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"Lehrknechte" für Berliner Hochschulen

Um die Lehre an den deutschen Hochschulen zu verbessern, wurden in den Landeshochschulgesetzen so genannte neue Personalkategorien festgeschrieben. Wissenschaftliche Mitarbeiter sollen künftig wesentlich mehr unterrichten - zulasten der Forschung, fürchten viele.

Von Susanne Arlt |
    Ina Lindow arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Lehrerausbildung an der Humboldt-Universität Berlin. In ihrem Forschungsprojekt begleitet sie den Schulversuch zur Hochbegabtenförderung. Eine Lehrverpflichtung hat sie nicht, weil ihre Stelle aus Drittmitteln finanziert wird.

    Trotzdem hält sie einmal in der Woche ein Seminar an der Uni. Sie wolle ihre eigenen Forschungsergebnisse in die Lehre tragen und auch Impulse von ihren Studierenden zurückbekommen, betont Ina Lindow. Bei zwei Semesterwochenstunden sei dies locker leistbar, ihre Forschungsarbeit würde darunter nicht leiden. Wer aber achtzehn Semesterwochenstunden unterrichten müsse, der könne keine seriöse Wissenschaft mehr betreiben, glaubt Ina Lindow.

    "Also einmal hat man ja persönlich den Anspruch auch gute Lehre zu machen, da muss man Zeit investieren, Lehre ist ja kein Schulunterricht. Da muss man sich einfach selbst mit Forschungsergebnissen auseinandersetzen, um das dann mit den Studierenden kritisch zu diskutieren, das geht natürlich besser, wenn man einen Forschungshintergrund selbst besitzt. Und wenn jetzt politisch induziert so eine Trennung von Forschung und Lehre da erfolgt, dann macht es das sehr schwer, diese sehr hehren Vorsätze umzusetzen."

    Dabei verfolge gerade die Hochschuldidaktik immer mehr den Anspruch, Forschung und Lehr miteinander zu kombinieren. Wer selber in der Forschung arbeitet, kann den Studierenden besser vermitteln, wie Forschungsergebnisse überhaupt entstehen. Wer aber ein so hohes Lehrpensum erfüllen müsse, dem fehle die Zeit, auf Konferenzen zu fahren und sich mit anderen Wissenschaftlern auszutauschen. Wissenschaftliche Ergebnisse seien schließlich keine Fließbandarbeit, betont Ina Lindow. Man brauche Zeit zum Grübeln, zum Nachdenken. Und noch etwas stört die Doktorandin an der neuen Personalkategorie.

    "Die Stellen sind befristet, laufen wieder aus, und dann ist die Frage, wofür man sich qualifiziert hat, also für eine Junior- oder Vollprofessur höchst wahrscheinlich nicht."

    Auch die drei Berliner Universitätspräsidenten können der neuen Personalkategorie nicht viel abgewinnen. In einem Brief hatten sie Wissenschaftssenatorin Sandra Scheeres darum gebeten, statt der vorgesehen 30 Prozent nur zehn Prozent der Mittel für die neuen wissenschaftlichen Mitarbeiter auszugeben. Die Senatorin beließ aber dabei. Man freue sich jetzt natürlich über das zusätzliche Geld, sagt Jan-Hendrik Olbertz, Präsident der Humboldt-Uni. Doch den Beschäftigungen mit dem Schwerpunkt Lehre mit bis zu achtzehn Stunden in der Woche stehe man kritisch gegenüber. Schließlich sei die Forschung die entscheidende Inspirationsquelle für die Lehre, betont Olbertz, der an diesem Urprinzip einer universitären Bildungskonzeption festhalten möchte. Zudem befürchtet er, dass man auf dieser neuen Grundlage künftig Professorenstellen einsparen könnte.

    "Und dann wird mir schon ein bisschen flau, wenn das Ganze am Ende nicht der Qualität der Lehre dienen sollte, sondern der Verbilligung der Lehre, im Moment sind wir ja auch frei das Angebot anzunehmen oder nicht. Aber bei solchen Signalen werde ich natürlich auch ein bisschen stutzig, wie lange wird diese Freiheit uns auch zugestanden."

    Der Sprecher des Wissenschaftsministeriums bestreitet solche Absichten. Es gebe nach wie vor Forschungsprofessuren und wissenschaftliche Mitarbeiter, die ausschließlich forschen würden, sagt Thorsten Metter. Mit der neuen Berliner Qualitäts-offensive wolle man die Lehre stärken. Außerdem müssten die neuen wissenschaftlichen Mitarbeiter mindestens drei Jahre lang angestellt sein, das sei ein Fortschritt.

    "Von Lehrknechten kann überhaupt keine Rede sein, ich würde weder die Lehre als eine Knechtarbeit bezeichnen, noch ist es in dieser Form ein Zwang, das ist eine Möglichkeit für die Universitäten, von der sie Gebrauch machen können."

    Davon, dass demnächst massenhaft "Lehrknechte" an die Hochschulen drängen, kann vorerst keine Rede sein. Zum einen ist das Interesse der Universitäten gering, zum anderen können sie mit den vorgesehenen Mitteln nur jeweils etwa 20 neue wissenschaftliche Mitarbeiter in Vollzeit einstellen. Doch langfristig gesehen werde sich das Modell Lehrknecht etablieren können, befürchten viele.