Samstagnachmittag in einer ruhigen Wohngegend der Pariser Vorstadt: Die Hausnummer 9 ist ein Einfamilienhaus. Ein Mittfünfziger öffnet das gusseiserne Gartentor. Dominique Mennesson ist Vater von Zwillingen: Lea und Isa, dreizehneinhalb Jahre alt. Sie wurden von einer Leihmutter in Kalifornien zur Welt gebracht. In deren Gebärmutter wurden die Eizellen einer anonymen Spenderin eingepflanzt, künstlich befruchtet mit Dominiques Sperma. Der einzige Weg für das französische Ehepaar, sich den Wunsch nach eigenen Kindern zu erfüllen. Denn Dominiques Frau Sylvie kam ohne Uterus zur Welt.
Dominique ist allein zu Hause, seine Frau und die Mädchen sind Einkaufen. Die Kinder haben ihre Zimmer oben. Leas Bett ist übersät mit Modezeitschriften. Über dem Bett hängt eine US-Flagge, gleich daneben das Foto von einem Baby.
"Das ist Lea einen Tag nach ihrer Geburt im Krankenhaus von San Diego. Da ist sie noch winzig. Jetzt sind die Mädchen groß, 1 Meter 69."
Auch Isa hat das Foto aus dem Krankenhaus in ihrem Zimmer aufgehängt und ein großes Sternenbanner an die Wand drapiert. Quer darüber steht in großen Lettern: "God bless America".
"Sie hängen wirklich sehr an ihrem Geburtsland. Die USA sind wichtig für ihre Identität. Sie betrachten sich als Französinnen und Amerikanerinnen."
Dominique zieht ein Fotoalbum aus dem Regal seiner Tochter. Die Familie fliegt jedes Jahr in die Staaten. Dann besuchen sie auch Mary, die Leihmutter. Isa hat mehrere Bilder von ihr ins Album geklebt: Mary in ihrem Restaurant, Mary am Strand mit ihrem Mann und ihrem erwachsenen Sohn, Mary mit den Zwillingen. Das Wort Leihmutter vermeidet Dominique. Er findet es irreführend. Mary ist und war nie die Mutter unserer Kinder, sagt er.
"Meine Töchter würden sofort sagen: Das sind Mary und ihr Mann, Freunde unserer Eltern. Und sie haben recht! Jemand wie Mary, die uns so großzügig geholfen hat, Eltern zu werden – uns verbindet eine echte Freundschaft. Man würde meinen, dass die sehr speziellen Umstände ihrer Geburt unsere Töchter verunsichern. Überhaupt nicht! Für sie ist glasklar, wer ihre Mutter ist und wer ihr Vater. Allerdings verstehen sie nicht, warum sie dann nicht auch als Französinnen anerkannt werden."
In Frankreich ist die Leihmutterschaft verboten
Lea und Isa besitzen amerikanische Pässe, weil sie dort geboren sind. In ihren kalifornischen Geburtsurkunden sind Dominique und Sylvie als Eltern eingetragen. Darauf haben sie zuhause kein Recht. In Frankreich wird das Ehepaar nicht als rechtmäßige Eltern der Zwillinge anerkannt - weil Leihmutterschaft hier verboten ist. Grotesk, sagt der Vater. Frankreich produziere "Geisterkinder".
"Geisterkinder der Republik, denn sie existieren hier offiziell nicht, werden von den Standesämtern nicht ins Personenregister aufgenommen. Sobald wir mit den Behörden zu tun haben – bei der Schulanmeldung oder weil man Kindergeld beantragt, heißt es: Unmöglich, das geht nicht. Für die einfachsten Rechte unsere Kinder müssen wir immer wieder endlos kämpfen. In einigen Fällen ist einfach nichts zu machen. Besonders seit die französische Justiz kürzlich mit einem Urteil noch mal bekräftigt hat, das die ausländische Gesetzgebung zur Leihmutterschaft keinerlei Auswirkungen auf französisches Familienrecht haben kann."
Ein juristisches Vakuum entsteht auch beim Sorgerecht: Wem die Kinder zugesprochen werden, wenn sich die vom Staat sogenannten "sozialen" Eltern trennen oder gar sterben, ist bisher nicht geklärt. Und geht es ums Familienerbe, werden die Kinder kurzerhand diskriminiert, weiß Dominique.
"Ein Vater aus unserem Selbsthilfeverein ist vor Kurzem plötzlich verstorben. Seine beiden Kinder können nicht als direkte Angehörige erben, weil kein Notar das Testament beglaubigen will. Deren Berufsverband warnt vor dem Risiko eines Gesetzesverstoßes. Die Kinder werden ihr Erbe also hoch versteuern müssen, wie nichtverwandte Erben. Sie werden einfach um ihre Rechte gebracht."
"Leihmutterschaft bedeutet Frauenausbeutung"
Doch viele Franzosen sind gegen jede Reform der geltenden Gesetzeslage. Allen voran Frankreichs konservative Katholiken. Sie sehen das traditionelle Familienmodell bedroht. Und sie fürchten, dass neue Regeln für die Leihmutterschaft Homosexuellen massenweise zu Kindern verhelfe. Aber auch im politisch linken Spektrum ruft das Thema überzeugte Gegner auf den Plan.
In einem Vereinshaus im 18. Pariser Arrondissement hat sich ein halbes Dutzend Frauen der Feministen-Initiative CORP zu einer kleinen Lagebesprechung eingefunden. Es geht um ihre Teilnahme an einem Pariser Kolloquium über die Gefahren der modernen Reproduktionsmedizin. Die Feministen-Gruppe, der Wissenschaftlerinnen verschiedener Disziplinen angehören, lehnt Leihmutterschaft aus ethischen und moralischen Gründen grundsätzlich ab. Im Interesse der Menschenwürde und besonders der Würde der Frauen, sagt Marie Jauffret, die als Mathematikerin in der Forschung arbeitet.
"Leihmutterschaft bedeutet Frauenausbeutung. Die Frau stellt ihr Intimstes einem Paar oder Single gegen Bezahlung zur Verfügung: ihre Sexualität, das Innere ihres Körper. Es ist ein gesellschaftlicher Rückschritt, eine Form der Barbarei."
Nur mit einer konsequenten Anwendung des geltenden Zivilrechts lasse sich das Verbot der Leihmutterschaft in Frankreich aufrechterhalten, warnen die Pariser Feministinnen. Auch im Fall der "Geisterkinder" müsse der Staat deswegen hart bleiben.
"Es sind keine Geisterkinder. Das ist völlig übertrieben. Sie haben, wenn sie zum Beispiel in den USA geboren sind, keine ernsthaften Schwierigkeiten. Sie können in Frankreich zur Schule zu gehen und werden auch krankenversichert. Aber Frankreich weigert sich, die Existenz der Leihmütter zu unterschlagen und an deren Stelle die sogenannten sozialen Eltern zu setzen. Die Eltern wussten doch genau, was sie tun. Aber sie wollten ihre eigenen Interessen gegen französisches Recht durchsetzen. Jetzt sind sie konfrontiert mit den Grenzen. Und das ist gut so, weil es die Dinge wieder geraderückt. Heilsam auch für die Kinder, die ein Recht auf die Wahrheit haben."
Eine Lockerung der Gesetze werde außerdem das gewinnträchtige Geschäft mit unerfüllten Kinderwünschen auch in Frankreich weiter ankurbeln, argumentiert die Feministin und Professorin für internationales Wirtschaftsrecht, Marie-Ann Frison-Roche.
"Sie sagen: keine Sorge! Wir werden nur Einzelfälle regeln. Aber in Wahrheit sollen Marktregeln eingeführt werden. Denn der Wunsch nach einem Kind um jeden Preis gilt heute als legitim. Also werden fruchtbare Frauen, die Geld brauchen, wie Legehennen eingesetzt, um das Produkt 'Baby' zu liefern: vorzugsweise Jungen, weiße Haut, möglichst blaue Augen. Ideale Produkte für einen sehr rentablen und globalisierten Markt."
Um als Eltern anerkannt zu werden und damit die Rechte ihrer Zwillinge durchzusetzen, haben sich Dominique und Sylvie durch alle Instanzen der französischen Justiz geklagt. Vergeblich. Auch ihre Hoffnung auf die Reformpolitik der sozialistischen Regierung hat sich zerschlagen. Die Massendemonstrationen konservativer Katholiken gegen die Homo-Ehe haben Frankreichs Politiker vorsichtig werden lassen. Heikle bioethische Themen wie künstliche Befruchtung für lesbische Paare und Leihmutterschaft wurden für unbestimmte Zeit auf Eis gelegt. Bleibt den Mennesons die Klage, die sie gegen Frankreich beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingelegt haben. Das Urteil soll noch in diesem Jahr fallen.
"Wir sind überzeugt, dass die Diskriminierung auf Dauer nicht haltbar ist. Deshalb sind wir guter Hoffnung, dass der Europäische Gerichtshof zu unseren Gunsten entscheiden wird."