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Leibniz, Newton und die Erfindung der Zeit

Gottfried Wilhelm Leibniz war ein Vielschreiber. Per Post stand er mit über 1000 Zeitgenossen in Briefkontakt. Er war Höfling, Philosoph, Theologe, Jurist, Mathematiker, Naturwissenschaftler und Ingenieur und somit der vielleicht letzte Universalgelehrte. Isaac Newton hingegen liebte es in Abgeschiedenheit zu grübeln und alchimistischen Experimenten nachzugehen. Seine Zeitgenossen erlebten ihn als genialen Starrkopf, der die Öffentlichkeit scheute. Aber wenn er sich zu Wort meldete, galt er als die mathematische Autorität seiner Zeit.

Rezension: Michael Lange |
    Thomas de Padova führt seine Leser zurück in eine Zeit, in der Briefe noch wochenlang unterwegs waren. Die wissenschaftliche Veröffentlichungspraxis und das Patentwesen steckten noch in den Kinderschuhen, und "Wissenschaftler" war keineswegs ein Beruf, der den Lebensunterhalt sicherte. Was in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts geschah, ist jedoch für die Forschungslandschaft bis heute von Bedeutung. Denn damals entstanden die Strukturen und Abläufe, die auch im 21. Jahrhundert den Wissenschaftsbetrieb prägen. So beschreibt de Padova mit vielen Einzelheiten die Machtkämpfe und Intrigen innerhalb der Royal Society in London. Die königliche Gesellschaft brachte erstmals die Gelehrten der Welt zusammen: Sie war der Schauplatz, wo wissenschaftliche und auch persönliche Zwistigkeiten ausgetragen wurden.

    Parallel erzählt de Padova, wie die Entwicklung immer besserer Uhren nicht nur die Naturwissenschaft im 17. Jahrhundert prägte, sondern auch den Alltag der Menschen. Wie schwierig es ist, dass eine Pendeluhr auf einem schwankenden Schiff die Zeit richtig angibt und so eine exakte Navigation ermöglicht, das ist in Zeiten von GPS heute kaum noch vorstellbar. Wichtige Fragen mussten damals beantwortet werden: Sind Planeten exakte Kugeln? Was unterscheidet den Sonnentag vom Sternentag? Was befindet sich zwischen Sternen? Anschaulich und unterhaltsam demonstriert dieses Buch, wie eine immer bessere Zeitmessung unsere Vorstellung vom Universum Schritt für Schritt veränderte.

    Vor diesem Hintergrund spielte sich der langsam entbrennende Streit zwischen Newton und Leibniz um Gravitationslehre und Infinitesimalrechnung ab. Das Buch erklärt den Gegenstand der Auseinandersetzung in Grundzügen. Wer als Mathemuffel zu viel Abstraktion fürchtet, muss jedoch keine Angst haben vor Differentialen, Integralen oder Kurvendiskussionen. Mathematik und Physik spielen nur eine Nebenrolle; im Mittelpunkt stehen die beiden Protagonisten und ihre Zeit.

    Ein wunderbares Buch, das den Leser in eine andere Zeit versetzt und interessante Einblicke in die Anfänge der Wissenschaft liefert. Wie schon in seinem letzten Buch "Das Weltgeheimnis" macht Thomas de Padova Ikonen der Wissenschaft zu lebendigen Menschen.

    Thomas de Padova: Leibniz, Newton und die Erfindung der Zeit
    ISBN: 978-3-492-05483-6
    Piper, 352 Seiten, 22,99€