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Lehrerverbände protestieren gegen Bildungspolitik in Niedersachsen

Die rot-grüne Landesregierung in Niedersachsen will zwar den Bildungsetat noch aufstocken. Dennoch fürchten die Gewerkschaften Kürzungen, insbesondere auf Kosten der Gymnasien im Land.

Von Alexander Budde |
    Auf harte Verhandlungen ist Niedersachsens Finanzminister Peter-Jürgen Schneider von der SPD eingestimmt. Denn fast alle Kabinettskollegen werden zurückstecken müssen, will die rot-grüne Landesregierung ihr erklärtes Ziel erreichen, den Bildungsetat - ohnehin mit 7,5 Milliarden Euro größter Posten im Haushalt - noch einmal deutlich aufzustocken.

    "Wir werden keine Einschnitte im Bildungsbereich vornehmen, sondern vielmehr, beachtliche rund 200 Millionen zusätzlich in den Bildungssektor geben. Etwa die Hälfte in den Hochschulbereich und die andere Hälfte in den Schulbereich. Wir sind angetreten, Rot-Grün, auch mit dem Koalitionsvertrag hier einen klaren Akzent zu setzen. Es wird keine Lehrerstelle gestrichen. Es wird zu einem kräftigen Aufwachs der Ganztagsschulen kommen."

    Auch die Abschaffung der Studiengebühren war ein zentrales Versprechen, mit denen Rot-Grün beim Wahlvolk punkten konnte.

    "Das Wahlversprechen Wintersemester wird eingehalten. Ob es möglich ist, das vorzuziehen, ist Gegenstand der Beratungen."

    Ein mehrstelliger Millionenbetrag als Kompensation für die Hochschulen. Bei klammer Kassenlage werden solche zusätzlichen Lasten nur mit Umschichtungen zu bewerkstelligen sein. So erklärt sich, dass die Teilnehmer der Klausurtagung, bei der die Eckpunkte für den kommenden Etat festgelegt werden sollen, am Mittag von Fahnen schwenkenden Lehrern begrüßt wurden. Anlass für die aufwallenden Proteste zur besten Ferienzeit sind Sparpläne, die die "Hannoversche Allgemeine Zeitung" mit Hinweis auf gut informierte Regierungskreise enthüllt. Demnach gibt es starke Kräfte im Kabinett des Ministerpräsidenten Stephan Weil, die den 19.000 Gymnasiallehrern im Lande künftig über die bisherige Unterrichtsverpflichtung von 23,5 Stunden hinaus eine zusätzliche Stunde in der Woche zumuten wollen. Damit würden an den Gymnasien rein rechnerisch rund 500 Lehrerstellen entbehrlich. Diese ließen sich dann für andere Aufgaben, etwa den Ganztagsbetrieb, die Fortbildung oder die Eingliederung behinderter Schüler einsetzen. Jede Steigerung der Arbeitsbelastung sei ein Schritt in die falsche Richtung, sagt Eberhard Brandt, Landesvorsitzender der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft.

    "Die Regierung tut ja durchaus Gutes, und zwar auch, was Geld kostet. Zum Beispiel, um 5000 zusätzliche Krippenplätze einzurichten oder um den Ganztag endlich auf eine legale Grundlage zu stellen. Und - das ist dumm - dann trotzdem bei einer Lehrergruppe anfängt, die Arbeitszeit zu erhöhen – bei den Gymnasiallehrern. Wie kann eine Regierung die guten Dinge, die sie tut, dadurch in den Schatten stellen, dass sie den Kolleginnen und Kollegen etwas tut, dass die auf die Palme treibt – und treiben muss."

    Auch der Philololgenverband, der besonders viele Gymnasiallehrer in seinen Reihen vertritt, protestiert gegen die Regierungspläne. Zwar seien Gymnasiallehrer in Niedersachsen bei der verpflichtenden Stundenzahl für den Unterricht bislang besser gestellt als etwa ihre Kollegen an Grundschulen, Hauptschulen und integrierten Gesamtschulen. Tatsächlich seien Lehrer heute jedoch bereits 50 Wochenstunden und mehr eingespannt, etwa um Klausuren zu korrigieren, den Unterricht oder Abiturprüfungen vorzubereiten. Einen Stellenabbau an den Gymnasien, der sich auch auf die Bildungswege von Referendaren auswirken würde, befürchtet auch Björn Thümler. Der Chef der CDU-Landtagsfraktion wertet die geplante Mehrarbeit als Beleg für eine ideologische Schulpolitik der neuen Landesregierung, die darauf abziele, die Gymnasien im Wettbewerb der Schulformen weiter zu schwächen.

    "Ich denke, was Rot-Grün jetzt vorhat, dass man auch zulasten der Gymnasien weniger Einstellungen macht, also Altersabgänge nicht in erforderlicher Zahl ersetzt und daher an anderen Schulformen eine höhere Einstellung vornimmt. Im Wesentlichen ist das die Fortsetzung des Feldzuges gegen die Gymnasien."

    Eine Mehrbelastung plant Rot-Grün angeblich auch für ältere Lehrer. Die vorgesehene Altersermäßigung bei der Arbeitszeit für Lehrer ab 55 Jahren könnte kassiert werden, empört sich Eberhard Brandt von der GEW und erinnert an ein entsprechendes Versprechen, das die damalige SPD-geführte Landesregierung im Jahr 2000 gegeben habe. Derzeit beträgt die Altersermäßigung eine Stunde ab dem 60. Lebensjahr. Bisher wurden diese Stunden gebraucht, um ein Altersteilzeitmodell zu finanzieren. Die Gewerkschaften haben einen heißen Herbst auf den Barrikaden angekündigt. Ausspielen lasse man sich nicht:

    "Gleichzeitig brauchen wir dringend eine Reform auch der Gymnasien in der Sekundarstufe Zwei aber auch die Überwindung des G-8. Man kann nicht Lehrerinnen und Lehrer einladen, an Reformen mitzuwirken, und ihnen gleichzeitig in die Kniekehle treten."