Mit Sprechchören und Plakaten in den Händen protestieren tausende Lehrerinnen und Lehrer in der Athener Innenstadt. Mittendrin die 39-jährige Sonderschullehrerin Irini Avrami. Wie die meisten Demonstranten gehört sie zu den so genannten "anaplirotes", den "Vertretern", deren kurze Verträge eigentlich dazu dienen sollten, festangestelltes Lehrpersonal kurzfristig zu vertreten, zum Beispiel im Krankheitsfall. Doch die Ausnahme ist seit Langem zur Regel geworden. Irini Avrami arbeitet mit befristeten Arbeitsverträgen schon seit 17 Jahren:
"Die Unsicherheit, die wir spüren, ist sehr groß. Du wirst jedes Jahr woanders hingeschickt, musst ganz Griechenland durchkämmen und weißt nicht, ob du das finanziell stemmen kannst. Viele Kollegen müssen Schulden in Kauf nehmen, um überhaupt zu arbeiten."
Stellenvergabe nach Punktesystem
Die zweifache Mutter ist für die Demonstration extra aus der 600 Kilometer entfernten Stadt Serres angereist, zusammen mit weiteren Kolleginnen und Kollegen, sagt sie. So skurril das klingt: Die Lehrer protestieren gegen einen Gesetzentwurf, der eigentlich Festeinstellungen vorsieht. Doch mit dem Punktesystem, das das Gesetz einführt, würden gerade erfahrene Lehrer wie sie benachteiligt, sagt die Sonderschullehrerin Avrami:
"Ein großer Teil meiner Arbeitserfahrung wird nicht angerechnet. Stattdessen zählen Master und Fremdsprachen mehr. Dabei ist nichts zu vergleichen mit der Erfahrung, die ein Lehrer im Laufe der Jahre gesammelt hat. Das kann ein einjähriger Masterstudiengang doch nicht im Geringsten ersetzen."
Regierung will Chance auch für Berufsanfänger
Doch die griechische Regierung hält am entwickelten Punktesystem fest. Man dürfe hochqualifizierte Absolventen ohne Arbeitserfahrung nicht einfach so ausschließen, sagte Bildungsminister Kostas Gavroglou im zuständigen Parlamentsausschuss:
"Das ist nicht zuletzt eine rechtliche Frage: Jeder Absolvent muss eine Chance auf eine Einstellung haben. Und da haben wir mit diesem Gesetz eine ausgezeichnete Balance geschaffen: Bis zu 120 Monate Arbeitserfahrung werden angerechnet, und auf der anderen Seite zählen Master, Fremdsprachen und die Abschlussnote. Damit greifen wir die Realität auf, wir dürfen die Qualifikationen der jüngeren Menschen in diesem Land nicht ignorieren."
Zum ersten Mal führt das Gesetz auch sogenannte "soziale Kriterien" bei der Stellenvergabe ein. Für jedes Kind soll der Bewerber zwei Extra-Punkte bekommen; hat er eine körperliche Behinderung, gibt es ihm einen Vorsprung von 20 Punkten. Doch gerade Kinder als Einstellungs-Vorteil stoßen auf großes Unverständnis. Die 37-jährige Eli Stefanidou hat keine Kinder. Für die Demonstration ist sie über 500 Kilometer von Thessaloniki angereist.
Kinder als Einstellungskriterium
"Ich hätte mir nie vorstellen können, dass Kinder zu einem Einstellungskriterium werden. Das ist extrem diskriminierend gegenüber Frauen, die keine Kinder haben oder keine bekommen können. Kinder sollen erst nach der Einstellung eine Rolle spielen: Bei der Auswahl der Schule etwa, damit die Familien räumlich nicht auseinandergerissen werden, das ja. Aber doch nicht für die Einstellung selber. Ich habe erst seit zwei Jahren einen festen Partner, und will ihn nicht wieder alleine lassen, wegen denen."
Sie zeigt aufs Parlament. 15 Jahre lang mache sie das schon mit, sagt Stefanidou: Immer woanders, immer in Städten und Dörfern in Nordgriechenland, oft in Grenzregionen. Für momentan rund 1000 Euro. Ein geregeltes Leben sei da einfach nicht drin, sagt sie. Und ein Master, der ihr nun weitere Punkte geben könnte, auch nicht.