Kinderwunsch
Darf Mutterschaft verliehen werden?

In Deutschland ist Leihmutterschaft illegal, Paare mit unerfülltem Kinderwunsch lassen sich daher teilweise im Ausland helfen. Kritiker betrachten Leihmutterschaft als Ausbeutung, Befürworter sehen in dem Verbot eine Beschränkung der Selbstbestimmung.

14.07.2024
    Eine Nahaufnahme von Händen, die einen negativen Schwangerschaftstest halten.
    Manche Frauen werden trotz Kinderwunsch nicht schwanger: Ist Leihmutterschaft dann eine vertretbare Alternative? (picture alliance / Zoonar / Natee Meepian)
    Paris Hilton, Cristiano Ronaldo und Nicole Kidman haben nicht nur ihre Prominenz gemeinsam: Sie alle sind mithilfe von Leihmüttern Eltern geworden. Die befruchteten Eizellen sind von Frauen ausgetragen worden, die dafür bezahlt wurden. Das ist in zahlreichen Ländern legal, etwa in den USA, Mexiko, Ukraine, Georgien oder Zypern. In Deutschland hingegen ist Leihmutterschaft durch das Embryonenschutzgesetz (§ 1 Abs. 1 Nr. 7) verboten.
    Hierzulande nutzen manche Paare mit Kinderwunsch, die auf natürlichem Wege oder auch durch künstliche Befruchtung kein Kind zeugen können, die Dienste von Agenturen, die Leihmütter aus dem Ausland vermitteln. Das hat seinen Preis: 40.000 Euro oder mehr kann das kosten. Sollte der Zugang zu Leihmutterschaft erleichtert werden? Was spricht für und was gegen eine Gesetzesänderung in Deutschland?

    Inhalt

    Was spricht für eine Legalisierung der Leihmutterschaft?

    „Leihmutterschaft ist längst Lebensrealität in Deutschland“, sagt Tobias Devooght, Vorstandsmitglied des Vereins zur Förderung der Legalisierung der Leihmutterschaft in Deutschland. Eine Legalisierung in Deutschland böte Paaren die Chance, Leihmutterschaft legal, sicher und in einem ethisch regulierten Rahmen in Anspruch zu nehmen.
    Es sei wichtig, dass Leihmütter und Menschen mit Kinderwunsch auf Augenhöhe miteinander im Kontakt seien, sagt Devooght - das sei aber bei den rechtlichen Regelungen im Ausland nicht per se gegeben. Teils werde dort die Situation der Leihmütter nicht ausreichend gesehen.
    Auch die vorab stattfindende Beratung für Leihmütter und Wunscheltern sei im Ausland teilweise lückenhaft, berichtet Devooght - dabei sei es wichtig, die Erwartungen vorher klar abzustecken und dabei prioritär das Kindeswohl im Blick zu haben.
    Befürworter einer Legalisierung sehen auch in der kommerziellen Form der Leihmutterschaft nicht unbedingt ein Problem: Die Frauen erhielten viel Geld und dadurch auch Möglichkeiten zur Selbstbestimmung. Die Ethnologin Anika König hat mit vielen ukrainischen Leihmüttern gesprochen: „Ich war tatsächlich extrem überrascht, was das für starke Frauen waren“, sagt sie. Ukrainische Leihmütter könnten in den neun Monaten der Schwangerschaft ein Vielfaches von dem verdienen, was sie sonst in anderen Jobs bekämen.
    Umstritten beim Thema Leihmutterschaft ist immer wieder die Frage, ob Leihmütter sich im Verlauf der Schwangerschaft umentscheiden und das Kind behalten dürfen, anstatt es abzugeben. Darüber müsse diskutiert werden, sagt Devooght. Die Erfahrung zeige aber, dass Leihmütter „vom ersten Moment an wissen, dass sie nicht ihr leibliches Kind austragen“. Die Ethnologin Anika König bestätigt diese Perspektive: Leihmütter bauten im Regelfall keine mütterliche Bindung auf, sagt sie.

    Wie argumentieren Gegner der Legalisierung?

    Gegner einer Legalisierung der Leihmutterschaft in Deutschland betonen, dass jeder Kinderwunsch nachvollziehbar sei, die Erfüllung aber nicht zulasten anderer Menschen gehen dürfe. Es sei bei einer Leihmutterschaft nicht möglich, die Rechte aller Beteiligten gleichermaßen zu schützen, sagte Lena Henke vom Verein Terre des Femmes.
    Besonders kritisch sieht Henke Formen der kommerziellen Leihmutterschaft. Die Menschen mit Kinderwunsch seien im Regelfall finanziell gut aufgestellt, Leihmütter zählten hingegen häufig zu besonders verletzlichen Gruppen und seien von Armut und sozialer Ungleichheit betroffen. Das führe zu einem Machtgefälle, in der Kommunikation auf Augenhöhe nicht möglich sei.
    „Mir ist keine Geschichte bekannt, wo die Mathematikprofessorin der Krankenschwester oder der Postbotin ein Kind austrägt“, sagt die evangelische Theologin Petra Bahr. Beide christliche Kirchen stellen sich in Deutschland klar gegen die Leihmutterschaft. Das Recht des Kindes auf Abstammung von bekannten Eltern werde dadurch verletzt, heißt es im römisch-katholischen Katechismus.

    Könnte Leihmutterschaft in Deutschland legal werden?

    SPD, Grüne und FDP hatten in ihrem Koalitionsvertrag 2021 vereinbart, eine Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin einzusetzen. Diese sollte unter anderem Möglichkeiten zur Legalisierung der Eizellspende und der uneigennützigen Leihmutterschaft prüfen. Im April 2024 lagen die Ergebnisse vor.
    Mitglieder der Kommission stehen zusammen mit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, Bundesjustizminister Marco Buschmann und  Bundesfamilienministerin Lisa Paus auf einer Bühne und halten den Bericht in den Händen.
    Die Kommission zur Fortpflanzungsmedizin empfahl die Entkriminalisierung von Abtreibungen, bei der Leihmutterschaft war sie deutlich zögerlicher. (picture alliance/Christian Ditsch)
    Nach Einschätzung der Kommission sollte Leihmutterschaft höchstens sehr vorsichtig legalisiert werden. Ein weiteres Verbot sei nachvollziehbar, sagte die zuständige Sprecherin, die Mainzer Juristin Friederike Wapler, bei der Vorstellung des Berichts. Eine Legalisierung sei aber unter engen rechtlichen Voraussetzungen möglich. Zentral wäre dabei, eine Ausbeutung der Leihmutter zu verhindern.
    Auch die Vermittlung der Leihmütter müsse uneigennützig und daher nicht-kommerziell organisiert werden. Voraussetzung sei, dass Eltern und Leihmutter sich zum Beispiel durch ein familiäres Verhältnis kennen oder eine Vereinbarung träfen, dass eine Beziehung zwischen beiden Parteien noch über die Geburt hinaus bestehe. Zudem sollten Leihmütter eine "angemessene Aufwandsentschädigung" erhalten.

    Wie ist die Gesetzeslage in anderen Ländern?

    Die Mehrzahl der europäischen Länder hat eine ähnliche Gesetzeslage wie Deutschland, in einigen westeuropäischen Ländern ist Leihmutterschaft allerdings erlaubt, wenn sie nicht kommerzieller Natur ist. Die kommerzielle Leihmutterschaft ist in Europa lediglich in Georgien, der Ukraine und Russland legal.
    Die einzelnen Regelungen variieren dabei stark von Land zu Land. So ist in Griechenland beispielsweise die nicht-kommerzielle Leihmutterschaft möglich, sie darf aber nur für verschiedengeschlechtliche Paare oder alleinstehende Frauen übernommen werden, nicht aber für gleichgeschlechtliche Paare oder alleinstehende Männer. Bis zu 10.000 Euro dürfen als Aufwandsentschädigung gezahlt werden.
    In einigen US-Bundesstaaten, insbesondere in Kalifornien, gelten hingegen sehr liberale Gesetze für Leihmutterschaft - die hier auch kommerziell sein darf. Wenn Leihmütter genetisch nicht mit dem Kind verwandt sind, die Eizelle also gespendet wurde, haben sie auch nicht das Recht, es sich anders zu überlegen und das Kind doch zu behalten. Sie können rechtlich gezwungen werden, das Kind nach der Geburt an die Wunscheltern entsprechend der Vereinbarung herauszugeben.
    Die liberale Gesetzgebung in Teilen der USA hat kulturelle und auch religiöse Hintergründe: Viele Leihmütter seien sehr religiös, und häufig stehe der Gedanke im Vordergrund, anderen die Möglichkeit zur Familiengründung zu schenken, sagt die Ethnologin Anika König. Geld sei oft nur zweitrangig. Das sei beispielsweise in der Ukraine ganz anders: Frauen gäben dort an, sich wegen des Geldes als Leihmütter anzubieten.

    pto