Archiv


Leichte Entspannung in Nordkorea

Wiese: Das internationale Ansehen Nordkoreas ist denkbar schlecht. Bei den Amerikanern steht das Land ganz oben auf der Liste der sogenannten Schurkenstaaten, und der Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde el Baradei hat das nordkoreanische Atomprogramm gerade als die größte internationale Sicherheitsbedrohung bezeichnet. Zwar richtig sich der Unmut gegen die regierenden Steinzeitkommunisten in der Hauptstadt Pjöngjang, aber natürlich haben vor allem die einfachen Menschen unter der weitgehenden Isolierung Nordkoreas zu leiden. Am Telefon begrüße ich den SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Pflug, der gerade in Nordkorea war und demnächst auch wieder dorthin fliegen wird. Herr Pflug, welche Eindrücke haben Sie aus dem Land mitgebracht. Bekommt die Abschottung des Regimes nach außen langsam einige wenige Löcher?

    Pflug: Ja, verglichen mit meinem Besuch vor zwei Jahren, habe ich den Eindruck, dass die Menschen offener geworden sind, und vor allen Dingen in Gesprächen mit Offiziellen habe ich festgestellt, dass man nun darauf verzichtet, bei jedem Gespräch zunächst einmal die Rolle des großen Vorsitzenden Kim Il Sung zu würdigen in einem fünf- bis siebenminütigen Statement, sondern man verzichtet weitestgehend darauf.

    Wiese: Worauf führen Sie diese Entwicklung zurück? Ist das nur eine Folge internationalen Drucks oder auch eine gewisse Einsicht der Herrschenden, dass es so wie bisher nicht weitergehen kann?

    Pflug: Ich bin sicher - und das hat sich aus Gesprächen mit nordkoreanischen Offiziellen der Kommunistischen Arbeiterpartei ergeben -, dass man um das Image Nordkoreas weiß. Man hat uns gesagt, dass man weiß, dass man kein gutes Image hat und dass man die Isolierung befürchtet. Aber daraus jetzt auf einen Reformprozess zu schließen, hielte ich für sehr verfrüht.

    Wiese: Erzählen Sie uns einiges über die allgemeine Situation in Nordkorea. Wie geht es dort den einfachen Menschen? Man hört immer wieder von Hungersnöten.

    Pflug: Es ist sehr schwierig, sich da ein Bild zu machen, weil Sie natürlich als Besucher keine Möglichkeit haben, hinter die Kulissen zu schauen, gar nicht in die Haushalte zu schauen oder mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Dennoch hatten wir die Gelegenheit, mit Vertretern von Nichtregierungsorganisationen verschiedener Art zu sprechen, und darunter gab es welche, die auch schon mal in die Wohnungen hineinschauen. Die Lebenssituation ist weiterhin ziemlich von Armut geprägt, obwohl das Regime es den Menschen mittlerweile gestattet, zumindest auf dem Lande, 90 Quadratmeter auch privatwirtschaftlich zu nutzen. Es gibt auch mittlerweile sogenannte Bauernmärkte, auf denen man sich mit den einfachen Gütern des täglichen Bedarfes decken kann, Lebensmitteln oder anderen Artikeln, die aus China importiert werden. Aber nach wie vor leben die Menschen, vor allem auf dem Lande, am Rande des Hungers. Vielleicht, gemessen an dem, was ich vor zwei Jahren gesehen habe, würde ich sagen, hat eine leichte Besserung eingesetzt. Darüber hinaus gibt es Anzeichen dafür, dass das Regime bereit ist, auch die absolut strikten Kontrollen und Reglementierungen zu lockern. Es soll demnächst ein Mobiltelefonnetz in Korea eingerichtet werden. Offizielle können davon mittlerweile schon Gebrauch machen - es ist nicht flächendeckend. Man ist wohl auch bereit, die Mobilität stärker zu erhöhen. Im Augenblick müssen die Menschen ja noch um Genehmigung bitten, wenn sie mit dem Fahrrad fahren wollen. Menschen aus dem Lande ist es gar nicht gestattet, nach Pjöngjang einzureisen, nur mit Ausnahmegenehmigungen überhaupt im Lande zu reisen, also bei Familienfesten und dergleichen. Es scheint sich da, glaube ich, ganz zaghaft eine Änderung anzubahnen.

    Wiese: Es ist ja irgendwie auffällig, auf der einen Seite diese - wie immer gesagt wird - Steinzeitkommunisten, diese doch sehr zurückgebliebene Situation im Lande, auf der anderen Seite Nordkorea, ein militärisch hochgerüstetes Land, das angeblich auch über Atomwaffen verfügt und das den internationalen Weltfrieden bedrohen soll. Gilt diese Bedrohungsangst zu Recht?

    Pflug: Darüber, glaube ich, muss man versuchen die Fakten, die man vor allen Dingen hier im Westen über verschiedene Quellen sammeln kann, auszuwerten. Sie werden in Nordkorea kaum irgendwelche Informationen zu diesem Programm bekommen, selbst wenn Sie mit hochangesiedelten Offiziellen reden. Also aus der Regierung, aus der Partei wissen sie im Regelfall nicht, worum es geht. Sicher ist, dass die Nordkoreaner mindestens gegen drei Verträge verstoßen haben. Es gibt zunächst mal den Vertrag mit Südkorea aus dem Jahre 1991, die Halbinsel atomwaffenfrei zu halten. Sie haben verstoßen gegen den sogenannten Kedo-Vertrag, in dem sie sich 1994 verpflichtet haben, auf atomare Rüstung zu verzichten, und sie haben gegen den Nichtverbreitungsvertrag, wo es offensichtlich wichtige Indizien dafür gibt, dass sie versucht haben, in die Technik der Urananreicherung einzusteigen. Nun weiß man, dass die Nordkoreaner ganz sicher über waffenfähiges Plutonium verfügen, wobei die Größenordnungen differieren. Man sagt, zwischen 20 und 25 Kilogramm. Zusätzlich haben sie offensichtlich versucht, auch mit Kontakten zu Pakistan in die Urananreicherung einzusteigen. Ob sie im Besitz von Atomwaffen sind, das lasse ich dahingestellt. Das kann im Augenblick keiner beurteilen. Ich persönlich glaube es nicht, aber sie versuchen welche zu bekommen. Vielleicht noch eine Bemerkung zum Thema Steinzeitkommunisten: Ich glaube, der Begriff ist nicht richtig. Der greift für ??? in Kambodscha. Wir müssen sehen, dass Nordkorea unter der Zeit von Kim Il Sung in den achtziger Jahren durchaus, gemessen an anderen kommunistischen Staaten, technisch und wirtschaftlich nicht in der letzten Reihe ist, sondern sicherlich relativ weit vorne, obwohl, gemessen etwa auch an dem Standard der DDR, Nordkorea immer sehr rückschrittlich war. Was den technischen Standard der Armee angeht, gibt es da auch sicherlich Zweifel, die erlaubt sind. Man sieht selten Militärfahrzeuge. Man weiß, dass es Energieknappheit gibt. Das gilt natürlich auch für die Flugzeuge. Man hat von den Sowjets noch die Mics bekommen, aber es fehlt natürlich auch da an Kerosin und Treibstoffen, so dass Sie selten Militärfahrzeuge sehen, und wenn man solche sieht, sind sie doch ziemlich veraltet.

    Wiese: Aber anachronistisch ist dieses Regime ja, da besteht ja wohl kein Zweifel. Wagen Sie eine Prognose, wie lange es sich noch halten wird, oder wird es mit einem großen Knall oder eher einem Winseln untergehen?

    Pflug: Ich will dazu etwas sage, was mir chinesische Gesprächspartner vor zwei Jahren, aber auch vor wenigen Monaten wieder gesagt haben. Man solle nicht glauben im Westen, dass dieses System implodieren würde. Man hatte wohl damit gerechnet Mitte der neunziger Jahre, dass dieses System aufgrund der Hochwasserkatastrophen und der Hungersnöte irgendwann von alleine zusammenbrechen würde. Unsere chinesischen Partner haben mir nun mehrmals gesagt, das wäre eine wirkliche Fehleinschätzung. Die Menschen sind Not und Entbehrung gewöhnt, und so schnell bricht dieses System nicht zusammen.

    Wiese: Vielen Dank für das Gespräch.