Die Geschwister-Scholl-Mittelschule in Röthenbach an der Pegnitz notiert jeden Tag die Zahl der ausgefallenen Unterrichtsstunden. Manchmal sind es drei, manchmal acht, manchmal zehn Stunden. Null oder eine gibt es in der Statistik nicht. Irgendwas fällt immer aus, erklärt Gerd Nitschke.
"Da sind noch keine Lehrkräfte aufgelistet, die auf irgendwelche Fortbildungen gehen. Die bei Prüfungen eingesetzt sind. Sondern der reine Krankenstand. Darunter bis zu fünf Prozent Langzeitkranke, die mehr als drei Monate absent sind."
Unterrichtsversorgung in Bayern bald gefährdet?
Nitschke ist Vizepräsident des Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrer-Verbandes, BLLV. Der schlägt Alarm: wenn es so weitergehe, sei die flächendeckende Unterrichtsversorgung in Bayern gefährdet. BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann behauptet gar, "dass an den Schulen eine Notsituation herrscht. Wir legen den Fokus vor allem darauf, dass zwischen den Zahlen des Kultusministeriums, was den offiziellen Unterrichtsausfall angeht, und der konkreten Situation vor Ort ein meilenweiter Unterschied besteht."
Mobile Reserven sollen einspringen
Der BLLV geht von sieben Prozent nicht gehaltener Schulstunden aus, das läge ziemlich genau im Bundesdurchschnitt. Das bayerische Kultusministerium spricht von durchschnittlich einem Prozent Unterrichtsausfall. Die Diskrepanz, sagt Ministeriums-Sprecherin Sabine Herde, habe mit unterschiedlicher Definition von Unterrichts-Ausfall zu tun. Schließlich gebe es an jeder Schule Vertretungslehrer – und in Bayern zusätzlich noch die sogenannte "mobile Reserve", die flexibel einspringt, wenn Lehrer fehlen.
"Wir sprechen hier aktuell von einer Zahl von 2.150 Lehrkräften, die der Freistaat hier als mobile Reserve bereithält. Es gibt natürlich Möglichkeiten, Klassen zusammenzulegen. Geht sogar so weit, dass man in Spitzenzeiten mit benachbarten Schulen zusammenarbeiten kann."
Das aber, klagt BLLV-Präsidentin Fleischmann, gehe nur auf Kosten der Gesundheit der Lehrerinnen und Lehrer. Die sei so schlecht wie nie. Heraus komme dann "Schmalspurbildung – mehr als der reguläre Unterricht kann nicht angeboten werden. Aktuell ist nur Schmalspur angesagt. Das kann doch nicht sein in einem reichen Bundesland wie Bayern."
Dass es aus Sicht von Fleischmann so weit gekommen ist, habe auch mit neuen Belastungen zu tun. Zum einen müssen die Lehrer immer mehr Flüchtlingskinder beschulen. Innerhalb von sieben Monaten stieg ihre Zahl um 33 Prozent auf 62.000 Schüler. Zum anderen die Inklusion, also das Einbeziehen von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in den normalen Unterricht. Hier verdoppelte sich die Schülerzahl an Regelschulen in Bayern. BLLV-Präsidentin Fleischmann warnt, "dass die Inklusion, so wie es Bayern möchte als Ziel, nur geht, wenn man richtig Geld investiert. Und richtig Geld investiert heißt in dem Fall: Lehrer aus dem Bereich Sonderpädagogik. Aber auch wir brauchen da den Zweitlehrer in der Klasse. Weil Du die Kinder nicht on top nebenher integrieren kannst."
1.100 neue Stellen in Bayern geplant
Knapp 1.100 neue Lehrerstellen hat der Freistaat Bayern für dieses Jahr bereits bewilligt. Das Problem: Es sind kaum mehr Grund- und Mittelschul-Lehrer auf dem Markt. Das Kultusministerium schult sogar schon Gymnasiallehrer auf die Kleinsten um. Verrückte Welt: Noch vor drei Jahren bekamen selbst Referendare mit besten Abschlussnoten keine Lehrerstelle. Heute ist es umgekehrt.
"Jetzt zeigt sich am Beispiel der Flüchtlinge, dass die Zahlen nicht gestimmt haben. Eine Fehlplanung. Jetzt fehlen uns Kolleginnen im Bereich Grund- und Mittelschule."
Die bayerischen Lehrer werden also wohl noch eine Weile warten und auf die Zähne beißen müssen. Und dass sich Schüler über ausgefallene Unterrichtsstunden nicht beklagen – ist eh klar.