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Leichtathletin Kristina Tsimanouskaja
In Belarus kann sie sich nicht mehr sicher fühlen

Der Fall um die Leichtathletin Kristina Tsimanouskaja zeigt erneut, unter welchem Druck Athleten in Belarus stehen. Viele hätten mittlerweile Angst, "und können auch entscheiden, dass sie nach Belarus nicht zurückkommen", sagte der Vorsitzende der belarussischen Sport-Solidaritätsstiftung, Apeikin, im Dlf.

Von Robert Kempe |
Die belarussische Sprinterin Kristina Timanowskaja bei einem Wettkampf.
Die belarussische Sprinterin Kristina Timanowskaja. (IMAGO / GEPA pictures)
Am Mittwoch wird Kristina Tsimanouskaja Tokio in Richtung Warschau verlassen. Polen hat der Belarusin ein humanitäres Visum erteilt. In Belarus könne sie sich nicht mehr sicher fühlen, erklärt die Sprinterin gegenüber der Nachrichtenagentur AP.
"Sie haben mir klar gemacht, dass ich bei meiner Rückkehr nach Hause auf jeden Fall mit irgendeiner Form der Bestrafung rechnen muss. Und wenn ich mich weigern würde, nach Hause zurückzukehren und am 200-m-Lauf teilnehme, würde ich gefeuert und aus der Nationalmannschaft geworfen. Es gab leise Andeutungen, dass mich mehr erwarten würde."

Die Angst ist berechtigt

Und ihre Angst ist berechtigt. Seit der manipulierten Wahl vor gut einem Jahr geht der langjährige Machthaber Alexander Lukaschenko brutal gegen Kritiker und Andersdenkende vor. Auch gegen Sportlerinnen und Sportler. Mehr als 1.500 Personen aus der Sportbranche unterzeichnen nach der Wahl einen offenen Brief und fordern Neuwahlen in Belarus. Viele haben die Rache des Systems Lukaschenko zu spüren bekommen. Viele landen gar im Gefängnis.
Players - Podcast zu Olympia
Players - Der Sportpodcast (Deutschlandradio)
Kristina Tsimanouskaya hat den Brief nicht unterschrieben, hielt sich öffentlich zurück. Doch die Athletinnen und Athleten in Belarus stehen ohnehin unter besonderem Druck, so Heather McGill von Amnesty International.
"Die Athleten sind an vorderster Front. Sie werden als Helden gesehen. Sie sind diejenigen, die für Belarus gewinnen. Für den Präsidenten, sind sie ein wichtiger Teil der Propaganda."

Druck auf Olympiamannschaft wurde erhöht

Bis Februar war Alexander Lukaschenko auch Präsident des Nationalen Olympischen Komitees. Seitdem hat sein Sohn Viktor dieses Amt übernommen. Beide sind wegen ihres Umgangs mit Sportlerinnen und Sportlern von Olympia ausgeschlossen. Den Druck auf die Olympiamannschaft hat Lukaschenko vor den Spielen trotzdem erhöht.
"Wenn es in Tokio keine Resultate geben wird, wird im Sport von den Funktionären niemand verweilen. Deshalb denken Sie nach, bevor sie dahinfahren. Denn wenn Sie als Touristen dahinfahren und mit leeren Händen zurückkommen, dann brauchen sie gar nicht erst wiederkommen. Das sage ich hier als Präsident des Landes."
Der Vorsitzende der Belarussischen Sport-Solidaritätsstiftung mit Sitz in Vilnius, Alexander Apeikin, spricht im Interview mit dem Deutschlandfunk von einer großen Verunsicherung in der belarusischen Olympiamannschaft. Das Land hat bis jetzt zwei Medaillen gewonnen.
"Das ist nicht ausreichend aus der Perspektive von Alexander Lukaschenko. Sehr viele Athleten und Vertreter der Delegation haben Angst und können auch entscheiden, dass sie nach Belarus nicht zurückkommen."
Belarus' Krystsina Tsimanouskaya competes during a women's 200 meter heat race at the European Athletics Championships in Berlin, Germany, Friday, Aug. 10, 2018. (AP Photo/Michael Sohn)
Der Fall Timanowskaja - Lukaschenko "sieht Sportler fast schon wie seine Sklaven"
Anton Nadzielka vom Verein Razam hält den Vorwurf, dass die belarussische Sprinterin Kristina Timanowskaja aus Japan entführt werden sollte, für glaubwürdig. Er geht davon aus, dass der Befehl dazu von Alexander Lukaschenko aus Minsk kam, sagte er im Dlf. Sportler müssten machen, was der Präsident sage.

IOC hat Ermittlungen aufgenommen

Das IOC hat unterdessen Ermittlungen gegen das belarusische NOK aufgenommen, so der Sprecher der Organisation Mark Adams.
"Wir müssen die vollständigen Fakten ermitteln. Wir müssen alle Beteiligten anhören. Das kann natürlich Zeit brauchen."
Die Athletenorganisationen Global Athlete fordert hingegen eine sofortige Suspendierung des belarusischen NOK. Athletinnen und Athleten sollten unter neutraler Flagge starten. Eine Forderung, der sich auch die Belarussische Sport-Solidaritätsstiftung anschließt, so Alexander Apeikin.
"Das wird eine echt harte Lösung sein. Aber diese Lösung muss getroffen werden, aus meiner Sicht. Das, was die Vertreter des NOK von Belarus machen, ist eine Verletzung von Athletenrechten und von Menschenrechten."
Das NOK Belarus erklärt laut der staatlichen Narichtenagentur BelTA, mit dem IOC eng zusammenarbeiten zu wollen.