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Leo Lionni vor 20 Jahren gestorben
Das kleine Blau, das kleine Gelb und Frederick die Maus

Schon mit sieben Jahren war Leo Lionni klar: Ich will Künstler werden. Das ist ihm gelungen, heute hängen viele seiner Werke in Museen wie dem MoMA in New York. Der Durchbruch gelang Lionni jedoch mit seinen Bilderbüchern, die bis heute Groß und Klein begeistern.

Von Carola Zinner |
    Der Bilderbuchkünstler Leo Lionni bekam 1965 zusammen mit Frederik Hetman (eigentlich: Hans-Christian Kirsch) und Runer Jonson (R-l) den deutschen Jugendbuchpreis. Die Auszeichnungen wurden vergeben für das Jugendbuch "Amerika-Saga" (Hetman), das Bilderbuch "Swimmy" (Lionni) und das Kinderbuch "Wickie und die starken Männer" (Jonson).
    Der 1910 in Amsterdam geborene Leo Lionni (r.) brachte die Abstraktion ins Bilderbuch (dpa / Georg Spring)
    Ein weißes Blatt. In der Mitte: ein großer blauer Punkt. Nicht ganz rund, eher so, als wäre er vorsichtig aus Papier ausgerissen. "Hier machen wir ein Kind bekannt; es wird das kleine Blau genannt." Auf der nächsten Seite: weitere Farbtupfer. "Hier seht ihr's noch einmal genau - mit Mama Blau und Papa Blau."
    Was macht ein Großvater, der, umgeben von müden Mitreisenden, mit seinen zwei lebhaften kleinen Enkeln abends im Zug sitzt? Er sucht nach einer Möglichkeit, sie zu beruhigen. Und wenn es sich, wie in diesem Fall, bei dem Großvater um einen herausragenden Art Designer handelt, dann findet sich auch schnell etwas. Aus einer Zeitung werden kleine Flecken herausgerissen, die schnell ein Eigenleben entwickeln.
    "Auf dieser Seite nun erscheint das kleine Gelb, sein bester Freund.
    Es wohnt im Hause gegenüber und kommt zum Spielen oft herüber."
    Noch am selben Abend sah ein Verleger, der bei Lionni zu Gast war, die Bilder des damals 49-Jährigen und griff zu. So entstand das erste Bilderbuch von Leo Lionni. "Das kleine Gelb und das kleine Blau". Erschienen 1959, brachte es einen neuen Stil in die bis dahin auf realistische Darstellungen fokussierte Bilderbuch-Welt, sagt die Jugendbuchexpertin Roswitha Budeus-Budde:
    "Die Abstraktion kam ins Bilderbuch. Wenn man das Kindern zeigt: Die können genau sagen, das ist der, das ist der – weil das so abstrakt ist, kann man seine eigenen Gefühle und seine eigenen Ideen auf diese Bilder übertragen."
    Vom Volkswirt zum Künstler
    Zur Zeit seiner Anfänge als Bilderbuch-Künstler hatte Leo Lionni bereits eine veritable Karriere vorzuweisen. Nachdem er in der Schweiz in Volkswirtschaft promoviert hatte – ein Fach, das er auf Wunsch des Vaters studieren musste, arbeitete er unter anderem in Italien als Designer für Olivetti und in den USA als Chef-Grafiker für Magazine wie "Time" und "Life".
    Die Liebe zur Kunst begleitete den gebürtigen Holländer bereits seit der Kindheit. Ein Onkel sammelte moderne Kunst, und so wuchs Lionni, wie er später erzählte, in der Amsterdamer Wohnung auf zwischen Originalen von Chagall, Klee und Mondrian. Für den Siebenjährigen, der einen so selbstverständlichen Zugang zu moderner Kunst hat, gibt es auf die Frage nach seinem Berufswunsch natürlich nur eine Antwort: Ich möchte Künstler werden!
    Es ist ihm gelungen. Einige Arbeiten des am 11. Oktober 1999 gestorbenen Leo Lionni finden sich heute in Museen wie dem MoMA in New York. Die ganz große Bekanntheit aber kam mit den Bilderbüchern.
    Wie eine fantasievolle Maus die Kälte des Winters besiegte
    Mit der Geschichte des Chamäleons etwa, das so gerne eine eigene Farbe hätte, statt sich immer nur anzupassen. Mit Swimmy, dem kleinen roten Fisch, der seine Gefährten dazu bringt, sich im Schwarm zum großen Fisch zu formieren und so sicher vor Feinden das Meer zu durchstreifen.
    Eine Zeichnung von Leo Lionnis Maus Frederick, daneben die Verlegerin Gertraud Middelhauve mit einem Frederick-Buch
    Eine Zeichnung von Leo Lionnis Maus Frederick, daneben die Verlegerin Gertraud Middelhauve (picture alliance / dpa / Martin Athenstädt)
    Und natürlich mit Frederick, der nicht wie alle anderen vier Mäuse Nahrungsmittel für den Winter sammelt, sondern Sonnenstrahlen und Farben, um sie dann in den dunklen kalten Nächten für die anderen aufleben zu lassen.
    "Und während Frederick so von der Sonne erzählte, war es den vier Mäusen schon viel wärmer. Ob das Fredericks Stimme gemacht hatte? Oder war es ein Zauber?
    'Und was ist mit den Farben, Frederick?', fragten sie aufgeregt.
    'Macht wieder eure Augen zu!', sagte Frederick."
    "Kunst braucht man zum Leben, sonst kann man nicht überleben. Das ist Frederick."
    Und das sind, auf andere Art, auch das kleine Blau und das kleine Gelb, die, ganz versunken in ihr Spiel, zeitweise zu einem wunderbaren Grün verschmelzen.
    Aus einfachen Bildern entsteht eine große Kraft
    Auch das gehört zur zeitlosen Schönheit der Bücher von Leo Lionni, der stets stolz darauf war, politisch zu denken. Die Werke erzählen in einer klaren, jedem verständlichen Bildsprache, wie aus einem friedvollen Miteinander eine wunderbare Farbigkeit und Kraft entstehen kann, die allen zugutekommt.
    "Man denkt sich: Das ist so einfach. Aber das ist es nicht. Es ist einfach genial gemacht."