Heute hat der Rat der Europäischen Zentralbank nicht gehandelt. Aber das könnte sich schon bald ändern, sagte Mario Draghi nach der Sitzung. Der EZB-Rat fühle sich wohl damit, beim nächsten Mal zu handeln:
"The ECB Governing Council is comfortable with acting next time."
Wie ein solcher Schritt dann ausfallen werde, das sagte Draghi nicht, ob also eine weitere Senkung des ohnehin schon rekordniedrigen Leitzinses auf unter 0,25 Prozent in Frage kommt. Bereit ist die Notenbank offenbar für vieles:
"Der EZB-Rat ist einstimmig und uneingeschränkt bereit, im Kampf gegen eine zu lange Phase niedriger Inflation auch unkonventionelle Instrumente einzusetzen."
Das könnten auch Käufe von Staats- oder Unternehmensanleihen sein. So meint Ulf Krauss, Volkswirt der Helaba, der Landesbank Hessen-Thüringen:
"Gleichwohl ist natürlich immer wieder: Die Optionen, die sie auch schon früher vorgestellt hat, die schweben weiter im Raum und daran wird sie festhalten, bis sich die Lage, gerade auf der Inflationsseite, völlig bereinigt hat."
EZB-Rat sorge sich wegen der niedrigen Preissteigerung
Die Inflationsrate war zuletzt zwar leicht auf 0,7 Prozent gestiegen. Niedrig sei sie vor allem wegen der Energie- und Nahrungsmittelpreise. Aber der EZB-Rat sorge sich wegen der lange anhaltenden niedrigen Preissteigerung, sagte Draghi:
"Es gibt einen Konsens, dass wir nicht resignieren und das als naturgegebene Tatsache hinnehmen. Das führt dazu, dass wir bereit sind zu handeln, aber eben erst, wenn wir die Projektionen der EZB-Volkswirte Anfang Juni gesehen haben."
Starker Euro verschärft die Inflation
Und die Inflation werde erst im kommenden Jahr langsam steigen, prophezeit die Notenbank, um dann 2016 wieder 2 Prozent zu erreichen. Der starke Euro mache die Lage noch schwieriger, sagte der EZB-Präsident:
"Die Stärke des Euro im Zusammenhang mit der niedrigen Inflation und einer noch schwachen Wirtschaft ist ein Grund zu ernsthafter Sorge für den EZB-Rat."
Ob es da ein Niveau gebe, an dem die EZB einschreiten müsse, diese Frage wollte Draghi nicht beantworten. Marktexperte Chris Zwermann von Zwermann Financial glaubt aber nicht an spektakuläre Aktionen:
"Ich glaube nicht, dass die Europäische Zentralbank früher oder später dann zu direkten Interventionen greifen wird, d.h. also um den Euro dann direkt zu verkaufen am Markt, das glaube ich nicht, dass sie das jemals tun wird."
Stärke des Euro hemmt die Wirtschaft
Klar machte Draghi aber auch eines: Einmischung von außen lässt die Notenbank nicht zu. In den vergangenen Wochen hatte vor allem die französische Regierung gefordert, die EZB möge ihre Geldpolitik lockern, denn die Stärke des Euro sei ein Hemmschuh für die Wirtschaft. Man sei dankbar für Ratschläge, meinte Mario Draghi leicht ironisch, gab aber zu bedenken:
"Durch den Vertrag sind wir unabhängig. Aber man sollte sich einer Sache bewusst sein. Wenn das als Bedrohung unserer Unabhängigkeit aufgefasst würde, könnte das unsere Glaubwürdigkeit nachhaltig untergraben."