Samstagabend an der Freien Universität im Berliner Südwesten. Zahlreiche Menschen schwirren durch die Gänge und bestaunen bei der "Nacht der offenen Tür" das Innenleben der Wissenschaft.
Etwas unscheinbar, seitlich in einem der weiten Flure, wirbt an einem schlichten Schreibtisch ein kleines Team für den Q-Master. Der Pilotstudiengang soll helfen, den chronischen Lehrermangel an Berlins Schulen zu beheben. Das "Q" steht für Quereinsteiger. Ihnen soll der Einstieg in den Lehrerberuf erleichtert, das Lehramtsstudium generell flexibler gemacht werden, erklärt Daniela Caspari, die den Q-Master mitkonzipiert hat: "Weil es bislang nur Überlegungen für das Berufsschulwesen gab, Menschen ohne diesen ja schon sehr früh im Leben festzulegenden Berufswunsch Lehramt in die Schulen zu bekommen. Und auch, weil man ja weiß, dass Menschen, die eine andere Lebenserfahrung außerhalb der Schule haben, oft als Lehrkräfte besonders gut geeignet sind."
30 Studierende absolvieren seit Oktober den Q-Master. Darunter sind frühere Politikberater und Stadtführer. Die meisten Studierenden haben schon pädagogische Vorerfahrungen, ergänzt die Romanistin Caspari: "Wir haben zum Beispiel einen promovierten Germanisten. Der ursprünglich studiert hatte: Französisch und Deutsch, und sich dann erst mal für eine wissenschaftliche Karriere entschieden hatte. Lebensweltlich ganz viel historische Arbeit gemacht hat - mit Jugendlichen, viel für das deutsch-französische Jugendwerk. Dann gemerkt hat: 'Das ist es, was ich machen möchte!'"
Pädagogik steht im Mittelpunkt
Didaktik und Erziehungswissenschaft sind Schwerpunkte des zweijährigen Studiums. Bislang haben Quereinsteiger in Berlin direkt das Referendariat begonnen - zumeist ohne pädagogische Bildung. Studieren kann den Q-Master jeder, der einen Hochschulabschluss und 110 Leistungspunkte in zwei relevanten Fächern vorweist, davon 20 im zweiten Fach. Deutsch, Geschichte und Fremdsprachen gehören dazu. Aber auch Mathe und Physik.
Casparis Kollege, Physiker Volkhard Nordmeier, erklärt, dass nicht alle Interessenten in Frage kommen: "Jetzt hatten wir heute Abend auch eine Anfrage: 'Ja, ich habe BWL studiert. Ich würde so gerne Lehrkraft werden und ich habe schon Erfahrungen in der Schule und das liegt mir auch.' Aber das ist ganz schön schwierig, wenn jemand BWL studiert hat - wo finde ich Anteile von allgemeinbildenden Studienfächern, die irgendwie passen?"
Die Absolventen des Q-Masters sollen später an Gymnasien und Sekundarschulen unterrichten. Matthias Jähne von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft begrüßt das Konzept, das den Lehrermangel alleine aber nicht beheben könne: "Grundsätzlich brauchen wir insgesamt mehr Lehrkräfte in Berlin. Das betrifft alle Schultypen. Natürlich auch die Gymnasien. Wobei der Bedarf an den Gymnasien bei weitem nicht so hoch ist im Vergleich zu den Grundschulen. Die Grundschulen haben mit Abstand den größten Bedarf."
Q-Master für die Grundschule vorstellbar
Jähne fordert mehr Studienplätze fürs klassische Grundschullehramt. Auch einen Q-Master für Grundschullehrkräfte kann er sich vorstellen. Generell bemängelt Jähne viele Faktoren, die potenzielle Lehrkräfte von Berlin fernhalten. Von gut 1.000 Referendariats-Bewerbern sprang im Februar fast die Hälfte wieder ab:
"Ja, das hat was mit der Attraktivität zu tun. Das hat was damit zu tun, wie die Senatsverwaltung auf Wünsche eingeht, zum Beispiel Schulwünsche. Das Gehalt spielt im Referendariat eine große Rolle. Weil Berlin auch hier fast Schlusslicht immer noch ist."
1.200 Euro brutto bekommen Referendare in Berlin zurzeit. Ob das die Studierenden des Q-Masters abschreckt? Laut Daniela Caspari planen die meisten, in Berlin zu bleiben. Und sie hebt die Motivation der Quereinsteiger hervor: "Ich hatte noch nie so eine gute Einführungsveranstaltung in die Didaktik der romanischen Sprachen wie im letzten Semester, als sechs Q-Master-Studierende in dieser Veranstaltung saßen. Die haben die anderen wirklich noch einmal zu ganz neuen Höhenflügen und auch zu einem breiteren Blick tatsächlich animiert."