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Leipzig
Keine sexistische Werbung mehr im öffentlichen Raum

Die Werbung eines Waffel-Verkaufswagens auf dem Leipziger Stadtfest sorgte bei Kommunalpolitikerinnen für Unmut - sie setzten daraufhin im Stadtrat durch, dass sexistische Werbung auf öffentlichen Werbeanlagen und auf öffentlichen Festen verboten wird. Ein Ortstermin.

Von Bastian Brandau |
    Ein Waffel-Verkaufsstand auf dem Leipziger Stadtfest, der mit Frauen in Bikinis für sein Produkt wirbt.
    Der Auslöser für die Debatte um sexistische Werbung und das Verbot: dieser Waffel-Verkaufswagen (Deutschlandradio/Bastian Brandau)
    Es blinkt und leuchtet auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz am Rande der Leipziger Innenstadt. Einige Buden sind am Freitagnachmittag schon geöffnet, Fahrgeschäfte machen Testfahrten ohne Passagiere. Passanten überqueren den Platz, vorbei an bunt bemalten Buden und Kassenhäusern. Die hat Gesine Märtens genau im Blick. Die Stadträtin der Grünen setzt sich gegen sexistische Werbung ein, auch als Mitglied des Gleichstellungsrats der Stadt. An einem Kassenhäuschen entdeckt Märtens, wie sie sagt, den Klassiker. Elvis, daneben eine blonde Frau im Bikini:
    "Wir haben also eine männliche Ikone, die mitten in der Arbeit ist, auch als Sänger, man sieht das ganz wunderbar, voller Emotionen und Kraft. Und wir haben eine Frau, die ist natürlich die Zuschauerin. Sie ist ganz spärlich bekleidet. Selbst das Bikinioberteil ist ein bisschen knapp geraten. Und sie zeigt sich in einer wartenden und unterwerfenden Position, auch wenn sie nahezu gleich groß ist. Sie hebt nämlich den Arm, entblößt ihre empfindlichen Teile. Und signalisiert damit, dass sie als Bewunderin auf jeden Fall unterlegen ist."
    Alle Parteien außer der AfD waren für das Verbot
    Die Stadt Leipzig hat auf öffentlichen Werbeflächen sexistische Plakat-Werbung untersagt. Nun folgt der nächste Schritt: Das Verbot als sexistisch eingestufter Werbung soll auch auf Veranstaltungen auf öffentliche Plätzen gelten - wie dem Stadtfest. Gestimmt haben dafür im Stadtrat alle Parteien bis auf die AfD. Die Stadt orientiert sich dabei an den Empfehlungen des Deutschen Werberats, also der Werbetreibenden selbst. Danach dürfen, stark vereinfacht, Frauen in Bikinis für Bikinis werben. Werben Frauen leicht bekleidet etwa für Nahrung – oder werden wie die Elvis-Bewunderin nur als schmückendes Beiwerk präsentiert, sei dies sexistisch.
    "So ein Rummelplatz ist ein öffentlicher Raum. Wir gehen dadurch, weil wir durch die Stadt gehen, also es ist anders als zum Beispiel in einem Museum oder in einem geschlossenen Raum, wo ich mich aktiv entscheide, da will ich jetzt hingehen und setze mich dann auch etwas aus. Wir können an dieser Werbung nicht vorbeisehen, auch wenn wir das wollen und auch unsere Kinder können da nicht vorbeisehen. Und Werbung wirkt sehr stark auf unser Denken und unser Fühlen und da werden einfach falsche Vorstellungen von Männern und Frauen vermittelt, und das soll sich ändern."
    Dabei geht es auch auf dem Stadtfest um den Kontext. Wenn an einem Cocktail-Stand Frauen im Bikini ihre Drinks zu sich nehmen, entspreche dies der Realität. Ebenso wie die Frauen in kurzen Kleidern an einem Crêpes-Stand mit Pariser Silhouette. Anders sieht es bei einem Waffel-Stand aus, der direkt an einer großen Straßenkreuzung steht. Dort zu sehen: Zwei Frauen in kurzen Klamotten:
    "Die eine präsentiert eine Waffel, hebt dabei den Arm, sodass man den Arm gut sehen kann, dass der Busen gut zur Geltung kommt und will sie uns so überreichen. Die andere Dame trägt noch den Schneebesen, kommt also gerade noch aus der Küche, lupft aber ihr Hemdchen und legt ihre Hand in den Schritt und guckt so mit so Katzenaugen im Grunde um uns gleich zu Sexualität zu verführen oder sich als Objekt anzubieten."
    - Reporter: "Was halten Sie davon?"
    "Das ist Pornografie und hier völlig fehl am Platz."
    "Man kann es auch übertreiben"
    Der Waffel-Stand war mehrfach Thema in den regionalen Medien. Der Inhaber möchte am Mikrofon keine Stellung beziehen, sagt aber, dass er kein Verständnis für das geplante Verbot der Stadt habe. Ähnlich sieht es Eva-Maria Hofmann, deren Amüsiergeschäft im Stile einer Autowerkstatt direkt gegenüber steht:
    "Ich meine, man kann es auch übertreiben. Alles kann so ausgelegt werden, wie es passt. Also es würde bestimmt keiner eine Frau diskriminieren wollen auf dem Volksfest. Wir sind alles gestandene Schaustellerfrauen, da würden wir schon aufpassen."
    - Reporter: "Und dennoch ist ja die Frage: Warum muss an so einem Fahrgeschäft oder einem Essensgeschäft eine, warum muss da eine halb nackte Frau zu sehen sein? Und nicht wie bei Ihnen jemand, der einen Schraubenschlüssel in der Hand hat oder auch mal ein bisschen dicker ist?"
    "Das ist thematisiert, und ich finde das auch nicht schlimm. Ich habe mir das angeguckt, und ich finde das nicht verwerflich, dass da eine Frau, die da sehr hübsch aussieht, an so einem Geschäft dran ist. Ist doch lecker. Die Waffeln sind lecker, und die Frau ist auch lecker."
    Geteilte Meinungen in der Stadt
    Die Meinung zu dem geplanten Verbot sexistischer Werbung ist dabei in Leipzig unter den Schaustellern in Leipzig ebenso geteilt wie unter den Besuchern.
    - "Also mich stört das sehr, gerade weil ich Kinder habe und da ein Frauenbild vermittelt wird, das ich nicht unterstütze."
    - "Nichts, kann man doch lassen, warum soll man das verbieten? Für was?"
    - "Es besteht kein Zusammenhang zum Essen, es stört mich jetzt nicht, weil ich gucke überhaupt nicht dahin."
    Bis zum Stadtfest im kommenden Jahr wird die Stadt Leipzig aller Voraussicht nach ihre Sondernutzungssatzung verändern, sexistische Werbung wird dann auf Veranstaltungen im öffentlichen Raum verboten sein. Politik und Verwaltung wollen das Gespräch mit den Schaustellern suchen, sagt Grünen-Politikerin Märtens und hofft auf Verständnis für das Anliegen der Stadt. Eine Verweigerung einer Zulassung für einen Stand könne nur das letzte Mittel sein.