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Leitzins verharrt auf Rekordtief

Die Zinsen bleiben niedrig, in den USA, aber auch in der Eurozone. Die EZB belässt den Leitzins auf seinem historischen Tief von 0,5 Prozent. Die Zentralbanker um Mario Draghi bleiben im Krisenmodus – und daran wird sich wohl so schnell auch nichts ändern

Von Michael Braun | 01.08.2013
    Niemand hat heute mit sinkenden Zinsen gerechnet, mit steigenden sowieso nicht. Hatte doch der Präsident der Europäischen Zentralbank mit der Politik der EZB gebrochen, sich alle Türen offen zu halten und vor vier Wochen gesagt, die Zinsen blieben für einen längeren Zeitraum auf dem aktuellen Niveau - oder darunter. Das hat er heute wiederholt. Und nun wollen Journalisten und Märkte wissen, wie lange ein längerer Zeitraum ist. Mario Draghi ließ sich nicht konkret festnageln, ließ aber den Eindruck zu, die EZB stehe erst am Anfang der neuen Politik längerfristiger Festlegungen.

    "Sehen Sie, wenn wir das jeden Monat wiederholen, dass die Zinsen für einen längeren Zeitraum niedrig bleiben, könnten Sie auf die Idee kommen, wir hätten uns nicht für einen längeren Zeitraum festgelegt, sondern nur für einen Monat. Aber das will der Rat gerade nicht."

    Also: Auch wenn er nichts sagt, bleiben die Zinsen unten, wie es jetzt aussieht, wohl bis weit ins Jahr 2014 hinein. Jedenfalls sagte Draghi, Frühindikatoren zeigten, von niedrigem Niveau ausgehend, eine bessere wirtschaftliche Lage in diesem Jahr und auch im Jahr 2014 an. Dennoch bleibe es bei der Perspektive niedriger Zinsen. Denn die Inflationserwartungen seien fest am Ziel von unter zwei Prozent verankert, die Geldmenge wachse moderat, die Kreditvergabe sinke, im Mai um 2,1 Prozent, im Juni um 2,3 Prozent. Damit lieferte Draghi zugleich die Kriterien, die die Märkte für ein mögliches Ende der Niedrigzinspolitik anschauen müssen: Inflationserwartung, Geldmenge, Kreditfluss.

    Noch deute das alles auf niedrige Zinsen hin. Dass die EZB so spricht, hat damit zu tun, dass sie auch dann die Zinsen drücken will, wenn sie die Leitzinsen nicht senkt. Michael Schubert, der geldpolitische Analyst der Commerzbank, erklärt diesen Kniff mit der Ausgangslage,

    "dass halt das allgemeine Zinsniveau, das Leitzinsniveaus, sehr nahe an Null steht. Und wenn man jetzt sozusagen die Leitzinsen noch weiter drücken will, dann kann man gar nicht viel mehr machen. Man kann aber sagen: Die Leitzinsen werden auch in vielen Quartalen, über einen längeren Zeitraum so niedrig bleiben. Und dann drücken Sie sozusagen nicht nur die Geldmarktzinsen, die kurzfristigen Zinsen, sondern auch die langfristigen Zinsen. Und das ist damit beabsichtigt."

    Draghi sagte, die EZB-Politik habe sich bewährt. Zumindest ein Teil der europäischen Problemländer – Portugal, Spanien, Irland – habe die niedrigen Zinsen genutzt und Reformen vorangebracht. Italien erwähnte Draghi nicht, weil er sich zu seinem Heimatland grundsätzlich nicht äußere.

    Die EZB will ihre Politik weiter erklären und durchschaubar machen. Dazu will sie auch die bisher geheimen Sitzungsprotokolle des EZB-Rates veröffentlichen. Das sei nicht einfach so zu beschließen, denn es gelte, auf die persönliche Unabhängigkeit jedes Ratsmitgliedes Rücksicht zu nehmen, sagte Draghi:

    "Darin liegt die Herausforderung: Presse und Märkte mit einer tieferen und reicheren Information zu versorgen, ohne die persönliche Unabhängigkeit der Ratsmitglieder zu gefährden, ohne die Debatten im Rat zu politisieren. Das wäre ein großer Verlust."

    Kritiker befürchten, Ratsmitglieder könnten unter Druck von Politik und Lobbygruppen geraten, wenn ihr Abstimmungsverhalten offengelegt werde. Im Herbst werde das EZB-Direktorium ein Vorschlag vorstellen.