Manfred Götzke: Mit der Inklusion ist es ja so: Die Befürworter, die behaupten stets, dass alle Schüler vom gemeinsamen Unterricht behinderter und nicht behinderter Kinder profitieren, auch die Starken. Die Eltern, die sind da eher skeptisch und schlagen Alarm, wenn zum neuen Schuljahr drei lernschwache und zwei schwer erziehbare Kinder in eine Klasse inkludiert werden. Ja, aber was stimmt denn jetzt so genau? Ein Forschungsteam der Uni Potsdam hat das genauer untersucht in 72 Grundschulklassen, und festgestellt: Inklusion schadet auch den starken Kindern nicht! Nadine Spörer ist Professorin für psychologische Grundschulpädagogik der Uni Potsdam. Frau Spörer, Sie haben herausgefunden, dass Schüler aller Leistungsniveaus von der Inklusion irgendwie profitieren. Wie haben Sie das denn überhaupt gemessen?
Nadine Spörer: Wir haben Schüler der zweiten und dritten Klasse untersucht in ihren Kompetenzen im Lesen und im Rechnen. Das heißt, wir haben die Schüler standardisierte Schulleistungstests durchführen lassen, haben also geschaut, wie gut können sie einfache Texte verstehen, wie gut können sie addieren und subtrahieren? Und dann haben wir das verglichen mit einer sogenannten Altersnorm. Wir haben also geschaut, was sollten Kinder in diesem Alter üblicherweise schon an Kompetenzen beherrschen.
Götzke: Ja, und was kommt dabei heraus, wenn man die vergleicht? Also, die Schüler, die diese Normierung, diese Tests abgeschlossen haben, mit den Inklusionsschülern?
Spörer: Dann kann man zweierlei feststellen: Zum einen sieht man, dass die Leistungsfortschritte, die erzielt werden, im absolut normalen Rahmen liegen. Also, das, was man in einer ganz normalen Grundschulklasse erwarten würde, das zeigt sich hier an Fortschritten auch. Das Zweite, was man sehen kann, ist, dass die Leistungen der von uns befragten und getesteten Kinder insgesamt ein wenig unter dem Durchschnitt liegen. Das führen wir darauf zurück, dass tatsächlich hier in den Klassen eine ganz große Bandbreite an Leistung herrscht, dass es also wirklich echte Inklusionsklassen sind, die eben auch viele Kinder haben, die eher leistungsschwächer sind.
Götzke: Interessant ist ja immer – und das werfen die Eltern den Inklusionsbefürwortern ja sozusagen vor –, dass die leistungsstärkeren Schüler eben nicht profitieren, dass die hinten über fallen, weil man sich als Lehrer dann vielleicht eher auf die leistungsschwachen Schüler konzentriert. Wie haben die sich denn sozusagen geschlagen im Vergleich zu den Regelschülern?
Spörer: Das ist eine Frage, die wir ganz, ganz oft hören, die also auch in Gesprächen mit Eltern ganz oft an uns herangetragen wird. Und hier können wir jetzt nach dem ersten Beobachtungsjahr – wir sind ja noch mittendrin in der wissenschaftlichen Begleitung und wir verfolgen die Kinder auch noch das ganze anstehende Schuljahr –, aber nach dem ersten Projektjahr können wir also ganz klar sagen, dass hier auch die Gruppe der leistungsstärkeren Kinder deutlich Zuwächse hat. Sowohl im Lesen als auch im Rechnen.
Götzke: Inklusion kann ja alles Mögliche bedeuten. Das kann heißen, auf einmal kommen fünf Kinder mit Lernschwächen in eine Klasse, ohne dass sich an der Lehrersituation was ändert. Es kann aber auch heißen, es sind vielleicht ein oder zwei Kinder mit besonderem Förderbedarf in einer Klasse neu dabei, aber dann gibt es auch möglicherweise einen weiteren Pädagogen. Wie muss Inklusion ausgestaltet sein, damit das dann funktioniert und damit das dann vielleicht auch die Ergebnisse zeitigt, die Sie herausgefunden haben in Ihrer Studie?
Spörer: Man kann fast sagen, erstaunlicherweise, dass hier die Kriterien auch gelten, die allgemein für guten Unterricht angenommen werden. Also, dass zum Beispiel tatsächlich der Lehrer ein gutes Gespür hat für die Leistungsstände der Kinder und Aufgaben sozusagen adressatengerecht nutzt, um die Schülerinnen und Schüler zu unterrichten. Das andere ist sicherlich das, was Sie angesprochen haben, das ist die Rolle des Sonderpädagogen. Also, in welchem Ausmaß findet tatsächlich Team-Teaching statt? Und ich denke, hier ist ein ganz wichtiger Punkt, dass die Schulen wirklich auch autark sind und für sich entscheiden können, wie gehen wir mit den Ressourcen um und wo setzen wir in welchen Klassen einen Sonderpädagogen ein? Denn in der Tat ist es so, dass nicht nur von Schule zu Schule der Anteil der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf sehr unterschiedlich ist, sondern sogar von Klasse zu Klasse innerhalb einer Schule.
Götzke: Da ist immer die Frage, reichen die Ressourcen aus. Wie ist das denn in Brandenburg, funktioniert das?
Spörer: Die Daten, die wir zusammen erhoben haben mit dem LISUM, also dem Landesinstitut für Schule und Medien, die zeigen, dass das, was die Schulen im Moment bekommen, im Mittel relativ gut zu ihrer Schülerschaft auch passt.
Götzke: Also, wir haben festgestellt, von der Inklusion profitieren durchaus auch die Leistungsstärkeren. Warum gibt es dennoch immer so große Vorbehalte bei den Eltern vor allen Dingen?
Spörer: Ja, es bestehen eben, solange man nicht genau weiß, was das jetzt inhaltlich eigentlich bedeutet für mein eigenes Kind, für die Schülerinnen und Schüler, einfach viele Ängste. Und hier, denke ich, wird es darauf ankommen, zum einen immer wieder Eltern die Möglichkeit zu geben, auch in inklusiven Unterricht hineinzuschauen, zu sehen, wie das funktioniert, und zum anderen eben über systematische Analysen, so wie wir sie ja dann auch durchführen, versuchen, das Ganze zu objektivieren und tatsächlich eben auch mit Zahlen zu belegen, um ein Stück weit von diesen Ängsten dann auch wegzukommen.
Götzke: Sagt Nadine Spörer, Erziehungswissenschaftlerin der Uni Potsdam. Sie hat herausgefunden, dass starke Schüler bei der Inklusion keineswegs auf der Strecke bleiben. Danke!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Nadine Spörer: Wir haben Schüler der zweiten und dritten Klasse untersucht in ihren Kompetenzen im Lesen und im Rechnen. Das heißt, wir haben die Schüler standardisierte Schulleistungstests durchführen lassen, haben also geschaut, wie gut können sie einfache Texte verstehen, wie gut können sie addieren und subtrahieren? Und dann haben wir das verglichen mit einer sogenannten Altersnorm. Wir haben also geschaut, was sollten Kinder in diesem Alter üblicherweise schon an Kompetenzen beherrschen.
Götzke: Ja, und was kommt dabei heraus, wenn man die vergleicht? Also, die Schüler, die diese Normierung, diese Tests abgeschlossen haben, mit den Inklusionsschülern?
Spörer: Dann kann man zweierlei feststellen: Zum einen sieht man, dass die Leistungsfortschritte, die erzielt werden, im absolut normalen Rahmen liegen. Also, das, was man in einer ganz normalen Grundschulklasse erwarten würde, das zeigt sich hier an Fortschritten auch. Das Zweite, was man sehen kann, ist, dass die Leistungen der von uns befragten und getesteten Kinder insgesamt ein wenig unter dem Durchschnitt liegen. Das führen wir darauf zurück, dass tatsächlich hier in den Klassen eine ganz große Bandbreite an Leistung herrscht, dass es also wirklich echte Inklusionsklassen sind, die eben auch viele Kinder haben, die eher leistungsschwächer sind.
Götzke: Interessant ist ja immer – und das werfen die Eltern den Inklusionsbefürwortern ja sozusagen vor –, dass die leistungsstärkeren Schüler eben nicht profitieren, dass die hinten über fallen, weil man sich als Lehrer dann vielleicht eher auf die leistungsschwachen Schüler konzentriert. Wie haben die sich denn sozusagen geschlagen im Vergleich zu den Regelschülern?
Spörer: Das ist eine Frage, die wir ganz, ganz oft hören, die also auch in Gesprächen mit Eltern ganz oft an uns herangetragen wird. Und hier können wir jetzt nach dem ersten Beobachtungsjahr – wir sind ja noch mittendrin in der wissenschaftlichen Begleitung und wir verfolgen die Kinder auch noch das ganze anstehende Schuljahr –, aber nach dem ersten Projektjahr können wir also ganz klar sagen, dass hier auch die Gruppe der leistungsstärkeren Kinder deutlich Zuwächse hat. Sowohl im Lesen als auch im Rechnen.
Götzke: Inklusion kann ja alles Mögliche bedeuten. Das kann heißen, auf einmal kommen fünf Kinder mit Lernschwächen in eine Klasse, ohne dass sich an der Lehrersituation was ändert. Es kann aber auch heißen, es sind vielleicht ein oder zwei Kinder mit besonderem Förderbedarf in einer Klasse neu dabei, aber dann gibt es auch möglicherweise einen weiteren Pädagogen. Wie muss Inklusion ausgestaltet sein, damit das dann funktioniert und damit das dann vielleicht auch die Ergebnisse zeitigt, die Sie herausgefunden haben in Ihrer Studie?
Spörer: Man kann fast sagen, erstaunlicherweise, dass hier die Kriterien auch gelten, die allgemein für guten Unterricht angenommen werden. Also, dass zum Beispiel tatsächlich der Lehrer ein gutes Gespür hat für die Leistungsstände der Kinder und Aufgaben sozusagen adressatengerecht nutzt, um die Schülerinnen und Schüler zu unterrichten. Das andere ist sicherlich das, was Sie angesprochen haben, das ist die Rolle des Sonderpädagogen. Also, in welchem Ausmaß findet tatsächlich Team-Teaching statt? Und ich denke, hier ist ein ganz wichtiger Punkt, dass die Schulen wirklich auch autark sind und für sich entscheiden können, wie gehen wir mit den Ressourcen um und wo setzen wir in welchen Klassen einen Sonderpädagogen ein? Denn in der Tat ist es so, dass nicht nur von Schule zu Schule der Anteil der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf sehr unterschiedlich ist, sondern sogar von Klasse zu Klasse innerhalb einer Schule.
Götzke: Da ist immer die Frage, reichen die Ressourcen aus. Wie ist das denn in Brandenburg, funktioniert das?
Spörer: Die Daten, die wir zusammen erhoben haben mit dem LISUM, also dem Landesinstitut für Schule und Medien, die zeigen, dass das, was die Schulen im Moment bekommen, im Mittel relativ gut zu ihrer Schülerschaft auch passt.
Götzke: Also, wir haben festgestellt, von der Inklusion profitieren durchaus auch die Leistungsstärkeren. Warum gibt es dennoch immer so große Vorbehalte bei den Eltern vor allen Dingen?
Spörer: Ja, es bestehen eben, solange man nicht genau weiß, was das jetzt inhaltlich eigentlich bedeutet für mein eigenes Kind, für die Schülerinnen und Schüler, einfach viele Ängste. Und hier, denke ich, wird es darauf ankommen, zum einen immer wieder Eltern die Möglichkeit zu geben, auch in inklusiven Unterricht hineinzuschauen, zu sehen, wie das funktioniert, und zum anderen eben über systematische Analysen, so wie wir sie ja dann auch durchführen, versuchen, das Ganze zu objektivieren und tatsächlich eben auch mit Zahlen zu belegen, um ein Stück weit von diesen Ängsten dann auch wegzukommen.
Götzke: Sagt Nadine Spörer, Erziehungswissenschaftlerin der Uni Potsdam. Sie hat herausgefunden, dass starke Schüler bei der Inklusion keineswegs auf der Strecke bleiben. Danke!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.