Andreas Reize wird neuer Thomaskantor – eine überraschende Entscheidung?
Für die meisten Journalisten im Raum Leipzig galt Andreas Reize als Außenseiter. Vier Kandidaten hatten sich für die Endrunde im nicht öffentlichen Auswahlverfahren qualifiziert. Zwei der Finalisten haben ihre Wurzeln im Thomanerchor und einer im Dresdner Kreuzchor. Andreas Reize hat die Findungskommission am meisten überzeugt, betont deren Mitglied Skadi Jennicke, die Kulturbürgermeisterin der Stadt Leipzig.
Skadi Jennicke: "Er hat vor allen Dingen eine wirklich hinreißende Gabe, mit den Jungs umzugehen. Er hat ein reichhaltiges probenmethodisches Repertoire, natürlich auch breite musikwissenschaftliche, theologische und interpretatorische Kenntnisse und Erfahrungen, er ist ja sehr breit aufgestellt, in dem was er bisher gemacht hat. Und auch die Zusammenarbeit mit dem Gewandhausorchester absolut souverän – und das im Gesamtpaket hat die Auswahlkommission und vor allen Dingen die Expertinnen und Experten vollends überzeugt."
Skadi Jennicke: "Er hat vor allen Dingen eine wirklich hinreißende Gabe, mit den Jungs umzugehen. Er hat ein reichhaltiges probenmethodisches Repertoire, natürlich auch breite musikwissenschaftliche, theologische und interpretatorische Kenntnisse und Erfahrungen, er ist ja sehr breit aufgestellt, in dem was er bisher gemacht hat. Und auch die Zusammenarbeit mit dem Gewandhausorchester absolut souverän – und das im Gesamtpaket hat die Auswahlkommission und vor allen Dingen die Expertinnen und Experten vollends überzeugt."
Was sagen weitere Mitglieder der Auswahlkommission zu Andreas Reize?
Ein Nichtmusiker und eine Mutter eines Thomaner haben die pädagogischen Qualitäten von Andreas Reize hervorgehoben, wie er beim Probedirigieren mit den jüngeren Thomanern umgegangenen ist. Er habe ein hervorragendes pädagogisches Geschick, diese Knaben zwischen 8 und 13 Jahren zu motivieren. Zudem hat Andreas Reize in Luzern seine Ausbildung als Orchesterdirigent mit Bravour angeschlossen. Er muss schließlich bei den Kantaten- und Oratorienaufführungen in der Thomaskirche das renommierte Gewandhausorchester dirigieren, und da hat er wohl auch eine glänzende Figur gemacht.
Wie unterschied sich das Auswahlverfahren zum dem von vor fünf Jahren?
Diesmal fand das Auswahlverfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Es gab auch keine öffentliche Vorstellung der vier Kandidaten, die aus den 40 Bewerbern für die Endrunde ermittelt wurden. Die Namen der dann Ausgeschiedenen wurden nicht bekannt gegeben, um ihre weitere Karriere nicht zu behindern. Vor fünf Jahren war das anders: Die Kandidaten der Endrunde mussten einen Auftritt mit den Thomanern vor Publikum leiten. Bei den 40 Bewerbern um den Posten des Thomaskantors war auch eine Frau dabei, die aber den Anforderungen nicht genügt habe.
Ist es ein Problem, dass der designierte Thomaskantor Katholik ist?
Wenn der Lutheraner Johann Sebastian Bach unter August dem Starken Hofkapellmeister in Dresden geworden wäre, das hatte Bach angestrebt, dann wäre vorstellbar, dass er auch konvertiert wäre. Immerhin ist Bachs bedeutendstes Werk, die h-Moll-Messe, eine katholische Messe. Traditionell stehen im Fokus des Repertoires des Thomanerchors die Vokalwerke von Johann Sebastian Bach und der Knabenchor singt regelmäßig in der evangelisch-lutherischen Thomaskirche von Leipzig. Andreas Reize ist Katholik. Darauf angesprochen verweist er auf das Repertoire, das er seit 14 Jahren mit seinem Knabenchor in der Schweiz pflegt.
Andreas Reize: "Obwohl wir an einer katholischen Kirche beheimatet sind, an der Kathedrale in Solothurn, Bistum Basel, spielt die evangelische Kirchenmusik bei mir seit Amtsbeginn die große Rolle: Schütz, Schein, Pachelbel, Johann Sebastian Bach und natürlich Kompositionen der musikalisch-Bachischen Familie."
Andreas Reize: "Obwohl wir an einer katholischen Kirche beheimatet sind, an der Kathedrale in Solothurn, Bistum Basel, spielt die evangelische Kirchenmusik bei mir seit Amtsbeginn die große Rolle: Schütz, Schein, Pachelbel, Johann Sebastian Bach und natürlich Kompositionen der musikalisch-Bachischen Familie."
Wie lassen sich moderne Instrumente und historisch-informierte Aufführungspraxis verbinden?
Dass das Gewandhausorchester auf modernen Instrumenten spielt und Reize auch die historisch-informierte Aufführungspraxis beherrscht, kann zu fruchtbaren Ergebnissen führen. Es gibt im Gewandhausorchester etliche Musikerinnen und Musiker, die sehr aktiv sind in der Originalklang-Bewegung. Die freuen sich womöglich auf einen Thomaskantor der an der Schola Cantorum Basiliensis in Basel ausgebildet wurde. Es wird auch allerhöchste Zeit, dass ein historisch-informierter Bach-Interpretationsstil in der Thomaskirche heimisch wird.
Wird sich Andreas Reize als Thomaskantor mit zeitgenössischer Musik befassen?
In Solothurn hat Andreas Reize neue Chormusik mit den Singknaben an St. Ursen aufgeführt und zum Teil auch aufgenommen. Er scheint in Richtung zeitgenössischer Musik offen und hat durchblicken lassen, dass er sich vorstellen kann, Kompositionsaufträge für den Thomanerchor zu vergeben sowie mit Gegenwartskomponisten zusammenzuarbeiten.