Kulturminister Vladimir Medinski ist schuld. Er möchte aus dem Mausoleum ein Museum machen und hohe Eintrittspreise nehmen. Geldverdienen mit Lenin. Der Erhalt des Leichnams kostet mehr als eine Million Euro im Jahr. In Umfragen sprach sich erstmals eine Mehrheit der Russen dafür aus, den Revolutionsführer der Erde zu übergeben. Kulturminister Medinski wusste also, dass er den Nerv der Mehrheit treffen würde.
"Es ist unmenschlich. Wir sind nicht Nordkorea und auch nicht das alte Ägypten. Und die Ägypter haben damals aus den Mumien der Pharaonen keine Touristenattraktionen gemacht. Es ist unverständlich, weshalb wir mit staatlichen Geldern die Ikone einer überholten Ideologie finanzieren."
Die russische Gesellschaft hat sich nie der eigenen Vergangenheit gestellt.
Lenin wurde in 74 Jahren Sowjetunion zur Ikone gemacht. Lenin war unfehlbares Genie und ist auch heute noch allgegenwärtig. Lenin-Denkmäler stehen in fast jeder Stadt, Straßen sind nach Lenin benannt und Plätze, Mosaike mit Lenins Konterfei sind an vielen Orten zu sehen. Die Hungersnöte nach der Revolution, Säuberungsmaßnahmen und die Einmärsche in Nachbarländer spielen keine Rolle.
Eine Diskussion im russischen Fernsehen. Es geht um die Beerdigung Lenins. Juri Piwowarow von der Russischen Akademie der Wissenschaften:
"Der Rote Platz ist kein Museum. Er ist das symbolische Zentrum Russlands. Und im Zentrum dieses Zentrums liegt ein Mensch."
Genau solche Sätze regen die Kommunisten auf. Valeri Raschkin ist Duma-Abgeordneter der KP.
"Es wird eine Zeit geben, da die Wissenschaftler Lenin, Stalin und die Zeit der Sowjetunion als eine der besten Phasen menschlichen Zusammenlebens bezeichnen werden. Heute frisst das Kapital nicht nur unsere Kindheit, das erbarmungslose Kapital frisst auch unsere Perspektiven."
Zuviel war dann auch die Forderung eines Historikers, die Schriften Lenins auf Extremismus zu überprüfen. Von Hexenjagd war die Rede. Besonders die Kommunistische Partei protestierte, immerhin die zweitstärkste politische Kraft in Russland.
Auch auf dem Roten Platz ist vieles, wie früher. An der Kremlmauer steht eine lange Schlange. Besuchszeit bei Lenin. Taschen und jede Art von Aufnahmegerät oder gar Kameras muss man abgeben. Dann geht es durch einen Metalldetektor, die Kremlmauer entlang. Roter Backstein, in die Mauer eingelassene Grabplatten. Dahinter die Asche der Revolutionäre und Helden: Georgi Schukow, der Marschall, der Berlin befreit hat, liegt hier ebenso wie William Dudley Haywood, der US-Gewerkschaftler, oder Clara Zetkin, die deutsche Politikerin und Frauenrechtlerin. 114 Urnengräber insgesamt.
Sperrgitter führen zum Eingang des Mausoleums. Im Eingang ein Soldat, große platte Mütze, ernster Blick. Mütze ab, Kaugummi raus, Hände aus den Taschen, nicht reden, nicht nebeneinander, nicht anhalten. Der Soldat weist mit der Hand nach links. Ein paar Stufen runter. Die Leiche liegt im Keller. Es ist schummrig. Frischhaltetemperatur.
Der nächste Soldat. Er weist nach rechts. Da, der Schneewittchensarg. Indirekt ausgeleuchtet, Lenin, wie man ihn kennt: Spitzbart, Anzug, Krawatte, wächserner Teint. Seit fast neunzig Jahren der gleiche Anblick – das Werk von Balsamikern.
Wieder ein Soldat, ein paar Stufen hoch. Und schon ist man wieder draußen.
Dann folgt die Reihe der Gräber von Massenmördern, geschmückt mit ihren Büsten: Stalin, Dserdschinki, Breschnew, Andropow und Tschernenko. Die Nekropole der Sowjetunion. Zwölf Einzelgräber sind es. Dazu noch 15 Gemeinschaftsgräber voller Bolschewiki. Im ersten aus dem Revolutionsjahr 1917 liegen allein 238 Revolutionskämpfer.
Dafür, dass die Leiche auch künftig nicht zerfällt, sorgt Jewgeni Mischin.
"Der Körper Lenins ist hervorragend erhalten. Viele sagen ja, das wäre künstlich. Aber das ist nicht so. Diese Technik wurde schon zur Balsamierung anderer Körper in anderen Ländern angewandt."
Die Wissenschaftler haben den Leichnam in den Jahren nach Lenins Tod mehrfach auseinandergenommen. Besonders sein Gehirn. Akribisch suchten sie dort nach dem Schlüssel zum Kommunismus oder wenigstens nach einem Nachweis für das Genie des Revolutionsführers.
Noch einmal Juri Pivovarov:
"Diese Leute haben das schlimmste, terroristische, antirussische Regime geschaffen. Wenn wir sie ertragen, solidarisieren wir uns mit ihnen. Für mich sind das Mörder. Ich solidarisiere mich aber mit denen, die gelitten haben. Mit dem russischen Volk. Damit wir uns vorwärts bewegen, damit wir uns von diesem Schrecken befreien, den wir durchlebt haben, müssen wir diesen Friedhof abräumen."
"Es ist unmenschlich. Wir sind nicht Nordkorea und auch nicht das alte Ägypten. Und die Ägypter haben damals aus den Mumien der Pharaonen keine Touristenattraktionen gemacht. Es ist unverständlich, weshalb wir mit staatlichen Geldern die Ikone einer überholten Ideologie finanzieren."
Die russische Gesellschaft hat sich nie der eigenen Vergangenheit gestellt.
Lenin wurde in 74 Jahren Sowjetunion zur Ikone gemacht. Lenin war unfehlbares Genie und ist auch heute noch allgegenwärtig. Lenin-Denkmäler stehen in fast jeder Stadt, Straßen sind nach Lenin benannt und Plätze, Mosaike mit Lenins Konterfei sind an vielen Orten zu sehen. Die Hungersnöte nach der Revolution, Säuberungsmaßnahmen und die Einmärsche in Nachbarländer spielen keine Rolle.
Eine Diskussion im russischen Fernsehen. Es geht um die Beerdigung Lenins. Juri Piwowarow von der Russischen Akademie der Wissenschaften:
"Der Rote Platz ist kein Museum. Er ist das symbolische Zentrum Russlands. Und im Zentrum dieses Zentrums liegt ein Mensch."
Genau solche Sätze regen die Kommunisten auf. Valeri Raschkin ist Duma-Abgeordneter der KP.
"Es wird eine Zeit geben, da die Wissenschaftler Lenin, Stalin und die Zeit der Sowjetunion als eine der besten Phasen menschlichen Zusammenlebens bezeichnen werden. Heute frisst das Kapital nicht nur unsere Kindheit, das erbarmungslose Kapital frisst auch unsere Perspektiven."
Zuviel war dann auch die Forderung eines Historikers, die Schriften Lenins auf Extremismus zu überprüfen. Von Hexenjagd war die Rede. Besonders die Kommunistische Partei protestierte, immerhin die zweitstärkste politische Kraft in Russland.
Auch auf dem Roten Platz ist vieles, wie früher. An der Kremlmauer steht eine lange Schlange. Besuchszeit bei Lenin. Taschen und jede Art von Aufnahmegerät oder gar Kameras muss man abgeben. Dann geht es durch einen Metalldetektor, die Kremlmauer entlang. Roter Backstein, in die Mauer eingelassene Grabplatten. Dahinter die Asche der Revolutionäre und Helden: Georgi Schukow, der Marschall, der Berlin befreit hat, liegt hier ebenso wie William Dudley Haywood, der US-Gewerkschaftler, oder Clara Zetkin, die deutsche Politikerin und Frauenrechtlerin. 114 Urnengräber insgesamt.
Sperrgitter führen zum Eingang des Mausoleums. Im Eingang ein Soldat, große platte Mütze, ernster Blick. Mütze ab, Kaugummi raus, Hände aus den Taschen, nicht reden, nicht nebeneinander, nicht anhalten. Der Soldat weist mit der Hand nach links. Ein paar Stufen runter. Die Leiche liegt im Keller. Es ist schummrig. Frischhaltetemperatur.
Der nächste Soldat. Er weist nach rechts. Da, der Schneewittchensarg. Indirekt ausgeleuchtet, Lenin, wie man ihn kennt: Spitzbart, Anzug, Krawatte, wächserner Teint. Seit fast neunzig Jahren der gleiche Anblick – das Werk von Balsamikern.
Wieder ein Soldat, ein paar Stufen hoch. Und schon ist man wieder draußen.
Dann folgt die Reihe der Gräber von Massenmördern, geschmückt mit ihren Büsten: Stalin, Dserdschinki, Breschnew, Andropow und Tschernenko. Die Nekropole der Sowjetunion. Zwölf Einzelgräber sind es. Dazu noch 15 Gemeinschaftsgräber voller Bolschewiki. Im ersten aus dem Revolutionsjahr 1917 liegen allein 238 Revolutionskämpfer.
Dafür, dass die Leiche auch künftig nicht zerfällt, sorgt Jewgeni Mischin.
"Der Körper Lenins ist hervorragend erhalten. Viele sagen ja, das wäre künstlich. Aber das ist nicht so. Diese Technik wurde schon zur Balsamierung anderer Körper in anderen Ländern angewandt."
Die Wissenschaftler haben den Leichnam in den Jahren nach Lenins Tod mehrfach auseinandergenommen. Besonders sein Gehirn. Akribisch suchten sie dort nach dem Schlüssel zum Kommunismus oder wenigstens nach einem Nachweis für das Genie des Revolutionsführers.
Noch einmal Juri Pivovarov:
"Diese Leute haben das schlimmste, terroristische, antirussische Regime geschaffen. Wenn wir sie ertragen, solidarisieren wir uns mit ihnen. Für mich sind das Mörder. Ich solidarisiere mich aber mit denen, die gelitten haben. Mit dem russischen Volk. Damit wir uns vorwärts bewegen, damit wir uns von diesem Schrecken befreien, den wir durchlebt haben, müssen wir diesen Friedhof abräumen."