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"Leo Kirch ist bis zum Schluss jemand geblieben, der gekämpft hat"

Rückschläge, Fehleinschätzungen und die Pleite seiner Firmengruppe konnten Leo Kirch als Medienunternehmer nicht stoppen. Politik sei dabei für ihn nur Mittel zum Zweck gewesen, so Kirch-Biografin Nina Bovensiepen, um seine Vision einer Programmvielfalt, aber auch seine geschäftlichen Ziele durchzusetzen.

Nina Bovensiepen im Gespräch mit Gerd Breker |
    Christoph Heinemann: Leo Kirch war über Jahrzehnte einer der bedeutendsten Medienunternehmer in Deutschland. Auch nach der Pleite seiner weitverzweigten Firmengruppe im Jahr 2002 ließ er sich nicht unterkriegen und führte, stark sehbehindert und im Rollstuhl, einen erbitterten Kampf gegen die Deutsche Bank, die er für den Zusammenbruch seines Imperiums verantwortlich machte. Seinen letzten großen Auftritt hatte er vor wenigen Monaten in einem Prozess gegen die Deutsche Bank in München. Gestern wurde gemeldet, dass Kirch im Alter von 84 Jahren im Kreis seiner Familie verstorben ist. Über den Medienunternehmer sprach mein Kollege Gerd Breker mit der Journalistin und Kirch-Biographin Nina Bovensiepen und fragte: War Leo Kirch am Ende ein verbitterter alter Mann, der sich mit seinem Scheitern nicht abfinden konnte?

    Nina Bovensiepen: Nein, das war Leo Kirch nicht. Leo Kirch ist bis zum Schluss jemand geblieben, der gekämpft hat, und gerade dieser letzte Kampf setzt eine rote Linie in seinem Leben fort, die es immer gegeben hat. Leo Kirch hat immer gegen Widerstände in den Öffentlich-Rechtlichen, bei Springer, wo auch immer sich in seinen Geschäften Hürden auftaten, er hat immer gekämpft für das, woran er geglaubt hat. Und dieser Prozess, der letzte große Kampf sozusagen, den er jetzt nicht mehr selber zu Ende führen konnte, das war die Fortsetzung dessen. Er wollte sich rehabilitiert sehen in gewisser Weise, und er wollte ein Schuldeingeständnis sicher erreichen in gewisser Weise, und dafür hat er gekämpft. Aber verbittert war er dabei nicht.

    Gerd Breker: Er begann ja seine Medienkarriere als Filmhändler, der durch die Einführung des Privatfernsehens dann reich wurde. Was hat ihn damals angetrieben, die Vision einer Programmvielfalt, oder doch mehr das Geschäftsmodell, mehr Kunden, mehr Geschäfte und also mehr Gewinn?

    Bovensiepen: Es hat ihn sicher Gewinn angetrieben, es hat ihn auch das Streben nach Macht angetrieben, aber es hat ihn auch – und das hat schon vor dem Privatfernsehen begonnen – er hatte diese Vision und er hatte… –, das ging ja eben viel früher los. Es ging los, als es in den 1950er-Jahren, in Deutschland gab es einen einzigen Fernsehsender, der ein paar Stunden am Tag in Schwarz-Weiß was sendete, Spielfilme, Serien, das gab es alles nicht, und da hat Leo Kirch sehr früh daran geglaubt, auch an diese technischen Möglichkeiten, an die Vervielfältigungsmöglichkeiten, dass es mehrere Kanäle geben wird, viele Sender, die viele Filme senden können, und das wollte er auch immer unter Beweis stellen, dass er damit recht behält, und das war dann ja auch so.

    Breker: Leo Kirch setzte als Erster in Deutschland auf das sogenannte Bezahlfernsehen, ein Modell, das Rupert Murdoch eingeführt hatte. War Murdoch so etwas wie ein Vorbild für ihn?

    Bovensiepen: Vorbild würde ich nicht sagen. Ich würde sagen, dass die beiden sich in sehr Vielem sehr ähnlich waren. Es sind beide im ursprünglichen Sinne des Wortes Unternehmer, also Männer, die für ihre Vision, auch für Macht, auch für Geld, aber die immer um ihre Geschäfte ganz wahnsinnig leidenschaftlich gekämpft haben. Dass beim Bezahlfernsehen, dass da Murdoch als Erster am Zuge war, ich glaube nicht, dass der Gedanke dahinter war, Murdoch zu kopieren, sondern Leo Kirch hat geglaubt, das ist der nächste Schritt in der Entwicklung dieses Mediums. Dass das aber sich in anderen Ländern nur entwickelt hat und in Deutschland eben nicht so, wie er das geglaubt hat, ja, das war dann sicher eine unternehmerische Fehleinschätzung.

    Breker: Wie wichtig war für Kirchs Karriere die gute Beziehung zur Politik?

    Bovensiepen: Also ich glaube nicht, dass Leo Kirch in dem Sinne ein politischer Mensch war, als er selber Politik machen wollte, dass er unbedingt eigene politische Ziele hatte. Politik war Mittel zum Zweck, würde ich sagen. Also es gab da so einiges Verbindendes zwischen diesen beiden Männern, und von Freundschaft zu reden bei solchen mächtigen Männern, ist ja sowieso immer ganz schwierig, weil man nie weiß, sind es wirklich Freunde, oder sind es zum Teil Nutznießer und nützliche Bekanntschaften.

    Breker: Stichwort "nützliche Bekanntschaften". In der CDU-Spendenaffäre hatte Kohl ja zugegeben, über zwei Millionen illegaler Spenden eingenommen zu haben. Die Identität dieser Spender hat er nie preisgegeben. Dafür musste seine Partei Strafgelder zahlen. Um die dann auszugleichen, hat Kohl in einer privaten Initiative über sechs Millionen D-Mark eingesammelt. Größter Einzelspender dabei war Leo Kirch mit einer Million D-Mark. Das sagt doch was?

    Bovensiepen: Ja!

    Breker: Die Freundschaft?

    Bovensiepen: Freundschaft? Sicher, ja, ganz klar! Wenn ein Freund so in der Not ist, dann helfe ich dem.

    Heinemann: Die Journalistin und Kirch-Biographin Nina Bovensiepen. Die Fragen stellte mein Kollege Gerd Breker.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.