befristet gearbeitet haben, besonders gute Chancen, in eine Festanstellung hineinzurutschen: "Im Übrigen ist es so, dass im Bewerbungsverfahren dafür ein Extra-Kontingent vorgehalten wird."
Für Julia Penzkofer ist das ein schwacher Trost. Einerseits steht sie nun ohne Gehalt da. Andererseits weiß sie noch nicht, ob sie zu Beginn des neuen Schuljahres überhaupt wieder einen neuen Job bekommt – und hat daher für die Haltung des Ministeriums kein Verständnis.
"Ich habe kein Verständnis dafür, wenn am Bildungssystem gespart wird. Das ist der falsche Weg."