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Lehrermangel in Mecklenburg-Vorpommern
Mehr Bewerber durch kürzere Ausbildung?

Die Linkspartei in Mecklenburg-Vorpommern will den Lehrermangel im Land bekämpfen und hat deswegen vorgeschlagen, die Ausbildung auf zwölf Monate zu verkürzen. "Wir müssen hier besser werden als die anderen Bundesländer", sagte Linkenpolitikerin Simone Oldenburg im Dlf.

Simone Oldenburg im Gespräch mit Stephanie Gebert |
    Grundschüler und eine Lehrerin während einer Unterrichtsstunde in einem Klassenzimmer
    Angesichts des Lehrermangels dürfe man in Mecklenburg-Vorpommern nicht den Kopf in den Sand und die Hände in die Taschen stecken, sagte die Linken-Politikerin Simone Oldenburg im Dlf (imago / Photothek)
    Stephanie Gebert: Auch in Mecklenburg-Vorpommern buhlt man um Lehrernachwuchs – kein Wunder, gibt es doch vorm Schulstart in zwei Wochen noch viele offene Referendarstellen. Rund 450 sind ausgeschrieben, aber nur etwa 140 Bewerber konnten bislang gefunden werden, heißt, zwei Drittel der Stellen bleiben unbesetzt.
    "Erschreckend", sagt die Linkspartei in Schwerin. Um die Ausbildung attraktiver zu machen, hat sie einen Vorschlag vorgelegt: Sie will das Referendariat von 18 Monaten auf zwölf kürzen. Vorsitzende der Linkspartei im Landtag ist Simone Oldenburg. Schönen guten Tag!
    Simone Oldenburg: Schönen guten Tag!
    Gebert: Sie sind selbst Gymnasiallehrerin und wissen, was für die Ausbildung notwendig ist. Wird denn so viel nutzloser Inhalt vermittelt, dass sich gleich um ein halbes Jahr alles streichen lässt?
    Oldenburg: Nein, natürlich nicht, aber es fehlt zum Beispiel die Verzahnung zwischen dem Studium und dann der zweiten Phase, der Lehrerausbildung, das heißt, wir haben vieles doppelt. Dann haben die Referendare eine lange Hospitationszeit in den Schulen, das kann man verkürzen, und sie werden in Mecklenburg-Vorpommern – und das ist ganz fatal – wirklich als billige Arbeitskräfte, als billige Lehrkräfte verheizt, denn sie haben ständig nur unbegleiteten Unterricht, sie stehen die gesamte Zeit alleine vor der Klasse, ohne dass sie durch einen Mentor, eine Mentorin begleitet werden.
    Und das sehen wir als große Katastrophe. Wenn wir hier begleiteten Unterricht mindestens für die Hälfte der Stunden hinbekämen, wäre die Ausbildung wesentlich effektiver, Fehler würden vermieden werden, und so könnten wir durchaus auch dann das Referendariat um sechs Monate verkürzen.
    Gebert: Auf die Mentoren würde ich gleich noch gern zu sprechen kommen, vorher aber die Frage: Schon bei der letzten Verkürzung von zwei auf anderthalb Jahre in einigen Bundesländern hatten Gewerkschafter und Referendare davor gewarnt, dass der Druck dadurch spürbar zugenommen hat. Das kann doch nicht Ihr Ziel sein, dass die Leute mehr unter Druck kommen.
    Oldenburg: Nein, selbstverständlich nicht. Wir haben auf der einen Seite Seiteneinsteiger, die in einer Schmalspurausbildung in die Schulen kommen, auf der anderen Seite haben wir Lehramtsstudenten, die mindestens fünf Jahre Lehramt studieren und die dann anderthalb Jahre noch – oder sogar zwei Jahre gibt es in Mecklenburg-Vorpommern – auch für die Doppelqualifikation ins Referendariat müssen. Das ist erst mal schon nicht zu erklären. Zweitens haben wir ein Problem, und wenn wir ein Problem haben, nämlich die fehlenden Lehrerinnen und Lehrer, die fehlenden Referendare, dann muss man handeln und kann nicht einfach den Kopf in den Sand stecken und die Hände in die Taschen, sondern man muss reagieren. Ansonsten bleibt ein Problem ein Problem und wird immer größer.
    Wenn wir jetzt also die Hausarbeit zum Beispiel aus dem Referendariat herausnehmen – denn Hausarbeiten haben die Studierenden in ihrer Studienzeit genug geschrieben, und sieben Bundesländer haben schon auf diese Hausarbeit verzichtet –, dann haben wir auch wieder Luft für die Referendare und erhöhen eben überhaupt nicht den Druck, sondern meiner Meinung nach wird der Druck genommen, indem der Unterricht begleitet wird und wir sie nicht alleine lassen. Sie machen jetzt Fehler, sie quälen sich, und wenn wir sie begleiten, dann haben sie es wesentlich einfacher, und damit können sie auch schneller lernen, ohne dass wir sie überfordern, und das Überflüssige aus dem Referendariat muss entfernt werden, so zum Beispiel die Hausarbeit.
    "Wir müssen hier besser werden als die anderen Bundesländer"
    Gebert: Woher sollen denn die Mentorinnen und Mentoren genau kommen, denn die Lehrer, die jetzt im Schulunterricht sind, die stöhnen ja sowieso auch schon über die vielen Vertretungsstunden, die sie teilweise übernehmen müssen, und so weiter. Das heißt, woher sollen die Mentoren denn kommen und ihre Zeit sich nehmen können für die Referendare?
    Oldenburg: Natürlich haben wir einen Lehrermangel, aber wenn wir an den Arbeitsbedingungen und an den Ausbildungsbedingungen nichts ändern, wird der Lehrermangel noch gravierender in den nächsten Jahren. Und deswegen kann man jetzt nicht sagen, oh, die Mentoren dürfen nicht fünf Stunden bekommen, um ihre Referendare wenigstens in der Hälfte der Unterrichtszeit pro Woche zu begleiten, sondern man muss das einfach tun. Damit erleichtert man den Mentoren auch wirklich Arbeit und hat dann die Möglichkeit, schneller ja auch die zukünftigen Lehrer auszubilden und somit den Lehrermangel zu beheben.
    Natürlich gibt es erst einmal durch die fünf oder sechs Stunden, die ein Mentor dann zusätzlich bekommt, eine Lücke im System, aber das sind letztendlich verbesserte Arbeitsbedingungen und verbesserte Ausbildungsbedingungen. Und wir denken, dass dann wesentlich mehr zukünftige Lehrer und jetzige Lehrer den Weg nach Mecklenburg-Vorpommern finden und uns hier nicht den Rücken kehren, denn viele Lehramtsstudenten sind ja auch einfach gegangen und machen ihr Referendariat eben nicht in Mecklenburg-Vorpommern, sondern in anderen Bundesländern. Das hat Gründe, wir müssen hier besser werden als die anderen Bundesländer, wir müssen hier den Vergleich endlich standhalten und nicht sagen, wir sind ein wunderschönes Land – das alleine bringt keine Attraktivität für den Lehrerberuf.
    Linkspartei: Nur mit der Ostsee und den vielen Seen zu werben, reicht nicht
    Gebert: Die Bundesländer überbieten sich im Moment dabei, für künftige Lehrkräfte attraktiv zu sein. Eigentlich sollte es diesen Wettbewerb und das Sich-gegenseitig-Bewerber-Wegnehmen zwischen den Ländern eigentlich gar nicht geben. Drehen Sie mit Ihrem Vorschlag, das jetzt noch mal zu verkürzen, um damit Mecklenburg-Vorpommern attraktiver zu machen, nicht ein Stück weiter an der Eskalationsschraube?
    Oldenburg: Nein. Ich denke, dass andere Bundesländer – da haben Sie vollkommen recht – schon lange etwas tun, um Lehrerinnen und Lehrer zu bekommen, aber Mecklenburg-Vorpommern wirbt mit nichts anderem als dem schönen Bundesland. Und deswegen müssen wir auch attraktiv werden, das, was uns andere Bundesländer schon längst voraushaben, müssen wir endlich tun, und nicht einfach nur so tun, dass es die schöne Ostsee gibt und die schönen Seen, davon kommen nicht genügend Lehrerinnen und Lehrer nach Mecklenburg-Vorpommern.
    Gebert: Wenn ich mir jetzt Ihre Vorschläge so anhöre, würde ich das gern verkürzen auf zwei, nämlich einmal, dass es Mentoren, Begleitung geben soll, dafür sollen Lehrkräfte sozusagen abgezogen werden vom normalen Unterricht und wir haben die verkürzte Ausbildungszeit.
    Jetzt könnte man als Kritik ja durchaus sagen, wer darunter leidet, sind diejenigen, die jetzt zur Schule gehen, nämlich die Schülerinnen und Schüler, die eigentlich lernen sollen. Das heißt, tragen Sie das jetzt nicht wieder auf dem Rücken der Kinder aus, die jetzt zur Schule gehen?
    Oldenburg: Nein, auf dem Rücken der Kinder wird derzeit ausgetragen, dass Mecklenburg-Vorpommern unattraktiv ist für Lehrerinnen und Lehrer und dass die Referendare eben nicht zu uns kommen, sondern nach dem Studium hier dann das Bundesland verlassen. Das wird alles auf dem Rücken der Kinder ausgetragen.
    Es gibt schon in Mecklenburg-Vorpommern heute die Möglichkeit, das Referendariat auf zwölf Monate zu verkürzen.
    "Man kann es ja auch gerne als Modellprojekt sehen"
    Gebert: Als Ausnahme allerdings.
    Oldenburg: Ja, genau. Und warum soll die Ausnahme nicht die Regel werden? Der Grund ist, dass die Unterrichtspraxis da sein muss von mindestens zwölf Unterrichtsstunden pro Woche, und diese Unterrichtspraxis gewähren wir ja, und zwar noch besser als bisher, durch den begleiteten Unterricht. Und die Referendare, die sagen, ich brauch noch ein bisschen, oder wo der Mentor sagt, wir verlängern, die stellen einen Antrag zum Verlängern – dass wir einfach das, was es gibt, umkehren. Man kann es ja auch gerne als Modellprojekt sehen. Man kann sagen, wir machen das mal für ein, zwei, drei Jahre und gucken, ob es den Erfolg bringt.
    Gebert: Die Ausnahme zur Regel machen: Um für Studierende attraktiver zu sein, soll in Mecklenburg-Vorpommern das Referendariat verkürzt werden auf zwölf Monate. Das ist ein Vorschlag der Linkspartei, den wir diskutiert haben mit der Parteivorsitzenden im Landtag, Simone Oldenburg. Danke schön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.