Trawniki ist ein Ort in Ostpolen mit ein paar Tausend Einwohnern. Es gibt eine prosperierende Fabrik für Reinigungsmittel und einen großen alten Bahnhof. Durch Trawniki fahren seit jeher die Züge von Warschau nach Kiew. 1941 entstand hier eine Außenstelle des bei Lublin gelegenen Konzentrations- und Vernichtungslagers Majdanek. Einige der Mauerreste samt Stacheldraht ziehen sich bis heute durch Trawniki. Auf dem ehemaligen Lagergelände steht auch das Haus der Gemeindeverwaltung, die Jerzy Szpakowski leitet.
"Hier an der Ostmauer des Lagers waren zwei sehr wichtige Einrichtungen untergebracht. Wir stehen gerade an der Erschießungsgrube und gehen jetzt zu der Stelle des Feuerrosts, wo die Leichen verbrannt wurden."
Vor siebzig Jahren, am 3. November 1943, wurde das Lager aufgelöst und die fast allesamt jüdischen Zwangsarbeiter ermordet. Trawniki war zweierlei: Ein KZ, aber gleichzeitig auch eine Ausbildungsstätte für nichtdeutsche Helfer der Vernichtungsindustrie, darunter Russen, Litauer, Polen. In der erdrückenden Mehrzahl handelte es sich um Ukrainer, welche die SS aus sowjetischen Kriegsgefangenenlagern der Umgebung anwarb – insgesamt etwa 5000 Menschen. In wenigen Wochen wurden sie ausgebildet: für die Räumung von Ghettos, für Bauarbeiten, vor allem für unentbehrliche Wach- und technische Hilfsdienste bei der Massentötung der Häftlinge in vielen Vernichtungslagern. Wenn man heute weltweit von Trawniki spricht, meint man meist nicht den Ort, sondern die dort ausgebildete Gruppe von Kriegsverbrechern.
"Wenn man hört: Wachpersonal der Vernichtungslager, dann denkt man an sehr brutale SS, an Überzeugungstäter, an antisemitisch geprägte Menschen. Und wenn man sich die Geschichte der Trawniki ansieht, dann sieht man, dass es nicht zutrifft, sondern dass es eben einfach eine Gruppe ist, die erst Opfer ist, und die sich dann, um nicht Opfer zu bleiben, der Mittäterschaft schuldig macht."
Die Berliner Historikerin Angelika Benz warnt – wie auch andere Forscher – vor einer allzu pauschalen Verurteilung der Trawniki. Auf der einen Seite stehen in dieser Gruppe willige Mörder und ausgesprochene Sadisten. Andererseits gab es unter den Trawniki aber auch viele Deserteure. Das spricht gegen das Bild vom Überzeugungstäter. Vor allem: Bedenkt man die unmenschlichen Zustände in den deutschen Lagern für Gefangene der Roten Armee, in denen die meisten Trawniki rekrutiert wurden, ist in Zweifel zu ziehen, ob ihre Wahl wirklich so "frei" war.
"In den Kriegsgefangenenlager starben über 50 Prozent der Insassen, da ist der erste Anreiz einfach: überleben."
Einen aktuellen Hintergrund der Historikertagung in Trawniki bildete der Fall von Ivan Demjanjuk, jenem gebürtigen Ukrainer und Kriegsgefangenen der Roten Armee, der 2011, im Alter von 91 Jahren, vom Landgericht München zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde. Karl Streibel, der deutsche Leiter des Lagers in Trawniki, wurde in den 70er Jahren hingegen von einem deutschen Gericht freigesprochen. Demjanjuk durchlief unter Streibel das SS-Ausbildungslager von Trawniki und soll dann unter anderem im nahe gelegenen Sobibór für den Tod von 27.500 Häftlingen mitverantwortlich gewesen sein. In Sobibór war Demjanjuk einer von 130 ausländischen Handlangern neben den wohl weniger als 30 Deutschen. In Deutschland entstand – durch Demjanjuk ausgelöst – eine Debatte über den Anteil nichtdeutscher Täter am Holocaust, die andauert. Angelika Benz sieht aber keinen Anlass für eine Selbstentlastung der Deutschen.
"Weil es ja eigentlich die Spitze der Perversion ist, eine Opfergruppe dazu zu bringen, dass sie andere vernichtet, also dass eigentlich die Deutschen sich nicht mal mehr die Hände schmutzig machen. Das ist noch schlimmer, als wenn sie dann selbst die Arbeit getan hätten, die sie erledigt haben wollten."
Dennoch scheint die Rolle der Trawniki als – wenn auch untergeordnete und befehlsabhängige – Gehilfen im Holocaust fundamental für die Durchführung der Verbrechen. Sergey Kudryashov vom Deutschen Historischen Institut in Moskau sagt:
"Es ist ein sensibles Thema in vielen Ländern. Wir wissen ja, dass Hitler Deutscher war und viele Deutsche in der Wehrmacht dienten und in der SS. Aber: Ohne solche Menschen wie die Trawniki wäre der Holocaust nicht geschehen. Das ist der Punkt."
In Trawniki erinnert seit den 60er Jahren ein Denkmal an die Opfer des Zwangsarbeitslagers. Kürzlich haben Jugendliche in Absprache mit der Gemeinde ein Stück der ehemaligen Lagermauer bemalt: Frauen mit Kindern hinter dem Stacheldraht. Es ist die Vergrößerung einer einfachen Skizze eines Zeitzeugen. Jeder, der die Autostraße nach Trawniki benutzt, kommt an diesem Mauerbild vorbei.
"Hier an der Ostmauer des Lagers waren zwei sehr wichtige Einrichtungen untergebracht. Wir stehen gerade an der Erschießungsgrube und gehen jetzt zu der Stelle des Feuerrosts, wo die Leichen verbrannt wurden."
Vor siebzig Jahren, am 3. November 1943, wurde das Lager aufgelöst und die fast allesamt jüdischen Zwangsarbeiter ermordet. Trawniki war zweierlei: Ein KZ, aber gleichzeitig auch eine Ausbildungsstätte für nichtdeutsche Helfer der Vernichtungsindustrie, darunter Russen, Litauer, Polen. In der erdrückenden Mehrzahl handelte es sich um Ukrainer, welche die SS aus sowjetischen Kriegsgefangenenlagern der Umgebung anwarb – insgesamt etwa 5000 Menschen. In wenigen Wochen wurden sie ausgebildet: für die Räumung von Ghettos, für Bauarbeiten, vor allem für unentbehrliche Wach- und technische Hilfsdienste bei der Massentötung der Häftlinge in vielen Vernichtungslagern. Wenn man heute weltweit von Trawniki spricht, meint man meist nicht den Ort, sondern die dort ausgebildete Gruppe von Kriegsverbrechern.
"Wenn man hört: Wachpersonal der Vernichtungslager, dann denkt man an sehr brutale SS, an Überzeugungstäter, an antisemitisch geprägte Menschen. Und wenn man sich die Geschichte der Trawniki ansieht, dann sieht man, dass es nicht zutrifft, sondern dass es eben einfach eine Gruppe ist, die erst Opfer ist, und die sich dann, um nicht Opfer zu bleiben, der Mittäterschaft schuldig macht."
Die Berliner Historikerin Angelika Benz warnt – wie auch andere Forscher – vor einer allzu pauschalen Verurteilung der Trawniki. Auf der einen Seite stehen in dieser Gruppe willige Mörder und ausgesprochene Sadisten. Andererseits gab es unter den Trawniki aber auch viele Deserteure. Das spricht gegen das Bild vom Überzeugungstäter. Vor allem: Bedenkt man die unmenschlichen Zustände in den deutschen Lagern für Gefangene der Roten Armee, in denen die meisten Trawniki rekrutiert wurden, ist in Zweifel zu ziehen, ob ihre Wahl wirklich so "frei" war.
"In den Kriegsgefangenenlager starben über 50 Prozent der Insassen, da ist der erste Anreiz einfach: überleben."
Einen aktuellen Hintergrund der Historikertagung in Trawniki bildete der Fall von Ivan Demjanjuk, jenem gebürtigen Ukrainer und Kriegsgefangenen der Roten Armee, der 2011, im Alter von 91 Jahren, vom Landgericht München zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde. Karl Streibel, der deutsche Leiter des Lagers in Trawniki, wurde in den 70er Jahren hingegen von einem deutschen Gericht freigesprochen. Demjanjuk durchlief unter Streibel das SS-Ausbildungslager von Trawniki und soll dann unter anderem im nahe gelegenen Sobibór für den Tod von 27.500 Häftlingen mitverantwortlich gewesen sein. In Sobibór war Demjanjuk einer von 130 ausländischen Handlangern neben den wohl weniger als 30 Deutschen. In Deutschland entstand – durch Demjanjuk ausgelöst – eine Debatte über den Anteil nichtdeutscher Täter am Holocaust, die andauert. Angelika Benz sieht aber keinen Anlass für eine Selbstentlastung der Deutschen.
"Weil es ja eigentlich die Spitze der Perversion ist, eine Opfergruppe dazu zu bringen, dass sie andere vernichtet, also dass eigentlich die Deutschen sich nicht mal mehr die Hände schmutzig machen. Das ist noch schlimmer, als wenn sie dann selbst die Arbeit getan hätten, die sie erledigt haben wollten."
Dennoch scheint die Rolle der Trawniki als – wenn auch untergeordnete und befehlsabhängige – Gehilfen im Holocaust fundamental für die Durchführung der Verbrechen. Sergey Kudryashov vom Deutschen Historischen Institut in Moskau sagt:
"Es ist ein sensibles Thema in vielen Ländern. Wir wissen ja, dass Hitler Deutscher war und viele Deutsche in der Wehrmacht dienten und in der SS. Aber: Ohne solche Menschen wie die Trawniki wäre der Holocaust nicht geschehen. Das ist der Punkt."
In Trawniki erinnert seit den 60er Jahren ein Denkmal an die Opfer des Zwangsarbeitslagers. Kürzlich haben Jugendliche in Absprache mit der Gemeinde ein Stück der ehemaligen Lagermauer bemalt: Frauen mit Kindern hinter dem Stacheldraht. Es ist die Vergrößerung einer einfachen Skizze eines Zeitzeugen. Jeder, der die Autostraße nach Trawniki benutzt, kommt an diesem Mauerbild vorbei.