Noch wird gearbeitet in der Galerie c/o Berlin. In manchen Räumen stehen noch die großen Transportkisten mit der Aufschrift "Salgado – Genesis". Die Mitarbeiter des Aufbau-Teams messen Abstände und bohren Löcher in mattrote, violette und taubenblaue Wände. Mittendrin eine kleine Frau ganz in Schwarz, dunkle Haare, wache Augen. Lélia Salgado ist nicht nur der Mastermind hinter dieser Ausstellung. Sie gab auch den Anstoß für das Genesis-Projekt, als ihr Mann mit seiner Arbeit einen toten Punkt erreicht hatte.
"Er war an so vielen Krisenherden, im Kongo, in Ruanda, wo Tausende Menschen ermordet wurden. Er war sehr unglücklich und konnte nicht mehr fotografieren."
Zu diesem Zeitpunkt übernahm das Paar die Farm von Salgados Vater in Brasilien.
"Als wir die Farm übernahmen, wussten wir nicht, was wir tun sollten. Das Land war unbrauchbar, völlig ausgetrocknet. Und da habe ich gesagt: Okay, wir werden den Wald wieder anpflanzen, der hier früher war. Also haben wir angefangen. Und wir bekamen ein neues Gefühl für das Leben. Und dadurch kamen wir auf die Idee für ein neues Fotoprojekt: Den unberührten Planeten zu zeigen, wie er war, bevor die Menschen ihn verändert haben."
Acht Jahre lang reiste Salgado zu den entlegensten Orten der Erde
Die Arbeit an "Genesis" hat Salgado einen neuen Blick auf die Welt eröffnet – weg vom menschlichen Leid und dem Elend des Krieges, hin zur Schönheit. Acht Jahre lang reiste er zu den entlegensten Orten der Erde, lebte bei indigenen Völkern in der afrikanischen Savanne und zog mit Rentierjägern über die Eiswüsten am Polarkreis. Oft war Lélia mit von der Partie. In der Ausstellung bleibt sie vor dem Bild einer Riesenschildkröte stehen und erinnert sich an die Begegnung mit dem Tier.
"Diese Schildkröte ist riesig. Und sie war ebenso neugierig auf mich wie ich auf sie. Sie nimmt sich Zeit zu leben, anders als die Menschen. Von dieser Schildkröte habe ich viel über das Leben gelernt."
Besonders beeindruckend: die Aufnahmen unberührter Landschaften in dem für Salgado typischen kontrastreichen Schwarz-Weiß, die er mit maximaler, ja biblischer Wirkung in Szene setzt. Bricht ein Lichtstrahl durch die aufgetürmten Wolken über einer Gebirgskette, scheint der Finger Gottes letzte Hand anzulegen. Tausende Fotos hat Lélia Salgado gesichtet, nur ein Bruchteil hat es in die Ausstellung geschafft.
Die Bilder treffen den Betrachter mit monumentaler Wucht
"Es sind wirklich viele Bilder, es sind Tausende. Immer wenn Sebastião von seiner Reportagereise zurück kam, haben wir eine erste, zweite und dritte Auswahl getroffen, große Abzüge davon gemacht und sie beiseite gelegt. Als er nach acht Jahren fertig war, habe ich dann aus all diesen Bildern eine Geschichte erzählt."
Dicht an dicht gehängt, erschlagen die Bilder den Besucher fast mit ihrer monumentalen Wucht. Das sei zwar viel Information für den Betrachter, sagt Lélia, aber das habe sie bewusst so entschieden. Schließlich wäre es eine Schande, würde sie nicht so viel wie möglich von den Arbeiten ihres Mannes zeigen. Sein Name steht in großen Lettern auf dem Ausstellungsplakat. Und ganz klein darunter der ihre, als Kuratorin. Ist sie es manchmal leid, im Schatten ihres Mannes zu stehen?
"Nein, überhaupt nicht, denn es sind ja nicht meine Bilder. Ich helfe überall mit, zum Beispiel die Orte zu finden, ich gehe mit auf Reisen, aber die Bilder macht der Fotograf. Für mich ist das kein Problem. Ich will gar nicht sichtbar sein – nur glücklich."
Dem Meister selbst ist jeder Personenkult suspekt. Eine Arbeit wie "Genesis" realisiere niemand im Alleingang, sagt Salgado bei der Ausstellungseröffnung. Das Fotografieren sei im Grunde der geringste Teil des gesamten Projekts.
"Das Fotografieren hat nur etwa ein Prozent der Arbeit ausgemacht, die nötig war, um die Ausstellung auf die Beine zu stellen. Und da steht nur mein Name. Wir leben in einer Gesellschaft, die immer eine Person zum Helden oder Guru machen will. In Wahrheit brauchte es ein ganzes Team, um diese Bilder zu machen. Ich bin nur die Spitze des Eisber