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Leikert (CDU) zur Personaldebatte
"Die Partei braucht keinen Showdown"

Es sei nicht besonders konservativ, wie Friedrich Merz dreimal täglich am Stuhl der Kanzlerin zu sägen, sagte Katja Leikert, CDU-Vize-Fraktionsvorsitzende, im Dlf. Sie forderte Respekt vor denjenigen, die in gewählten Positionen seien. Das Wahlergebnis in Thüringen habe wenig mit Berlin zu tun.

Katja Leikert im Gespräch mit Christiane Kaess |
Annegret Kramp-Karrenbauer (l), Bundesvorsitzende der CDU, wartet neben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), auf den Beginn der Klausurtagung des CDU-Bundesvorstands
CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stehen nach der Wahl in Thüringen unter Beschuss von Parteikollegen (picture alliance/Michael Kappeler/dpa)
Christiane Kaess: Die CDU prägte jahrzehntelang das Bild einer stabilen Partei, die sich gerade im Vergleich zu den Sozialdemokraten in den letzten Jahren geradezu wohltuend absetzen konnte. Während in der SPD ein Parteivorsitzender dem oder der nächsten folgte, boten die Christdemokraten ihren Mitgliedern und ihren Wählern ruhiges Fahrwasser. Jetzt aber sprechen Beobachter sogar von einer Revolte gegen die Führung, genauer gegen die Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer und die Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Friedrich Merz, der Kramp-Karrenbauer beim Parteivorsitz bekanntlich unterlag, legte in einem Interview nach der Landtagswahl in Thüringen vor. Als grottenschlecht bezeichnete er das Gesamtbild der Bundesregierung und warf der Bundeskanzlerin mangelnde Führung vor. Der frühere hessische Ministerpräsident Roland Koch schreibt in der Zeitschrift Cicero vom "Versagen politischer Führung" und Tilman Kuban, der Vorsitzende der Jungen Union, und Unions-Fraktionsvize Carsten Linnemann stellen die Führungsfrage mit Blick auf die Parteivorsitzende und die Kanzlerkandidatur.
Katja Leikert ist stellvertretende Vorsitzende der Unions-Fraktion im Bundestag. Daniel Günther sagt ja, das ist eine Debatte von älteren Männern, die ihre Karriereziele nicht erreicht haben und das jetzt in die CDU tragen. Hat er recht?
Katja Leikert: Diese Debatte ist für uns einfach nur schädlich. Das ist für uns eine unsinnige Debatte. Ich wäre froh, wenn die ziemlich schnell beendet wird.
Wahlergebnis habe wenig mit Berlin zu tun
Kaess: Warum ist das unsinnig, wenn Friedrich Merz sagt, so kann es nicht weitergehen?
Leikert: Wenn man sich die Bilanz von 14 Jahren Angela Merkel anguckt, dann ist die durchaus erfolgreich. Ich vertrete uns ja auch im europäischen Ausland kann man ja nicht sagen, aber in der europäischen Nachbarschaft. Da wird wirklich auf unsere Bilanz geschaut, da wird geguckt, was wir machen. Da hat Angela Merkel ein gutes Standing, wenn wir gucken, wie das Land dasteht. Es gibt immer Verbesserungsbedarf, aber ich denke, den kann man auch konstruktiv äußern.
Kaess: Aber, Frau Leikert, auch Sie können ja die katastrophalen Wahlergebnisse der letzten Landtagswahlen nicht vom Tisch wischen.
Leikert: Das ist richtig und ich glaube, da braucht es auch eine besondere Sorgfalt, da noch mal genau hinzugucken. Gerade in Thüringen sehen wir aber – das war ja der Vorwurf, der über das Wochenende kam, dass es sich um ein Votum für Berlin handeln würde. Wenn man sich jetzt anschaut, was beispielsweise die Forschungsgruppe Wahlen herausgefunden hat, dass 62 Prozent der Menschen ganz klar nach Themen im Land entschieden haben und es keine Wechselstimmung gab, weil es auch Bodo Ramelow gelungen ist, ein Stück weit das Image des Linken dort abzustreifen und auch eine Sachpolitik zu machen, die die Menschen dort anerkannt haben, dann hat das wenig mit Berlin zu tun.
GroKo: Gute Sacharbeit gemacht
Kaess: Sie sehen überhaupt keine Schuld, weder bei der Parteivorsitzenden, noch bei der Kanzlerin?
Leikert: Ich bin die letzte, die nicht selbstkritisch sein würde mit der eigenen Arbeit oder mit dem, was wir tun. Ich finde es nur wichtig, dass wir uns auch ein Stück weit mit den Fakten beschäftigen. Wir hatten ja vor kurzem erst eine Studie von Bertelsmann, die auch noch mal sich genau angeschaut hat, was die GroKo in den letzten zwei Jahren gemacht hat. Bertelsmann ist jetzt nicht unbedingt dafür bekannt, dass wir immer da positiv beurteilt würden, aber auch in der Studie wird klar, dass wir in den letzten zwei Jahren eine gute Sacharbeit gemacht haben.
Sie fingen Ihr Statement an mit "Stabilität", dass die CDU dafür stehen würde. Und ich muss sagen, auch mit der SPD zusammen ist das wirklich ein Ausdruck davon, dass wir eine ordentliche Arbeit in Berlin leisten. Gerade im Sommer, wenn man dann auch sieht, wie schnell das jetzt ging mit dem Klimapaket, dann sieht man ja auch, dass wir wirklich zu viel Dynamik fähig sind. Nicht, dass ich sagen würde, auch da noch mal, dass wir da nicht von vornherein hätten schneller sein müssen und schneller vielleicht auch Trends erkennen müssen. Da gibt es immer bestimmt Luft nach oben. Aber es wäre ganz gut, wenn man die Kritik auch in der Sache äußert und dann selbst bessere Vorschläge macht.
"Nicht konservativ, dreimal täglich am Stuhl der Kanzlerin zu sägen"
Kaess: Aber, Frau Leikert, Sie haben ja das Problem, dass genau diese legendäre Stabilität jetzt gewaltig anfängt zu wackeln. Carsten Linnemann, der wie Sie stellvertretender Fraktionsvorsitzender ist, der hat gestern bei uns im Deutschlandfunk gesagt, die CDU habe "verpennt" herauszustellen, wofür die Union steht.
Leikert: Dann muss man es öfter erklären. Wie Friedrich Merz dreimal täglich öffentlich am Stuhl der Kanzlerin zu sägen, das halte ich jetzt persönlich für nicht besonders konservativ. Da kann ich wirklich nur an alle appellieren, sich mit dem zu beschäftigen, was wir in den letzten Jahren auf den Weg gebracht haben: viel für Familien, vom Baukindergeld angefangen, wir haben in der letzten Sitzungswoche das Klimapaket auf den Weg gebracht, viel für Pflegekräfte gemacht, den Pakt für den Rechtsstaat.
Kaess: …, das viel kritisiert wird, dieses Klimapaket. Und wenn ich da mal reingehen darf? Es ist ja auch sehr viel liegen geblieben. Das Thema Grundrente ist im Moment ganz aktuell immer an erster Stelle genannt. Es hakt ja tatsächlich an einigen Ecken und Enden, und warum sollte man das nicht kritisieren.
Leikert: Kritik ist immer absolut notwendig und die muss da geäußert werden, wo sie hingehört, nämlich in die Gremien. Dort besprechen wir das. Es ist nicht so, dass wir nicht reagieren würden. Ich halte es für eine Grundtugend übrigens, dass man darauf reagiert und sich wie gesagt damit beschäftigt. Es ist aber auch eine Grundtugend, sich mit dem zu beschäftigen, was erreicht wurde. Noch mal, ich probiere es noch mal mit dem Hinweis darauf, dass wir beispielsweise im Pakt für den Rechtsstaat 2.000 Richter auf den Weg bringen, 15.000 Bundespolizisten, dass wir aber auch die Handwerksordnung – und da war Carsten Linnemann ja auch stark – geändert haben und wieder die Meisterpflicht für einige Gewerke rückeingeführt haben. Es ist doch richtig, dass Impulse aufgenommen werden, von allen Seiten. So arbeitet die Partei. Wir sind eine Volkspartei. Das ist unsere Stärke. Von daher wäre es gut, wenn wir uns an unserer Stärke orientieren und genau die Kritik, die von allen Seiten kommt, aufnehmen und auch in Politik umsetzen.
Kaess: Die Kritik, Frau Leikert, die ja jetzt massiv ist, wie man das in der Tat bisher von der CDU so noch nicht kannte. Sie haben gerade die Gremien angesprochen. Offenbar schaffen die es ja nicht mehr, diese Unzufriedenheit aufzusaugen.
Leikert: Schauen Sie, wenn man selbst in der Öffentlichkeit Debatten anstößt, die sich rein mit Personalfragen beschäftigen, dann kann man sich daran ewig aufreiben. Dann dringt man auch nicht mehr durch mit dem, was tatsächlich in den Sitzungswochen in Berlin geleistet wird. Vielleicht wäre es gut, wenn sich viele Akteure auch mal damit beschäftigen würden und sich damit auseinandersetzen, was tatsächlich geleistet wird. Vielleicht fehlt es da auch ein Stück weit an Einblicken. Das kann ich schlecht beurteilen.
"Annegret Kramp-Karrenbauer ist die Vorsitzende"
Kaess: Es sind ja durchaus Inhalte genannt worden, auch von Herrn Linnemann gestern im Interview. Aber es gibt auch diese Kritik an einem nüchternen pragmatischen Führungsstil von Annegret Kramp-Karrenbauer und Angela Merkel, und da wünschen sich die Kritiker mehr Leidenschaft. Und dass der derzeitige Stil die Wähler nicht wirklich mitreißt, das ist offensichtlich, oder?
Leikert: Ich möchte daran erinnern, dass wir letztes Jahr einen sehr aufwendigen Prozess hatten, einen sehr guten Prozess hatten, wie wir die Wahl des Vorsitzenden gestaltet haben. Das war ein offenes, transparentes Verfahren. Wir hatten einen großen Parteitag unter großer öffentlicher Beobachtung. Leidenschaftlich war die Rede sicherlich von Annegret Kramp-Karrenbauer. Sie hat den Parteitag damals für sich einnehmen können. Sie ist die Vorsitzende und von daher ist es gut, wenn viele ihre Ideen einbringen - konstruktiv. Es ist wenig hilfreich, wenn wir jetzt täglich die Frage nach dem Vorsitz neu stellen. Das halte ich wirklich für hinderlich.
Kaess: Jetzt kommt allerdings zu diesem Aufruhr in der Partei auch die Orientierungslosigkeit in Fragen der Koalition. Bis vor kurzem konnte sich ja niemand vorstellen, dass man in der CDU mal über Koalitionen mit der Linken nachdenken würde, wie das CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring in Thüringen gemacht hat. Und dann kam gestern noch hinzu, dass der stellvertretende thüringische CDU-Fraktionschef Michael Heim eine Zusammenarbeit mit der AfD und der FDP ins Gespräch gebracht hat. Angesichts dieser Orientierungslosigkeit - wäre tatsächlich nicht ein Machtwort der Führung nötig, beziehungsweise dringt dieses Machtwort vielleicht einfach nicht mehr durch?
Leikert: Ich glaube, da sind wir ja ganz klar orientiert und positioniert. Mike Mohring hat wirklich einen engagierten Wahlkampf geführt. Das ist nicht leicht zurzeit und das wissen wir alle, wenn wir uns die Situation angucken. Die AfD ist sicherlich kein Partner für uns, die Linken sind es auch nicht. Da sind wir viel zu weit entfernt von unseren wirtschaftspolitischen, gesellschaftspolitischen Vorstellungen. Von daher ist die Lage auch dort klar.
Kaess: Sagen Sie uns zum Schluss noch, Frau Leikert, denn die Kritiker sind ja massiv in der Partei. Rechnen Sie damit, dass es auf dem Parteitag Ende November zum Showdown kommen wird?
Leikert: Ich kann es niemandem empfehlen. Laut Satzung wäre das möglich. Ich glaube, die Partei braucht keinen Showdown, sondern einen guten Umgang miteinander und auch Respekt vor denjenigen, die in gewählten Positionen sind.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.