Mit der Reform nähere sich der deutsche Sport weiteren Elementen des DDR-Sports an, erklärt Professor Arne Güllich. Der DOSB wolle zentralistisch und von oben die Geschicke leiten, Grundschüler sollten flächendeckend auf ihre sportlichen Fähigkeiten getestet werden und Verbände müssten Rahmen-Trainingspläne vorlegen und bewerten lassen. Dabei entwickle sich das Sportsystem seit zwanzig Jahren in die DDR-Richtung und habe in dieser Zeit fortlaufend weniger Erfolge hervorgebracht. Stattdessen plädiert Güllich dafür, den einzelnen Verbänden mehr Verantwortung zu übertragen und sie ihr Budget freier einsetzen zu lassen. Außerdem vermisst Güllich ein Konzept im Kampf gegen das Doping. Moralische Apelle nützten da nichts.
Das neue Konzept sieht der Sportwissenschaftler als Eingeständnis der Wirkungslosigkeit des eigenen Systems. Denn erflolglose Sportarten hätte man ansonsten doch über Förderung und einen mittelfristigen Plan zum Erfolg verhelfen können. Stattdessen bekämen auch weiter nur die erfolgreichen Sportarten stärkere Förderung.
Insgesamt ist Güllich enttäuscht von der Reform. Es gebe kaum Neues. Und wenn, dann bleibe es unklar. Denn in fünf großen Bereichen werde noch abgewartet, weil noch Studien liefen. Außerdem sind die Attribute, die zukünftig bestimmen sollen, wie hoch das Potential einer Disziplin ist, noch nicht öffentlich. Nicht einmal die Abgeordneten im Bundestags-Sportausschuss habgen diese Information erhalten. Für Güllich ist das aber das Herzstück der Reform, die somit eine "Black Box" bleibe. An eine echte Reform des Spitzensports glaubt er ohnehin nicht. Dehnn dazu müssten sich "die Betreiber des Systems selbst reformieren". Ohne massiven finanziellen Druck werde das nicht funtionieren.
Die wichtigsten Punkte in der Diskussion zur Leistungssportreform:
Wechsel der Blickrichtung
Statt erreichte Medaillen zu honorieren soll das Potential für zukünftige Medaillen die Förderung bestimmen.
Strukturabbau
DOSB und Innenministerium suchen nach Einsparmöglichkeiten. Dazu gehören zum Beispiel die Sportstätten. Von den gut 200 Bundesstützpunkten sollen etwa 40 abgeschafft werden. Von 19 Olympiastützpunkten bleiben 13.
Spezifischere Bewertung
Anstatt ganze Verbände einzuschätzen, sollen die Medaillenchancen der Sportler in jeder einzelnen Disziplin abgeschätzt werden.
Neues Analysesystem
Das neu geschaffene Potenzialanalysesystem "PotAS" soll berechnen, in welcher Disziplin deutsche Sportler Medaillen holen könnten. Die Daten dafür soll eine Kommission liefern, die sich unter anderem aus Mitgliedern des Sports und der Wissenschaft zusammensetzt.
Neue Analysekriterien
Bisher wissen nicht einmal die Mitglieder des Bundestags-Sportausschusses, nach welchen Kriterien PotAS die Medaillenchancen für Disziplinen und einzelne Sportler einschätzen soll. Klar ist nur, dass es 20 Attribute und 59 Unterattribute dafür vorgesehen sind. Dazu sollen klar definierte Kriterien wie die Anzahl der Finalplätze bei Olympischen Spielen zählen. Aber auch schwer einschätzbare Kriterien, wie das Entwicklungspotential.
Entscheidung in zwei Stufen
Auf Basis der PotAS-Einschätzung diskutieren der DOSB, das Innenministerium, Verbände und weitere Experten. Sie schlagen die konkrete Förderung vor. DOSB, Innenministerium und teilweise Bundesländer legen die Mittel dafür fest.
Neue Klasseneneinteilung
Disziplinen mit hohem Medaillenpotential werden künftig sehr stark gefördert.
Etwas geringere Medaillenaussichten führen zu weniger Förderung
Disziplinen mit geringen Medaillenchancen für deutsche Sportler bekommen kaum noch Geld vom Staat.
Etwas geringere Medaillenaussichten führen zu weniger Förderung
Disziplinen mit geringen Medaillenchancen für deutsche Sportler bekommen kaum noch Geld vom Staat.
Neue Kader
Im Olympiakader sind nur noch Sportler, die bei den nächsten Olympischen Spielen eine Medaille holen könnten. Der Perspektivkader bekommt vier Jahre mehr Zeit. Im Nachwuchskader sind junge Sportler, die in die beiden erstgenannten Kategorien hineinwachsen sollen.