Kate Maleike: Vorhin haben wir gehört, Baden-Württemberg möchte im Februar eine Lehreranwerbekampagne starten. Damit reiht sich nun auch das Ländle in die Gruppe von Bundesländern ein, die im großen Stil Pädagogen suchen und dabei auch bewusst die eigenen Landesgrenzen überschreiten. Der VBE, der Verband Bildung und Erziehung, beobachtet diese, wie er es nennt, Rekrutierungswut der Länder mit zunehmender Sorge. Er vertritt Lehrkräfte und sozialpädagogische Beschäftigte an Grund-, Haupt-, Gesamt- und Förderschulen und hat in der Vergangenheit vielfach auf den drohenden Lehrermangel hingewiesen. Mit dem VBE-Vorsitzenden Ludwig Eckinger habe ich heute vor der Sendung gesprochen und ihn auch gefragt, wie er denn die baden-württembergische Kampagne bewertet.
Ludwig Eckinger: Das ist ganz eindeutig ruinöser Wettbewerb, das hat nichts mit wirklichem Wettbewerb zu tun. Und ich muss der Politik oder den Politikern besser gesagt vorwerfen, dass sie in den letzten Jahren wirklich versagt haben, den Schweinezyklus nicht durchbrechen haben können und das Thema Lehrermangel eklatant unterschätzt haben. Wir fordern seit Langem - ich kann das immer wieder nur wiederholen - die nationale Verantwortung. Das heißt nicht, dass sich nicht die Länder in den jeweiligen Universitäten spezifisch ausprägen dürfen, aber es geht um Schwerpunkte. Und da muss das Wort Aufwertung mehrfach gebraucht werden, den Beruf des Lehrers, der Lehrerin betreffend.
Maleike: Was fehlt im Lehrerberuf?
Eckinger: Zunächst einmal geht es darum, dass die Lehrerbildung nach wie vor an den Universitäten fünftes Rad am Wagen ist und so nebenher behandelt wird. Es muss gelingen, dass an den Universitäten alle Lehramtsstudiengänge von Anfang an das Berufsziel der Lehrerin, des Lehrers realisieren. Die berufswissenschaftliche Ausbildung, sprich also die pädagogische, psychologische, methodische, fachdidaktische, muss im Mittelpunkt stehen, und es muss auch viel mehr Berufsorientierung herrschen in der Lehrerbildung. Das ist bisher nicht der Fall. Ein zweiter wichtiger Punkt die Aufwertung des Berufs betreffend ist die Gleichwertigkeit der Lehrämter. Das hat nichts mit Gleichmacherei zu tun, aber durch die Umstellung in die Struktur von Bachelor und Master besteht die Gefahr, dass wir manifester als bisher die Lehramtstudiengänge trennen in niedere und höhere, und das ist absolut absurd. Wir bekommen damit auch kein gemeinsames Berufsverständnis der Lehrerinnen und Lehrer. Es kann mir niemand erklären, dass die Arbeit in einer Grundschule nicht so wichtig ist wie die Arbeit in einer Oberstufe des Gymnasiums. Ein dritter Punkt, und der ist aufgrund des Lehrermangels natürlich besonders wichtig, ist, weil wir auf normalem Wege den Lehrermangel nicht beheben können, dass Quer- und Seiteneinsteiger pädagogisch, methodisch, didaktisch nachqualifiziert werden müssen und nicht nur in einem Acht-Tage-Lehrgang, sondern das umfasst dann die Zeit eines Referendariats von ungefähr zwei Jahren. Ein nächster Punkt: Wir brauchen dringend, um den Beruf überhaupt noch einigermaßen attraktiv zu halten, bessere Gelingensbedingungen, also Absenkung der Klassenstärken, Möglichkeiten wirklich für individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler und auch eine verstärkte Lehrerfort- und -weiterbildung, um das Lernen im Beruf überhaupt zu ermöglichen. Und ein weiterer Punkt, der ebenfalls sehr wichtig ist - und ich habe es vorher schon angedeutet mit dem Schweinezyklus -, wir brauchen eine langfristige Personalplanung. Es gibt bisher eben nur Notmaßnahmen. Jetzt drehen die Länder halt durch, weil sie eben in den letzten Jahren versagt haben, und jetzt wird sozusagen alles genommen, bis hin - ohne dass ich das diskriminierend meine - zu wirklichen Laien, ob jetzt Förster oder Eltern oder Schülerinnen und Schüler. Ich stelle mir mal vor, wenn das in der Medizin zurzeit auch so wäre, dass man eigentlich Laien einstellt, um das Problem zu lösen.
Maleike: Das heißt, das Problem ist eigentlich komplett verschlafen worden?
Eckinger: Ja. Im Endeffekt schon. Und letzten Endes ist es ein Problem, das europaweit gilt. Das tröstet uns aber nicht, denn in Deutschland ist es besonders krass. Wir erfinden nicht irgendetwas, sondern wir können ganz konkret sagen, dass Hunderttausende von Lehrerinnen und Lehrern in Deutschland ganz normal in Pension gehen müssen in den nächsten Jahren, und der Bedarf kann über die Ausbildung an den Universitäten und in den Seminaren nicht annähernd gedeckt werden.
Maleike: Wie ist da das Verhältnis aktuell, welche Zahlen haben Sie vorliegen?
Eckinger: Wir haben hochgerechnet, dass in den nächsten 15 Jahren etwa 400.000 Lehrerinnen und Lehrer in Deutschland pensioniert werden, und wir haben ebenfalls hochgerechnet, dass ein Bedarf von 100 nur zur Hälfte gedeckt werden kann. Das heißt also, Sie müssen, ob Sie wollen oder nicht, auch wir als VBE, Notmaßnahmen zustimmen, das heißt also Nachqualifizierungen von Quer- und Seiteneinsteigern, jedenfalls um die schwierigste Zeit zu überbrücken.
Maleike: Jetzt haben Sie die Kultusministerkonferenz zum dringenden Handeln aufgefordert. Was erwarten Sie konkret von der KMK?
Eckinger: Also die Kultusministerkonferenz müsste zunächst einmal auf alle Fälle sich einigen, dass sie sich nicht gegenseitig durch partiell bessere Bedingungen die Lehrerinnen und Lehrer abjagen. Sie müssen Solidarität walten lassen. Das bedeutet ja nicht, dass eine Niedersächsin nicht nach Bayern kommen können soll, im Gegenteil, wir brauchen einen bundesdeutschen Lehrerarbeitsmarkt. Aber noch wichtiger ist, dass sich die Kultusministerkonferenz einigt, dass die Profession der Lehrerin und des Lehrers zeitgemäß beschrieben werden muss, dass sie gestärkt werden muss und dass sie geschützt werden muss. Und das heißt wiederum, dass sie attraktiv gestaltet werden muss. Wir werden selbstverständlich den Beruf der Lehrerin und des Lehrers in unserer Gesellschaft nicht vergleichen können mit einem super verdienenden Maschinenbauingenieur, der in der Entwicklung ist bei irgendeiner Firma. Das ist auch gar nicht unser Ziel, und das ist auch nicht der Wunsch der Kandidatinnen und Kandidaten. Aber dass die Aufwertung dieses Berufs ganz oben auf der Agenda stehen muss für die Kultusministerkonferenz, endlich, und dass sie sich in den Kabinetten auch gegenüber den Ministerpräsidenten und Finanzministern diesbezüglich durchsetzen müssen, dass man nicht mehr nur über die Bedeutung von Bildung als Megathema reden darf, sondern auch handeln muss, da, meine ich, sind die Kultusministerinnen und Kultusminister jetzt endlich gefordert.
Maleike: Gibt es Anzeichen, dass Ihr Appell dort angekommen ist, bewegt sich was?
Eckinger: Also das letzte Gespräch, das wir hatten, einschließlich der Einführung des neuen KMK-Präsidenten Henry Tesch, macht mich - und das bin ich natürlich als Pädagoge ja ohnehin leicht - wieder optimistischer, dass versucht wird, gemeinsam anzupacken, also zum Beispiel eine nationale Bildungsstrategie auch in Sachen Lehrerbildung hinzulegen in gesamtstaatlicher Verantwortung. Also ich denke, das Problem ist erkannt, und jetzt muss man wirklich handeln und kann nicht immer sagen, da warten wir jetzt noch ein paar Jahre, sondern man kann eigentlich sofort beginnen. Und das ist mein Appell.
Ludwig Eckinger: Das ist ganz eindeutig ruinöser Wettbewerb, das hat nichts mit wirklichem Wettbewerb zu tun. Und ich muss der Politik oder den Politikern besser gesagt vorwerfen, dass sie in den letzten Jahren wirklich versagt haben, den Schweinezyklus nicht durchbrechen haben können und das Thema Lehrermangel eklatant unterschätzt haben. Wir fordern seit Langem - ich kann das immer wieder nur wiederholen - die nationale Verantwortung. Das heißt nicht, dass sich nicht die Länder in den jeweiligen Universitäten spezifisch ausprägen dürfen, aber es geht um Schwerpunkte. Und da muss das Wort Aufwertung mehrfach gebraucht werden, den Beruf des Lehrers, der Lehrerin betreffend.
Maleike: Was fehlt im Lehrerberuf?
Eckinger: Zunächst einmal geht es darum, dass die Lehrerbildung nach wie vor an den Universitäten fünftes Rad am Wagen ist und so nebenher behandelt wird. Es muss gelingen, dass an den Universitäten alle Lehramtsstudiengänge von Anfang an das Berufsziel der Lehrerin, des Lehrers realisieren. Die berufswissenschaftliche Ausbildung, sprich also die pädagogische, psychologische, methodische, fachdidaktische, muss im Mittelpunkt stehen, und es muss auch viel mehr Berufsorientierung herrschen in der Lehrerbildung. Das ist bisher nicht der Fall. Ein zweiter wichtiger Punkt die Aufwertung des Berufs betreffend ist die Gleichwertigkeit der Lehrämter. Das hat nichts mit Gleichmacherei zu tun, aber durch die Umstellung in die Struktur von Bachelor und Master besteht die Gefahr, dass wir manifester als bisher die Lehramtstudiengänge trennen in niedere und höhere, und das ist absolut absurd. Wir bekommen damit auch kein gemeinsames Berufsverständnis der Lehrerinnen und Lehrer. Es kann mir niemand erklären, dass die Arbeit in einer Grundschule nicht so wichtig ist wie die Arbeit in einer Oberstufe des Gymnasiums. Ein dritter Punkt, und der ist aufgrund des Lehrermangels natürlich besonders wichtig, ist, weil wir auf normalem Wege den Lehrermangel nicht beheben können, dass Quer- und Seiteneinsteiger pädagogisch, methodisch, didaktisch nachqualifiziert werden müssen und nicht nur in einem Acht-Tage-Lehrgang, sondern das umfasst dann die Zeit eines Referendariats von ungefähr zwei Jahren. Ein nächster Punkt: Wir brauchen dringend, um den Beruf überhaupt noch einigermaßen attraktiv zu halten, bessere Gelingensbedingungen, also Absenkung der Klassenstärken, Möglichkeiten wirklich für individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler und auch eine verstärkte Lehrerfort- und -weiterbildung, um das Lernen im Beruf überhaupt zu ermöglichen. Und ein weiterer Punkt, der ebenfalls sehr wichtig ist - und ich habe es vorher schon angedeutet mit dem Schweinezyklus -, wir brauchen eine langfristige Personalplanung. Es gibt bisher eben nur Notmaßnahmen. Jetzt drehen die Länder halt durch, weil sie eben in den letzten Jahren versagt haben, und jetzt wird sozusagen alles genommen, bis hin - ohne dass ich das diskriminierend meine - zu wirklichen Laien, ob jetzt Förster oder Eltern oder Schülerinnen und Schüler. Ich stelle mir mal vor, wenn das in der Medizin zurzeit auch so wäre, dass man eigentlich Laien einstellt, um das Problem zu lösen.
Maleike: Das heißt, das Problem ist eigentlich komplett verschlafen worden?
Eckinger: Ja. Im Endeffekt schon. Und letzten Endes ist es ein Problem, das europaweit gilt. Das tröstet uns aber nicht, denn in Deutschland ist es besonders krass. Wir erfinden nicht irgendetwas, sondern wir können ganz konkret sagen, dass Hunderttausende von Lehrerinnen und Lehrern in Deutschland ganz normal in Pension gehen müssen in den nächsten Jahren, und der Bedarf kann über die Ausbildung an den Universitäten und in den Seminaren nicht annähernd gedeckt werden.
Maleike: Wie ist da das Verhältnis aktuell, welche Zahlen haben Sie vorliegen?
Eckinger: Wir haben hochgerechnet, dass in den nächsten 15 Jahren etwa 400.000 Lehrerinnen und Lehrer in Deutschland pensioniert werden, und wir haben ebenfalls hochgerechnet, dass ein Bedarf von 100 nur zur Hälfte gedeckt werden kann. Das heißt also, Sie müssen, ob Sie wollen oder nicht, auch wir als VBE, Notmaßnahmen zustimmen, das heißt also Nachqualifizierungen von Quer- und Seiteneinsteigern, jedenfalls um die schwierigste Zeit zu überbrücken.
Maleike: Jetzt haben Sie die Kultusministerkonferenz zum dringenden Handeln aufgefordert. Was erwarten Sie konkret von der KMK?
Eckinger: Also die Kultusministerkonferenz müsste zunächst einmal auf alle Fälle sich einigen, dass sie sich nicht gegenseitig durch partiell bessere Bedingungen die Lehrerinnen und Lehrer abjagen. Sie müssen Solidarität walten lassen. Das bedeutet ja nicht, dass eine Niedersächsin nicht nach Bayern kommen können soll, im Gegenteil, wir brauchen einen bundesdeutschen Lehrerarbeitsmarkt. Aber noch wichtiger ist, dass sich die Kultusministerkonferenz einigt, dass die Profession der Lehrerin und des Lehrers zeitgemäß beschrieben werden muss, dass sie gestärkt werden muss und dass sie geschützt werden muss. Und das heißt wiederum, dass sie attraktiv gestaltet werden muss. Wir werden selbstverständlich den Beruf der Lehrerin und des Lehrers in unserer Gesellschaft nicht vergleichen können mit einem super verdienenden Maschinenbauingenieur, der in der Entwicklung ist bei irgendeiner Firma. Das ist auch gar nicht unser Ziel, und das ist auch nicht der Wunsch der Kandidatinnen und Kandidaten. Aber dass die Aufwertung dieses Berufs ganz oben auf der Agenda stehen muss für die Kultusministerkonferenz, endlich, und dass sie sich in den Kabinetten auch gegenüber den Ministerpräsidenten und Finanzministern diesbezüglich durchsetzen müssen, dass man nicht mehr nur über die Bedeutung von Bildung als Megathema reden darf, sondern auch handeln muss, da, meine ich, sind die Kultusministerinnen und Kultusminister jetzt endlich gefordert.
Maleike: Gibt es Anzeichen, dass Ihr Appell dort angekommen ist, bewegt sich was?
Eckinger: Also das letzte Gespräch, das wir hatten, einschließlich der Einführung des neuen KMK-Präsidenten Henry Tesch, macht mich - und das bin ich natürlich als Pädagoge ja ohnehin leicht - wieder optimistischer, dass versucht wird, gemeinsam anzupacken, also zum Beispiel eine nationale Bildungsstrategie auch in Sachen Lehrerbildung hinzulegen in gesamtstaatlicher Verantwortung. Also ich denke, das Problem ist erkannt, und jetzt muss man wirklich handeln und kann nicht immer sagen, da warten wir jetzt noch ein paar Jahre, sondern man kann eigentlich sofort beginnen. Und das ist mein Appell.