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Leistungssteigerung durch HIF-Stabilisatoren
EPO-Doping 2.0

In der Öffentlichkeit ist Erythropoetin als Blutdopingmittel bekannt. Ersetzt wird Epo mittlerweile oft von HIF-Stabilisatoren, die schwerer nachweisbar sind und eine bessere Wirkung haben. Auch bei Dopern der Operation Aderlass soll laut Aussage eines Verurteilten ein HIF-Stabilisator verwendet worden.

Von Heinz Peter Kreuzer |
Das undatierte, von Europol herausgegebene Foto zeigt beschlagnahmte Dopingmittel an einem unbekannten Ort in Frankreich.
Das undatierte, von Europol herausgegebene Foto zeigt beschlagnahmte Dopingmittel an einem unbekannten Ort in Frankreich. (dpa-Bildfunk / OCLAESP / Europol)
Für einen Patienten, der unter Blutarmut leidet, gelten sogenannte HIF-Stabilisatoren als vielversprechendes Medikament der Zukunft. Pharmafirmen wollen damit Alternativen für die bisherige Therapie einer solchen Anämie entwickeln. Bisher wurde den Patienten ein Medikament verabreicht, dass Erythropoietin (EPO) im Körper vermehrt produzieren lässt.
Das wiederum verbessert, kurz gesagt, den Sauerstofftransport im Blut. Das ist ein ähnlicher Weg, wie der im Ausdauersport als EPO-Doping bekannte. Schließlich kann ein verbeserter Sauerstofftransport auch die Leistungsfähigkeit erhöhen. In Zukunft könnten die HIF-Stabilisatoren vieles in der Therapie erleichtern, erklärt der Leiter des Kölner Dopingkontroll-Labors, Mario Thevis:
"Der Vorteil gegenüber Erythropoetingaben ist, dass diese Substanzen in Tablettenform verfügbar sind, wohingegen Epo-ähnliche Präparate per Nadel verabreicht werden müssen. Das ist für den Patienten sicherlich einfacher auch ohne Aufsicht durchzuführen."
Dopinganalytiker Mario Thevis steht im Kölner Dopinglabor neben der Maschine, mit der er die Proben überprüft.
Dopinganalytiker Mario Thevis in seinem Labor. (Deutschlandradio - Astrid Rawohl)
Bedeutet aber auch: Nicht nur für Patienten, auch für Sportbetrüger wird es einfacher. In der derzeit spektakulärsten Dopingaffäre, bekannt als "Operation Aderlass", spielen auch diese HIF-Stabilisatoren eine Rolle. Der mittlerweile wegen Dopings strafrechtlich verurteilte österreichische Skilangläufer Max Hauke ist überzeugt: Ohne die Polizei wäre sein Doping nie aufgeflogen.
Bei einem Symposium in Tokio plauderte er aus dem Nähkästchen, wie die Dopingfahnder ausgetrickst wurden. So seien zum Beispiel Mikrodosierungen gängige Praxis, also die Verabreichung von Dopingmitteln in kleinsten Mengen. Aber eben auch HIF-Stabilisatoren, wurden verwendet. Mario Thevis erläutert:
"HIF-Stabilisatoren sind laut Aussage beteiligter Personen im Umfeld der "Operation Aderlass" auch zum Einsatz gekommen. Man hat ja nachweislich mit Bluttransfusionen manipuliert und HIF-Stabilisatoren sind mutmaßlicherweise in dem Zusammenhang eingesetzt worden, um das Blutbild so anzupassen, dass die Bluttransfusionen als solche zunächst nicht auffallen."
Schwieriger Nachweis
Denn die Stabilisatoren sorgen dafür, dass der Nachweis verbotener Bluttransfusionen noch schwieriger wird als er ohnehin schon ist. Diese können relativ kompliziert dadurch nachgewiesen werden, dass im biologischen Pass bestimmte Parameter Veränderungen aufweisen, wenn es verbotene Transfusionen gegeben hat. Wer noch HIF-Stabilisatoren nimmt, kann diese Veränderungen korrigieren.
Wissenschaftlich ist die Nützlichkeit bereits nachgewiesen und preisgekrönt. Zwei US-Forscher und ein Brite bekamen 2019 den Medizin-Nobelpreis. Die Wissenschaftler fanden den Schalter, der im Körper den Sauerstoffbedarf reguliert. HIF-1-alpha heißt das Molekül, ohne das im Körper nichts läuft. Bei Herzinfarkt, Schlaganfall oder Blutarmut ist dies ein Segen. Der Pharmakologe und frühere Vorstandsvorsitzende der Berliner Charité, Detlev Ganten, im ARD-Fernsehen:
"Also es wurde ein Gen entdeckt, das den Sauerstofftransport reguliert, das sogenannte Erythropoetingen. Und die Regelung dieses Erythropoetingens in der Zelle und eine Aktivierung dieses Gens führt zu mehr Blutgefäßbildung. Das führt zu mehr roten Blutkörperchen, die den Sauerstoff an alle Organe, an alle Zellen transportieren."
Arbeit an weiteren Nachweismöglichkeiten
Viele Pharma-Unternehmen wollen einen solchen Hilfs-Stabilisator auf den Markt bringen. Bisher hat nur ein Stabilisator im August vergangenen Jahres eine Zulassung in China erhalten. Die anderen Substanzen stecken noch in der klinischen Phase. Ein Vorteil für Doper ist der schwierige Nachweis.
Seit 2009 wird im Kölner Zentrum für Präventive Dopingforschung an einem Nachweisverfahren geforscht, seit 2011 existiert es. 2015 und 2017 gab es drei erste positive Fälle. Es handelt sich dabei um einen Geher und zwei Radsportler. Die Athleten wurden von unterschiedlichen Anti-Doping-Labors überführt, je einer in Paris, Köln und Montreal. Nachweismethoden sind vorhanden, aber Thevis schränkt ein.
"Allerdings gibt es eine zahllose Vielfalt an ähnlichen Strukturen, an HIF-Stabilisatoren in der Patent-Literatur in der wissenschaftlichen Literatur, die ähnliche Auswirkungen auf den Organismus haben, die aber nicht grundsätzlich und vollumfänglich in den Testprogrammen abgebildet sind, sodass hier die Wahrscheinlichkeit, damit erwischt zu werden, zunächst einmal vergleichsweise gering ist."
Deshalb wird derzeit mit Hilfe der Pharma-Unternehmen daran gearbeitet, das Spektrum der Nachweismöglichkeiten zu erweitern.