Christoph Heinemann: Zugegeben: Zahlenkolonnen zum Wirtschaftswachstum sind nicht besonders sexy. Aber sie enthalten doch wichtige Botschaften, vor allem in Krisenzeiten. Wenn die Unternehmen schlecht verkaufen, steigt die Arbeitslosigkeit, der Staat nimmt nicht genug ein und muss gleichzeitig mehr ausgeben. Wie dann gleichzeitig noch das Haushaltsdefizit verringert werden soll, bleibt das Geheimnis derjenigen, die das fordern. Daran erinnerte gestern auch Peer Steinbrück, der Kanzlerkandidat der SPD, im Deutschen Bundestag.
O-Ton Peer Steinbrück: "Reform und Konsolidierung der Staatshaushalte sind notwendig, doch sie gehen ins Leere, wenn aus Sparen ein Kaputtsparen wird, wenn neben der notwendigen Konsolidierung keine Wachstumsperspektiven für diese Länder entstehen."
Heinemann: Die Europäische Union legt heute Zahlen für die Konjunkturerwartung vor.
- Jörg Münchenberg ist unser Europakorrespondent
((O-Ton))
- Und Michael Fuchs ist der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Guten Morgen!
Michael Fuchs: Guten Morgen, Herr Heinemann.
Heinemann: Herr Fuchs, was bedeuten die Zahlen? Was bedeutet der Trend, den Jörg Münchenberg gerade geschildert hat, für den Euro?
Fuchs: Der Euro ist ja momentan relativ stabil. Sie wissen, dass der letztes Jahr mal zeitweilig bei 1,22 gestanden hat; mittlerweile ist er bei über 1,30, 1,33, 1,34. Also das sind Zahlen, das zeigt, dass doch Vertrauen wieder in den Euro zurückgekommen ist. Das sehe ich positiv.
Heinemann: Geht das Vertrauen heute den Bach runter, wenn die Zahlen auf dem Tisch liegen?
Fuchs: Frankreich hat ein Problem, da gibt es überhaupt keine Diskussion drüber. Sie haben vor einigen Tagen die Zahlen für PSA, für Peugeot gehört, mit fünf Milliarden Verlust. Die Franzosen müssen ihre Hausaufgaben machen. Da liegen sie weit, weit hinter anderen Ländern. Und das ist auch bedenklich, denn Frankreich ist die zweitgrößte Volkswirtschaft in Europa. Es ist notwendig, dass die Franzosen jetzt zurückkehren auf den Pfad der Tugend. Die Dinge, die wir mit der Agenda 2010 gemacht haben, müssen in Frankreich alle noch durchgeführt werden. Ich hoffe, dass Hollande das verstanden hat.
Heinemann: Viel ausgeben, wenig einnehmen und gleichzeitig sparen – wie geht das?
Fuchs: Das wird nicht funktionieren. Die Franzosen müssen sparen, sie müssen in allen möglichen Bereichen des Landes sparen, um handlungsfähiger zu werden. Und sie müssen natürlich auch volkswirtschaftliche Reformen machen, sie müssen die Arbeitszeiten verändern. Sie wissen, dass die Franzosen nach wie vor die 35-Stunden-Woche haben. Das kann nicht funktionieren, wenn in der Schweiz 42 Stunden gearbeitet wird, in Deutschland ja im Schnitt auch wieder 40. Dann muss man, um Wettbewerbsfähigkeit herzustellen, auch wieder in diese Richtung gehen.
Heinemann: Das sind langfristige Geschichten, die Sie gerade angesprochen haben. Aber wie spart man denn kurzfristig?
Fuchs: Kurzfristig werden die Franzosen vermutlich in dem gesamten Bereich Soziales überlegen müssen, ob sie nicht da und dort überall zu viel ausgeben. Das haben wir ja auch alles gemacht. Zum Beispiel im Rentenbereich liegen sie völlig falsch, denn bei der demografischen Entwicklung, die in Frankreich ja nicht wesentlich anders ist als in Deutschland, ist es einfach notwendig, dass länger gearbeitet wird. Man kann nicht mit 60 Jahren in Rente gehen, das funktioniert nicht mehr. Auch das müssen die Franzosen überlegen. Aber ich bin nicht derjenige, der die Ratschläge den Franzosen zu erteilen hat; das wissen die am besten selbst.
Heinemann: Haben Sie allerdings gerade schon getan, macht aber nichts. – Herr Fuchs, befindet sich Frankreich Ihrer Einschätzung nach auf dem Weg Richtung Krisenstaat?
Fuchs: Jetzt habe ich Sie leider akustisch nicht verstanden.
Heinemann: Befindet sich Frankreich Ihrer Einschätzung nach auf der schiefen Ebene oder auf der Bahn Richtung Krisenstaat?
Fuchs: Leider ist Frankreich ein Sorgenkind im Euro, denn andere Länder haben ihre Hausaufgaben wesentlich intensiver gemacht. Ich sage mal Spanien beispielsweise, auch Italien unter Monti. Aber die Franzosen haben geglaubt, man könne dem entgehen; das wird nicht funktionieren. Die gesamte Euro-Zone muss international wettbewerbsfähig sein. Wir müssen alle im internationalen Wettbewerb bestehen und da sind die Franzosen weit hintendran.
Heinemann: In Italien kann man sehr schön beobachten, wohin das führt. Mario Monti hat den Haushalt konsolidiert und wird voraussichtlich übermorgen abgewählt. Volltreffer!
Fuchs: Ich glaube nicht, dass man das so sagen kann. Ich hoffe, dass die Italiener vor allen Dingen verhindern, dass Berlusconi wieder an die Macht kommt. Er wird nicht abgewählt, sondern es wird neu gewählt. Monti war ja eigentlich auch nie gewählt worden, er war ja durch ein All-Parteien-Regime zum Ministerpräsidenten gewählt worden. Aber ich hoffe, dass die Italiener wissen, dass der Weg, den Monti eingeschlagen hat, der richtige ist, zu konsolidieren und dafür zu sorgen, dass die Wettbewerbsfähigkeit in Italien wiederhergestellt wird. Die gesamte Euro-Zone ist gezwungen, im internationalen Bereich wettbewerbsfähig zu sein. Wenn wir das nicht sind, werden wir in der Welt abgehangen.
Heinemann: Herr Fuchs, Silvio Berlusconi will die unbeliebte Immobiliensteuer abschaffen, die pro Jahr etwa mit vier Milliarden zu Buche schlägt. Ist das in der Rezession nicht genau die richtige Politik, damit eben die Pferde wieder saufen?
Fuchs: Nein, ich bin anderer Meinung. Das war eine Steuer, die es ja schon immer in Italien gegeben hat. Das ist purer Populismus, um die Wahl zu gewinnen, sonst nichts. Berlusconi hat auch nur zwei Alternativen: die Wahl gewinnen oder ihm droht das Gefängnis. Insofern können Sie davon ausgehen, dass er jede populistische Maßnahme ergreifen wird, um die Italiener davon zu überzeugen, ihn zu wählen. Ich hoffe, das gelingt ihm nicht.
Heinemann: Die Steuer auf den Erstwohnsitz gab es so bisher nicht, muss man dazu sagen.
Fuchs: Das ist wahr, aber die gibt es praktisch überall in jedem Land. Wir haben das ja in Deutschland mit der Grundsteuer genauso. Die Italiener haben viel Grundbesitz, mehr nebenbei pro Kopf als die Deutschen. Und insofern ist eine solche Steuer durchaus anzuraten.
Heinemann: Die Deutschen sind groß darin, Ratschläge zu erteilen, was die Popularität nicht unbedingt erhöht. Die Bundesregierung schafft es allerdings nicht einmal in guten Zeiten, in denen sie viel einnimmt und wegen der hohen Beschäftigung auch wenig ausgeben muss, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Sollten wir uns vielleicht ein bisschen zurückhalten?
Fuchs: Ich gebe Ihnen da mindestens teilweise Recht. Es ist eigentlich schade, dass wir nicht schon in diesem Jahr einen strukturell ausgeglichenen Haushalt hinbekommen. Aber die Situation sieht so aus, dass wir zum nächsten Jahr einen Haushaltsvorschlag machen werden – und da wird auch zurzeit ziemlich intensiv drum gerungen -, der den Haushalt strukturell ausgleicht – zum ersten Mal nebenbei seit 40 Jahren. Der Finanzminister ist dabei, noch die letzten sechs Milliarden einzusparen. Das wird schwierig werden, weil natürlich jede Einsparung auch von jeder Bevölkerungsgruppe nicht gerade geschätzt wird.
Heinemann: Herr Fuchs, einprägsam mit Alliterationen verziert titelt die Süddeutsche Zeitung heute. "Reiche Russen sollen für Zypern zahlen." Da geht es darum: Die Euro-Zone möchte gerne reiche Bürger und Konzerne mit Geldanlagen in Zypern an den Kosten des geplanten Hilfspakets für die Insel beteiligen. Da ist im Gespräch: höhere Steuern auf Unternehmensgewinne, Kapitalerträge, Grundbesitz und eine Vermögenssteuer. Benötigen wir jetzt eine Lex Zypern?
Fuchs: Also, ich halte es für notwendig, dass als allererstes Mal die Ergebnisse der Troika betrachtet werden. Die Troika ist ja dabei, die Situation in Zypern zu untersuchen. Wenn wir diese Ergebnisse haben, dann gucken wir uns das Ganze an. Im Europäischen Stabilitätsmechanismus, im ESM, steht ganz klar drin, dass nur ein Land Hilfen aus dem ESM bekommen kann, was systemrelevant ist. Mir hat sich bis jetzt nicht erschlossen, dass Zypern systemrelevant ist. Zypern muss seine Hausaufgaben machen, sie hat einen völlig aufgeblasenen Bankensektor, der ja viel, viel größer ist proportional zum Bruttoinlandsprodukt als in jedem anderen Land. Und es gibt halt eben die Oligarchen, 16 Oligarchen leben in Zypern, das muss alles mit berücksichtigt werden. Ich sehe momentan nicht, wie Hilfen für Zypern bereitgestellt werden können.
Heinemann: Kann man diese Hilfen noch verhindern?
Fuchs: Das kann man sehr wohl, denn das muss einstimmig beschlossen werden und wenn wir nicht mitspielen, dann wird das nicht funktionieren. Und es kann die Hilfen nur dann geben, wenn nach den Regeln, die wir uns selbst im Europäischen Stabilitätsmechanismus gegeben haben, vorgegangen wird. Und ich kann nicht sehen, dass wir die Systemrelevanz der Zyprioten bis jetzt festgestellt haben.
Heinemann: Herr Fuchs, wenn Sie gestatten, von den Finanzen noch mal weg zu einem anderen Thema. Auf Knien werde eines Tages ein Kanzler nach Ankara robben, um die Türkei zur EU-Mitgliedschaft zu bewegen. Das sagte Ihr Parteifreund, der CDU-Politiker, der Brüsseler Kommissar Günther Oettinger. Nun fährt, wie wir alle wissen, Angela Merkel in zwei Tagen nach Ankara. Sollte sie das Robben schon mal üben?
Fuchs: Ich gehe davon aus, dass sie das nicht nötig hat. Und der Günther Oettinger, der hat auch gesagt, eines Tages. Wann dieser Tag ist, das hat er nicht gesagt. Es gibt noch sehr, sehr viele Punkte, die uns und die EU von der Türkei trennen. Das fängt damit an, dass es keine religiöse Freiheit gibt. Und geht in viele, viele andere menschenrechtliche Dinge hinein, aber auch in wirtschaftliche. Das dauert noch sehr, sehr lange und ich weiß nicht den Zeitpunkt, wann dieses Robben angebracht sein wird. Aber ich denke, die EU hat es nicht nötig, auf Knien zu robben, sondern die EU ist eine gute Zusammenarbeit aus Ländern, aus allen Ländern. Und die Türken? Es können durchaus in vielen, vielen Jahren mal möglich sein, dass sie zu uns kommen, aber das dauert.
Heinemann: Michael Fuchs, der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.
Fuchs: Danke Ihnen, Herr Heinemann.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
O-Ton Peer Steinbrück: "Reform und Konsolidierung der Staatshaushalte sind notwendig, doch sie gehen ins Leere, wenn aus Sparen ein Kaputtsparen wird, wenn neben der notwendigen Konsolidierung keine Wachstumsperspektiven für diese Länder entstehen."
Heinemann: Die Europäische Union legt heute Zahlen für die Konjunkturerwartung vor.
- Jörg Münchenberg ist unser Europakorrespondent
((O-Ton))
- Und Michael Fuchs ist der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Guten Morgen!
Michael Fuchs: Guten Morgen, Herr Heinemann.
Heinemann: Herr Fuchs, was bedeuten die Zahlen? Was bedeutet der Trend, den Jörg Münchenberg gerade geschildert hat, für den Euro?
Fuchs: Der Euro ist ja momentan relativ stabil. Sie wissen, dass der letztes Jahr mal zeitweilig bei 1,22 gestanden hat; mittlerweile ist er bei über 1,30, 1,33, 1,34. Also das sind Zahlen, das zeigt, dass doch Vertrauen wieder in den Euro zurückgekommen ist. Das sehe ich positiv.
Heinemann: Geht das Vertrauen heute den Bach runter, wenn die Zahlen auf dem Tisch liegen?
Fuchs: Frankreich hat ein Problem, da gibt es überhaupt keine Diskussion drüber. Sie haben vor einigen Tagen die Zahlen für PSA, für Peugeot gehört, mit fünf Milliarden Verlust. Die Franzosen müssen ihre Hausaufgaben machen. Da liegen sie weit, weit hinter anderen Ländern. Und das ist auch bedenklich, denn Frankreich ist die zweitgrößte Volkswirtschaft in Europa. Es ist notwendig, dass die Franzosen jetzt zurückkehren auf den Pfad der Tugend. Die Dinge, die wir mit der Agenda 2010 gemacht haben, müssen in Frankreich alle noch durchgeführt werden. Ich hoffe, dass Hollande das verstanden hat.
Heinemann: Viel ausgeben, wenig einnehmen und gleichzeitig sparen – wie geht das?
Fuchs: Das wird nicht funktionieren. Die Franzosen müssen sparen, sie müssen in allen möglichen Bereichen des Landes sparen, um handlungsfähiger zu werden. Und sie müssen natürlich auch volkswirtschaftliche Reformen machen, sie müssen die Arbeitszeiten verändern. Sie wissen, dass die Franzosen nach wie vor die 35-Stunden-Woche haben. Das kann nicht funktionieren, wenn in der Schweiz 42 Stunden gearbeitet wird, in Deutschland ja im Schnitt auch wieder 40. Dann muss man, um Wettbewerbsfähigkeit herzustellen, auch wieder in diese Richtung gehen.
Heinemann: Das sind langfristige Geschichten, die Sie gerade angesprochen haben. Aber wie spart man denn kurzfristig?
Fuchs: Kurzfristig werden die Franzosen vermutlich in dem gesamten Bereich Soziales überlegen müssen, ob sie nicht da und dort überall zu viel ausgeben. Das haben wir ja auch alles gemacht. Zum Beispiel im Rentenbereich liegen sie völlig falsch, denn bei der demografischen Entwicklung, die in Frankreich ja nicht wesentlich anders ist als in Deutschland, ist es einfach notwendig, dass länger gearbeitet wird. Man kann nicht mit 60 Jahren in Rente gehen, das funktioniert nicht mehr. Auch das müssen die Franzosen überlegen. Aber ich bin nicht derjenige, der die Ratschläge den Franzosen zu erteilen hat; das wissen die am besten selbst.
Heinemann: Haben Sie allerdings gerade schon getan, macht aber nichts. – Herr Fuchs, befindet sich Frankreich Ihrer Einschätzung nach auf dem Weg Richtung Krisenstaat?
Fuchs: Jetzt habe ich Sie leider akustisch nicht verstanden.
Heinemann: Befindet sich Frankreich Ihrer Einschätzung nach auf der schiefen Ebene oder auf der Bahn Richtung Krisenstaat?
Fuchs: Leider ist Frankreich ein Sorgenkind im Euro, denn andere Länder haben ihre Hausaufgaben wesentlich intensiver gemacht. Ich sage mal Spanien beispielsweise, auch Italien unter Monti. Aber die Franzosen haben geglaubt, man könne dem entgehen; das wird nicht funktionieren. Die gesamte Euro-Zone muss international wettbewerbsfähig sein. Wir müssen alle im internationalen Wettbewerb bestehen und da sind die Franzosen weit hintendran.
Heinemann: In Italien kann man sehr schön beobachten, wohin das führt. Mario Monti hat den Haushalt konsolidiert und wird voraussichtlich übermorgen abgewählt. Volltreffer!
Fuchs: Ich glaube nicht, dass man das so sagen kann. Ich hoffe, dass die Italiener vor allen Dingen verhindern, dass Berlusconi wieder an die Macht kommt. Er wird nicht abgewählt, sondern es wird neu gewählt. Monti war ja eigentlich auch nie gewählt worden, er war ja durch ein All-Parteien-Regime zum Ministerpräsidenten gewählt worden. Aber ich hoffe, dass die Italiener wissen, dass der Weg, den Monti eingeschlagen hat, der richtige ist, zu konsolidieren und dafür zu sorgen, dass die Wettbewerbsfähigkeit in Italien wiederhergestellt wird. Die gesamte Euro-Zone ist gezwungen, im internationalen Bereich wettbewerbsfähig zu sein. Wenn wir das nicht sind, werden wir in der Welt abgehangen.
Heinemann: Herr Fuchs, Silvio Berlusconi will die unbeliebte Immobiliensteuer abschaffen, die pro Jahr etwa mit vier Milliarden zu Buche schlägt. Ist das in der Rezession nicht genau die richtige Politik, damit eben die Pferde wieder saufen?
Fuchs: Nein, ich bin anderer Meinung. Das war eine Steuer, die es ja schon immer in Italien gegeben hat. Das ist purer Populismus, um die Wahl zu gewinnen, sonst nichts. Berlusconi hat auch nur zwei Alternativen: die Wahl gewinnen oder ihm droht das Gefängnis. Insofern können Sie davon ausgehen, dass er jede populistische Maßnahme ergreifen wird, um die Italiener davon zu überzeugen, ihn zu wählen. Ich hoffe, das gelingt ihm nicht.
Heinemann: Die Steuer auf den Erstwohnsitz gab es so bisher nicht, muss man dazu sagen.
Fuchs: Das ist wahr, aber die gibt es praktisch überall in jedem Land. Wir haben das ja in Deutschland mit der Grundsteuer genauso. Die Italiener haben viel Grundbesitz, mehr nebenbei pro Kopf als die Deutschen. Und insofern ist eine solche Steuer durchaus anzuraten.
Heinemann: Die Deutschen sind groß darin, Ratschläge zu erteilen, was die Popularität nicht unbedingt erhöht. Die Bundesregierung schafft es allerdings nicht einmal in guten Zeiten, in denen sie viel einnimmt und wegen der hohen Beschäftigung auch wenig ausgeben muss, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Sollten wir uns vielleicht ein bisschen zurückhalten?
Fuchs: Ich gebe Ihnen da mindestens teilweise Recht. Es ist eigentlich schade, dass wir nicht schon in diesem Jahr einen strukturell ausgeglichenen Haushalt hinbekommen. Aber die Situation sieht so aus, dass wir zum nächsten Jahr einen Haushaltsvorschlag machen werden – und da wird auch zurzeit ziemlich intensiv drum gerungen -, der den Haushalt strukturell ausgleicht – zum ersten Mal nebenbei seit 40 Jahren. Der Finanzminister ist dabei, noch die letzten sechs Milliarden einzusparen. Das wird schwierig werden, weil natürlich jede Einsparung auch von jeder Bevölkerungsgruppe nicht gerade geschätzt wird.
Heinemann: Herr Fuchs, einprägsam mit Alliterationen verziert titelt die Süddeutsche Zeitung heute. "Reiche Russen sollen für Zypern zahlen." Da geht es darum: Die Euro-Zone möchte gerne reiche Bürger und Konzerne mit Geldanlagen in Zypern an den Kosten des geplanten Hilfspakets für die Insel beteiligen. Da ist im Gespräch: höhere Steuern auf Unternehmensgewinne, Kapitalerträge, Grundbesitz und eine Vermögenssteuer. Benötigen wir jetzt eine Lex Zypern?
Fuchs: Also, ich halte es für notwendig, dass als allererstes Mal die Ergebnisse der Troika betrachtet werden. Die Troika ist ja dabei, die Situation in Zypern zu untersuchen. Wenn wir diese Ergebnisse haben, dann gucken wir uns das Ganze an. Im Europäischen Stabilitätsmechanismus, im ESM, steht ganz klar drin, dass nur ein Land Hilfen aus dem ESM bekommen kann, was systemrelevant ist. Mir hat sich bis jetzt nicht erschlossen, dass Zypern systemrelevant ist. Zypern muss seine Hausaufgaben machen, sie hat einen völlig aufgeblasenen Bankensektor, der ja viel, viel größer ist proportional zum Bruttoinlandsprodukt als in jedem anderen Land. Und es gibt halt eben die Oligarchen, 16 Oligarchen leben in Zypern, das muss alles mit berücksichtigt werden. Ich sehe momentan nicht, wie Hilfen für Zypern bereitgestellt werden können.
Heinemann: Kann man diese Hilfen noch verhindern?
Fuchs: Das kann man sehr wohl, denn das muss einstimmig beschlossen werden und wenn wir nicht mitspielen, dann wird das nicht funktionieren. Und es kann die Hilfen nur dann geben, wenn nach den Regeln, die wir uns selbst im Europäischen Stabilitätsmechanismus gegeben haben, vorgegangen wird. Und ich kann nicht sehen, dass wir die Systemrelevanz der Zyprioten bis jetzt festgestellt haben.
Heinemann: Herr Fuchs, wenn Sie gestatten, von den Finanzen noch mal weg zu einem anderen Thema. Auf Knien werde eines Tages ein Kanzler nach Ankara robben, um die Türkei zur EU-Mitgliedschaft zu bewegen. Das sagte Ihr Parteifreund, der CDU-Politiker, der Brüsseler Kommissar Günther Oettinger. Nun fährt, wie wir alle wissen, Angela Merkel in zwei Tagen nach Ankara. Sollte sie das Robben schon mal üben?
Fuchs: Ich gehe davon aus, dass sie das nicht nötig hat. Und der Günther Oettinger, der hat auch gesagt, eines Tages. Wann dieser Tag ist, das hat er nicht gesagt. Es gibt noch sehr, sehr viele Punkte, die uns und die EU von der Türkei trennen. Das fängt damit an, dass es keine religiöse Freiheit gibt. Und geht in viele, viele andere menschenrechtliche Dinge hinein, aber auch in wirtschaftliche. Das dauert noch sehr, sehr lange und ich weiß nicht den Zeitpunkt, wann dieses Robben angebracht sein wird. Aber ich denke, die EU hat es nicht nötig, auf Knien zu robben, sondern die EU ist eine gute Zusammenarbeit aus Ländern, aus allen Ländern. Und die Türken? Es können durchaus in vielen, vielen Jahren mal möglich sein, dass sie zu uns kommen, aber das dauert.
Heinemann: Michael Fuchs, der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.
Fuchs: Danke Ihnen, Herr Heinemann.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.