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Lehrer zweiter Klasse?

In Nordrhein-Westfalen klagen derzeit 20 Lehrer im Angestelltenverhältnis vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Sie verlangen, dass zumindest die Altersgrenze für eine Verbeamtung in NRW erhöht wird. Derzeit liegt sie bei 35 Jahren.

Von Antje Allroggen |
    "Die Arbeit mit den Schülern und den Eltern, die ist da, weil ich halt relativ schwierige Schüler habe. Ich muss viel Kontakt halten zu den Eltern, morgens früh anrufen, ob die Schüler doch mal aufstehen, habe ganz viel Kontakt zum Jugendamt. Das sind die Sachen, die ich mit meiner Klasse, mit meinen Schülern habe, und dazu kommen die Schulverwaltungssachen. Das versteht keiner so richtig, was da noch alles dazu kommt."
    Dirk Essers ist Lehrer an einer Kölner Hauptschule. In seiner Klasse, einer neunten Klasse, befinden sich viele Schüler, die keine Chance haben, einen Hauptschulabschluss zu machen. Hier gilt es, auch über die reguläre Unterrichtszeit zu motivieren, Praktika zu besorgen, die Schüler zur Pünktlichkeit anzuhalten. Weil sich an seiner Schule kein verbeamteter Kollege fand, der den frei werdenden Posten des Co-Rektors übernehmen wollte, arbeitet Essers nun noch zusätzlich in der Schulverwaltung mit.

    Obwohl er ein volles Studium auf Lehramt hinter sich hat, ist er jedoch nie verbeamtet worden. Dadurch verdient er monatlich etwa 500 Euro weniger als seine verbeamteten Kollegen - netto. Als Quereinsteiger in den Lehrerberuf war er mit 40 Jahren nach dem Referendariat einfach zu alt. Gemeinsam mit 19 Kollegen aus NRW hat er gegen diese rechtliche Regelung Klage eingereicht. Alfred Bongard, Rechtsanwalt in Köln, vertritt ihn vor Gericht:

    "Ja, die Unterschiede zwischen Angestelltenverhältnis und Beamtenstatus sind doch ganz erheblich. Es ist ja nicht nur der Differenzbetrag im monatlichen Netto, abhängig von Steuerklasse und persönlichen individuellen Verhältnissen, es ist auch die wesentlich bessere Altersversorgung für Beamte. Auch wenn in den letzten Jahren da einiges gekürzt worden ist, ist doch insgesamt gesehen die Altersversorgung der Beamten doch wesentlich besser als die der Angestellten."
    Als Dirk Essers vor gut fünf Jahren an die Kurt-Tucholsky-Schule in Köln-Neubrück kam, half er der Schule sogar aus, indem er auch sogenannte Mangelfächer unterrichtete - also Fächer, für die seinerzeit händeringend Lehrer gesucht wurden. Noch vor vier Jahren hatte die Düsseldorfer Landesregierung angestellten Lehrern, die Mangelfächer unterrichteten, eine Verbeamtung in Aussicht gestellt. Passiert ist allerdings nichts.

    "Ja die haben mir gesagt, es liegt nicht daran, ob man die Fächer unterrichtet. Es heißt in dem Erlass, dass man die Fächer studiert haben soll. Juristisch waren die damit vielleicht im Recht, aber ich denke moralisch nicht."

    Bongard: "Das ist natürlich eine besonders traurige Geschichte. Zunächst einmal zeigt sich daran, dass sehr wohl der Höchstalterssatz angehoben werden kann, ohne dass hier die Welt untergeht. Man hat eben für Lehrkräfte mit bestimmten Fächern, abhängig von Fächerkombinationen, Schulform etc. eine Ausnahmeregelung geschaffen, wonach diese Lehrkräfte auch nach 45 verbeamtet werden sollen. Das hat schon dazu geführt, dass in diesen Fächern deutlich mehr Lehrkräfte nach NRW kamen, so dass dieser Mangel dann auch schnell gedeckt werden konnte. Das Fatale ist nur, als dann die neue Regierung im Mai 2005 eben an die Macht kam, hat sie nach einem Jahr, im Juni 2006, diesen Mangelfacherlass wieder außer Kraft gesetzt."
    Im Januar 2004 kündigte die Düsseldorfer Landesregierung dann einen erneuten Versuch an, Lehrer im Angestelltenverhältnis zu verbeamten. Auch hier sei es bei einem bloßen Versprechen geblieben. In anderen Bundesländern sieht es für Lehrer ganz anders aus: In Hessen kann man sogar noch mit 50 Jahren verbeamtet werden, in Rheinland-Pfalz mit 45. Baden-Württemberg hat vor kurzem sogar eine Kampagne gestartet, um Lehrer aus anderen Bundesländern anzulocken. In Berlin werden zwar keine Lehrer mehr verbeamtet, aber immerhin erhöhte man hier die Gehälter der Angestellten im Schuldienst bis zu einem Drittel. Nordrhein-Westfalen sei damit das unattraktivste Bundesland für Lehrer geworden, meint Alfred Bongard:

    "Wer irgend kann, dem sei dringend empfohlen, bevor er in Nordrhein-Westfalen ja sagt, sich doch zumindest mal in den Nachbarländern zu erkundigen, welche Bedingungen da gelten."

    Selbst wenn Dirk Essers die ungleiche Behandlung von Lehrern ärgert - er würde sich immer wieder für den Schuldienst entscheiden. Deshalb würde es ihm auch schwer fallen, seine Schule zu verlassen. Dennoch überlegt sich der gelernte Gärtner inzwischen, in ein anderes Bundesland zu wechseln. Denn dort könnte es mit der Verbeamtung noch klappen.

    "Ich bin alleinstehend, ich bin ungebunden, ich kann das machen. Diese Überlegung ist immer da. Besonders, wenn ich daran denke und sage na gut, du wirst hier ungerecht behandelt, du machst die gleiche Arbeit, wenn das in den Gedanken drin ist, ja."