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Leichtathletik
Ärger über die neue Testosteron-Regel

Südafrikas Regierung hat empört auf die neuen Testosteron-Regeln des Leichtathletik-Weltverbands IAAF reagiert. Die Regeln sehen vor, dass Sportlerinnen mit hohen, natürlichen Testosteronwerten diese Werte künstlich senken müssen. Betroffen ist auch Südafrikas Leichtathletik-Idol Caster Semenya.

Beitrag von Andreas Herrler, Prof. Ulrich Karck im Gespräch mit Astrid Rawohl |
    Caster Semenya jubelt im Ziel nach ihren Sieg im 800-Meter-Lauf bei den Commonwealth-Games 2018
    Caster Semenya feiert ihren Sieg im 800-Meter-Lauf bei den Commonwealth-Games 2018 (Mark Schiefelbein/AP/dpa)
    Südafrikas Sportministerin Tokozile Xasa ist sauer. Die neuen Regeln, die der Leichtathletik-Weltverband angekündigt hat, sieht sie als Angriff auf Caster Semenya, die südafrikanische 800-Meter-Olympiasiegerin.
    "Wir sehen das als sehr sexistisch, sehr rassistisch und sehr homophob. Wir sind wütend und rufen die Südafrikaner auf, hinter uns zu stehen", sagt Xasa.
    Zuvor hatte die IAAF erklärt, neue Regeln für die Rennen von 400 bis 1600 Meter einzuführen, einschließlich der Hürdenrennen. Leichtathletinnen müssen dann unter anderem ihren Blut-Testosteron-Spiegel wieder unter einen Grenzwert senken. Begründung der IAAF: hyperandrogene Athletinnen wie Caster Semenya hätten einen deutlichen Leistungsvorteil. So steht es auch in einer neuen Studie.
    "Keine Zeit für Unsinn"
    Semenya, die über 800 Meter zweimal Olympiagold geholt hat und dreimal Weltmeisterin wurde, wäre davon direkt betroffen. Sie müsste nun Medikamente nehmen, etwa hormonelle Verhütungsmittel.
    Die Sportlerin selbst ist von dieser Diskussion schon seit Jahren genervt. Als sie eine Reporterin bei der Leichtathletik-WM in London vor einem Jahr fragte, ob sie solche Medikamente wirklich nehmen wolle, sagte sie: "Ich hab keine Zeit für so einen Quatsch. Ich bin eine Sportlerin. Mein Fokus liegt darin, gesund zu bleiben und gegen andere anzutreten. Ich habe wirklich keine Zeit für Unsinn."
    Die neuen Regeln sollen ab November gelten. Immerhin denkt der Leichtathletik-Weltverband nun über eine dritte Wettkampf-Kategorie für intersexuelle Athleten nach. Der Leiter der IAAF-Wissenschaftsabteilung sagte dem britischen "Guardian", er habe das Gefühl, dass dies eines Tages passieren werde – auch wenn die Öffentlichkeit im Moment für einen solchen Schritt noch nicht bereit sei.
    IAAF noch nicht bereit
    Die IAAF selbst jedenfalls ist für einen solchen Schritt noch nicht bereit. Weltverbandspräsident Sebastian Coe rechtfertigte die neue Regelung, dass man eben auch in der Leichtathletik Klassifizierungen nur in "männlich und weiblich und dann noch die Altersklassen" habe.
    Aber was macht eine Behandlung mit Medikamenten wiederum mit Sportlerinnen, die ihren natürlich erhöhten Blut-Testosteronwert über Monate hinweg künstlich unter 5 Nanomol pro Liter drücken müssen? Was bedeutet diese Manipulation des Hormonhaushalts und Stoffwechsels für die Gesundheit der Athletinnen?
    Professor Ulrich Karck ist ärztlicher Direktor der Frauenklinik am Stuttgarter Universitätsklinikum und hat sich mit der Hormonbehandlung bei Hochleistungssportlerinnen auch unter dem Aspekt bestehender Anti-Doping-Regeln beschäftigt. Er sagt, dass Werte oberhalb der neuen Grenze für betroffene Frauen meist erhebliche Nebenwirkungen hätten. Ein normaler Zyklus sei kaum möglich, eine Vermännlichung häufig. "Typischerweise ist es so, dass die meisten Frauen, die solche Stoffwechseltörungen haben, behandelt werden möchten."
    Karck argumentiert für die Testosterongrenze. Er sagt, dass Frauen ohne die Unterscheidung zu Männern nie Leistungssport betrieben hätten. "Jetzt haben wir hier tatsächlich eine biologische Spielart, die dazu führt, dass diese Grenze verwischt wird, zwischen Mann und Frau. Und damit haben einzelne Individuen - das sind ja nicht viele - einen enormen Leistungsvorteil, der auch durch Training für andere nicht aufzuholen ist. Und da muss man sagen: Das ist dann eine Entscheidung, ob man tatsächlich 99,9 Prozent einen Wettkampf ermöglichen möchte und einen ausgrenzt, oder ob man sagt: 'OK, die 99,9 Prozent sollten dann halt hinterhergucken.'"
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