"Da haben wir es: 'Danke für diesen guten Morgen.' Der Botho-Lucas-Chor ...": Tausendmal gesungen. Tausendmal gehört. Erinnerungen werden wach. Ans Lagerfeuer in der christlichen Sommerfreizeit. An den Jugendgottesdienst in der westdeutschen Provinz.
Der Smash-Hit des Sakropop hat in seiner Ursprungsform durchaus Schlagerqualitäten. Und erklomm Anfang der 1960er-Jahre genau deshalb sogar die deutschsprachige Hitparade.
"Wenn man die Verkaufszahlen betrachtet, dann war vermutlich 'Danke', der Anfang, der Peak und das Ende der christlichen Popmusik gewesen. Da war es in den Charts, fertig, Ende, aus."
Erklärt Stefan Körner, der das Archiv für populäre Sakralmusik 2012 an der theologischen Fakultät in Leipzig aufgebaut hat. Anfang, Höhepunkt, aus. Danke! Aber eben nur, was die Verkaufszahlen betrifft.
Die Geschichte von "Danke" beginnt 1962 mit einem Preisausschreiben der Evangelischen Akademie in Tutzing.
"Es ging darum, neue Lieder zu finden für die Kirche, für die Jugendlichen, die die Gospels satt hatten und auch den klassischen Choral. Das Echo muss überwältigend gewesen sein. Unzählige Einsendungen, und richtige Hits."
Ursprünge in den USA
In den 60er-Jahren entsteht deutscher Sakropop aus einem Mangel heraus. Die Jugend dürstet nach modernen Liedern, nach einem eigenen Ausdruck und vermutlich auch einfach nach Emotion. Teile der Kirchenführung unterstützen und fördern dies. Der Wettbewerb der Evangelischen Akademie Tutzing ist eine erfolgreiche PR-Aktion. Aber es hagelt auch Kritik.
"Das Echo in der Öffentlichkeit war verheerend. Da war so was wie 'Musik für geistige Gartenzwerge', war da noch harmlos. Bis hin zur 'Negermusik'. Das war von Anfang an extrem umstritten. In der Kirche, aber auch in der Presseöffentlichkeit. Sogar der Einsatz von Jazzmusik und Gospel in der Marktkirche von Halle war dem 'Spiegel' damals eine Meldung wert: ob das sein muss, dass wir die Kirche für alles öffnen."
Gospel-Musik in der Marktkirche von Halle, der Pfarrer erklärt, warum es sich bei der "Negermusik" wirklich um Kirchenmusik handelt. Es ist das älteste dokumentierte Zeugnis in Körners Archiv – auf einem Tonband aus dem Jahr 1956.
Sakropop wurde ursprünglich aus den USA importiert. Auch aus afro-amerikanischen Gemeinden, der sogenannten Black Church, der Schwarzenkirche. Man sang Gospels, Blues, Spirituals. Dann folgte die Eindeutschung und dann kamen die Eigenkompositionen.
In den 70er, 80er-Jahren machen Liedermacher wie Gerhard Schöne im Osten oder Peter Janssens im Westen das "Neue Geistliche Lied" populär, zumindest in christlichen Kreisen. Und Sakropop diversifiziert sich: Von Hardrock bis Dancefloor – kein Genre bleibt ausgespart. Aber auch keine Gelegenheit. Wenn man will, ist Sakropop überall: Im Gotteshaus, auf dem Kirchentag, auf der Stadionbühne, im Club.
Stefan Körner hat inzwischen eine CD neueren Datums eingelegt. "Anticipation" – eine bekennend christliche Hardcore-Metal-Band.
Popkritisch fällt der Großteil durch
Dass Körner als Student der evangelischen Theologie die Chance nutzte, sein ehemaliges Privat-Archiv in diesem Projekt der evangelischen Kirche neu zu strukturieren, liegt auch an seiner eigenen Sozialisation: Als Jugendlicher war er christlicher Punkmusiker.
Heute ist Stefan Körner Anfang 30 und hat sein Vikariat in Thüringen begonnen. Als er erstmals die Archiv-Bestände durchwühlte und das christliche Popmusik-Liedgut aus seiner Kindheit und Jugend wieder durchhörte, schloss sich ein Kreis, erzählt er. Ein bisschen habe er aber auch gelitten.
"Ich muss sagen: Es war nicht immer schön! Es gibt unglaublich viele schlechte Sachen auch im Bereich christlicher Popmusik! Ich habe manchmal das Gefühl, es gibt diesen flächigen Sound, der so einlullend ist. Wahrscheinlich haben christliche Keyboards eine Einstellung für einen wohligen Mischmasch-Sound.
Vieles sei einfach billig, auf den schnellen Effekt hin produziert. Oder einfach: auf Gänsehaut.
"Wo ich mein Fragezeichen dahinter stelle, ist, ob da nicht wirklich auch was inszeniert wird, das, wie soll ich das sagen, wo wenig Tiefe da ist.!"
Popkritisch betrachtet fällt ein großer Teil der populären Sakralmusik also durch. Die Textanalyse hingegen birgt für aufgeklärte Christen manche Überraschung:
Manche Leute denken, es sei eine Sünde zu tanzen, heißt es in "Dance like David" von One Accord, aber David habe schon getanzt, bevor Gott es tat, und deshalb der Appell des Hits: Lasst uns gemeinsam wie David tanzen!
"Das ist Dancefloor, also eigentlich durch und durch hedonistische Partymucke, und dann die Entschuldigung im Text: Ihr dürft Spaß haben! Weniger Pop geht eigentlich gar nicht."