Manfred Götzke: Wo in Deutschland lernt es sich am besten, in welcher Stadt oder in welchem Landkreis – alles andere als eine leichte Frage! Die Bertelsmann Stiftung hat sie sich trotzdem gestellt, hat Hunderte Statistiken aus den Kommunen und den Ländern gewälzt und daraus einen Lernatlas erstellt. Ja, und wenn man sich den so anschaut, springt einem sofort ins Auge: Norden mangelhaft, Süden sehr gut! In Deutschland gibt es Bildungs-Nord-Süd-Gefälle, jedenfalls laut der neuen Studie der Bertelsmann Stiftung. Was sagt uns das und welche Schlüsse sollte auch die Politik daraus ziehen? Darüber möchte ich jetzt mit einem der Autoren der Studie sprechen, Frank Frick. Hallo, Herr Frick!
Frank Frick: Hallo, Herr Götzke!
Götzke: Herr Frick, wenn man sich Ihren Atlas anschaut, kann man daraus eigentlich nur einen Schluss ziehen: Wenn ich was lernen will, sollte ich bloß weg aus Mecklenburg-Vorpommern und nach Bayern ziehen!
Frick: Jedenfalls gibt es dort derzeit die besseren Lernbedingungen, wenn man einen ganzheitlichen Blick annimmt. Wir wissen einfach, dass Bildung der Schlüssel zu persönlichem Aufstieg, der Schlüssel zur sozialen Gerechtigkeit und der Schlüssel zu gesellschaftlichem Wohlstand ist, und deswegen muss man auch deutlich sehen, dass man nicht nur auf Schule guckt. Lernen ist viel mehr als Schule und deswegen haben wir bei dem Lernatlas eben auch auf die Fragen der persönlichen Bildung, der sozialen Bildung, der sozialen Bildung und auch der beruflichen Bildung geguckt.
Götzke: Wenn man sich all diese Faktoren anschaut, schneidet durchweg der Süden sehr viel besser ab als der Norden. Woran liegt das?
Frick: Man hat insgesamt einfach bessere Bedingungen geschaffen. Und der Süden heißt ja in dem Fall gar nicht mal nur Bayern und Baden-Württemberg, auch Thüringen und Sachsen und auch Rheinland-Pfalz und das Saarland und Hessen schneiden in weiten Teilen besser ab, als der größte Teil des Nordens. Und da muss man eben noch mal differenziert hingucken: Der Osten hat es einfach geschafft, den Ost-West-Gegensatz in Teilen aufzuheben, wie gesagt, Thüringen und Sachsen sind im schulischen Bereich mittlerweile sehr gut, auch im beruflichen Bildungsbereich sehr gut, im Persönlichen immer besser geworden. Im sozialen Bildungsbereich gibt es dort noch ein bisschen Nachholbedarf, das liegt vor allen Dingen daran, dass die Engagementstrukturen, die 1989 zusammengebrochen sind, erst langsam sich wieder erholen und neu aufbauen, so eine Zivilgesellschaft baut man eben nicht in ein paar Jahren oder in zwei Jahrzehnten.
Götzke: Trotzdem, wenn man sich das so anschaut, wird schon deutlich: Der Norden ist schwach, der Süden ist stark. Das sind ja dann vor allem auch die finanziell, wirtschaftlich besser aufgestellten Länder. Liegt es am Ende doch am Geld, dass die südlichen Bundesländer besser abschneiden?
Frick: Wir haben eben festgestellt, dass das nicht alleine daran liegt. Natürlich spielt es eine Rolle, wenn man viel Geld hat, kann man viel investieren. Aber wir haben auch einige sogenannte Hidden Champions identifiziert. Ich habe das auf Länderebene gerade benannt, keiner von uns hätte Rheinland-Pfalz, Thüringen oder Sachsen so weit vorne gesehen. Wenn man auf die Städte guckt, würde auch keiner von uns jetzt sagen, dass Trier, Saarburg, dass Jena oder dass Pforzheim unbedingt zu den Vorzeigestädten gehören. Bezogen auf die wirtschaftliche Kraft, die sie haben, haben sie ein ausgezeichnetes Bildungsumfeld geschaffen für ihre Menschen. Und das zeigt eindeutig: Geld allein – im Fußball würde man sagen – schießt keine Tore, also, Geld allein schafft noch nicht die beste Bildungsumgebung.
Götzke: Dann hat man vielleicht, obwohl man nicht so viel Geld hat, das Wenige dann gezielt in Bildung investiert, ist das der Schlüssel?
Frick: Ich glaube, der Schlüssel ist vor allen Dingen, dass man in der Region mal ganz genau analysiert, wo hapert es denn jeweils, und dort die Kräfte bündelt. Wir leben ja in einer Gesellschaft, wo es jeweils vor Ort sehr, sehr zerstückelte Strukturen und Einflussbereiche gibt. Man bekommt aber bestimmte Lebenslagen, also prekäre Lebenslagen, die von einer Menge Nachteile gemeinsam gekennzeichnet sind, nur in den Griff, wenn man seine Anstrengungen koppelt und als Akteure gemeinsam sich quasi solchen Aufgaben stellt. Und ich glaube, solchen Regionen gelingt das eben, indem man sich Schwerpunkte herausgreift und nicht versucht, das wenige Geld mit der Gießkanne so zu verteilen, dass auf jedem heißen Stein ein Tröpfchen landet und dort dann eben schnell verpufft, sondern dass man seine Kräfte konzentriert.
Götzke: Das funktioniert dann über eine gute Kommunalpolitik oder warum sind diese einzelnen, Sie sagten Hidden Champions, warum können die das besser als andere?
Frick: Die kommunale Ebene ist deshalb wichtig, weil das unser sozialer Raum ist, in dem wir lernen. Wenn wir wissen, dass die schulischen und beruflichen Bildungsinstitutionen von unserem gesamten Bildungserfolg im Lebensverlauf nur vielleicht 40, 50 Prozent ausmachen, das heißt, das meiste an Bildung wir eigentlich im sozialen Nahraum erwerben, dann bedeutet das, dass das in unserer direkten Umgebung ist. In Vereinen oder auch im Chor oder auch in der Nachbarschaft und in der Familie. Und das wiederum ist der kommunale Nahraum, das ist der Bereich, in dem wir leben. Das war der Grund, warum wir uns die Kommunen angeschaut haben. Den Hebel zur Verbesserung haben zum Teil diese Kommunen, weil sie am besten einschätzen können, wie man vor Ort beispielsweise das Ehrenamt befördert. Einen Hebel haben aber auch Unternehmen, weil es auch um Fragen von Weiterbildung geht. Das findet aber eben auch regional statt. Darüber hinaus gibt es aber eben auch Hebel, die mehr beispielsweise in der Landespolitik, zum Beispiel in der Schulpolitik liegen.
Götzke: Als Vorbild hat Ihnen ein Modell gedient, das in Kanada seit Jahren erprobt ist. Was hat das da bewirkt?
Frick: In Kanada werden seit Jahren 6000 kanadische Kommunen nach dem Motto "The smartest city in Canada" analysiert. Und das hat erstmals überhaupt dafür gesorgt, dass man einen breiten Blick aufs Lernen gewonnen hat und verstanden hat, dass Lernen viel, viel mehr ist als Schule. Daraufhin hat man natürlich dann auch angefangen zu schauen, was kann man eigentlich in seiner eigenen Umgebung dafür tun, dass sich die Lernbedingungen verbessern, und hat in vielfältiger Weise dafür gesorgt, dass es da einen neuen Aufbruch für eine, ja, verbesserte Bildungslandschaft gibt. So einen Aufbruch in Richtung eines Bildungslandes Deutschland wünschen wir uns seit geraumer Zeit und ich glaube, wenn wir dazu einen Beitrag leisten, dann können wir sehr froh sein.
Götzke: Im Süden Deutschlands lernt es sich am besten, egal, ob auf dem Land oder in der Großstadt, das hat die Bertelsmann Stiftung jetzt in einem Bildungslernatlas deutlich gemacht. Und mit verfasst hat ihn Frank Frick, vielen Dank!
Frick: Gerne! Tschüss!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Frank Frick: Hallo, Herr Götzke!
Götzke: Herr Frick, wenn man sich Ihren Atlas anschaut, kann man daraus eigentlich nur einen Schluss ziehen: Wenn ich was lernen will, sollte ich bloß weg aus Mecklenburg-Vorpommern und nach Bayern ziehen!
Frick: Jedenfalls gibt es dort derzeit die besseren Lernbedingungen, wenn man einen ganzheitlichen Blick annimmt. Wir wissen einfach, dass Bildung der Schlüssel zu persönlichem Aufstieg, der Schlüssel zur sozialen Gerechtigkeit und der Schlüssel zu gesellschaftlichem Wohlstand ist, und deswegen muss man auch deutlich sehen, dass man nicht nur auf Schule guckt. Lernen ist viel mehr als Schule und deswegen haben wir bei dem Lernatlas eben auch auf die Fragen der persönlichen Bildung, der sozialen Bildung, der sozialen Bildung und auch der beruflichen Bildung geguckt.
Götzke: Wenn man sich all diese Faktoren anschaut, schneidet durchweg der Süden sehr viel besser ab als der Norden. Woran liegt das?
Frick: Man hat insgesamt einfach bessere Bedingungen geschaffen. Und der Süden heißt ja in dem Fall gar nicht mal nur Bayern und Baden-Württemberg, auch Thüringen und Sachsen und auch Rheinland-Pfalz und das Saarland und Hessen schneiden in weiten Teilen besser ab, als der größte Teil des Nordens. Und da muss man eben noch mal differenziert hingucken: Der Osten hat es einfach geschafft, den Ost-West-Gegensatz in Teilen aufzuheben, wie gesagt, Thüringen und Sachsen sind im schulischen Bereich mittlerweile sehr gut, auch im beruflichen Bildungsbereich sehr gut, im Persönlichen immer besser geworden. Im sozialen Bildungsbereich gibt es dort noch ein bisschen Nachholbedarf, das liegt vor allen Dingen daran, dass die Engagementstrukturen, die 1989 zusammengebrochen sind, erst langsam sich wieder erholen und neu aufbauen, so eine Zivilgesellschaft baut man eben nicht in ein paar Jahren oder in zwei Jahrzehnten.
Götzke: Trotzdem, wenn man sich das so anschaut, wird schon deutlich: Der Norden ist schwach, der Süden ist stark. Das sind ja dann vor allem auch die finanziell, wirtschaftlich besser aufgestellten Länder. Liegt es am Ende doch am Geld, dass die südlichen Bundesländer besser abschneiden?
Frick: Wir haben eben festgestellt, dass das nicht alleine daran liegt. Natürlich spielt es eine Rolle, wenn man viel Geld hat, kann man viel investieren. Aber wir haben auch einige sogenannte Hidden Champions identifiziert. Ich habe das auf Länderebene gerade benannt, keiner von uns hätte Rheinland-Pfalz, Thüringen oder Sachsen so weit vorne gesehen. Wenn man auf die Städte guckt, würde auch keiner von uns jetzt sagen, dass Trier, Saarburg, dass Jena oder dass Pforzheim unbedingt zu den Vorzeigestädten gehören. Bezogen auf die wirtschaftliche Kraft, die sie haben, haben sie ein ausgezeichnetes Bildungsumfeld geschaffen für ihre Menschen. Und das zeigt eindeutig: Geld allein – im Fußball würde man sagen – schießt keine Tore, also, Geld allein schafft noch nicht die beste Bildungsumgebung.
Götzke: Dann hat man vielleicht, obwohl man nicht so viel Geld hat, das Wenige dann gezielt in Bildung investiert, ist das der Schlüssel?
Frick: Ich glaube, der Schlüssel ist vor allen Dingen, dass man in der Region mal ganz genau analysiert, wo hapert es denn jeweils, und dort die Kräfte bündelt. Wir leben ja in einer Gesellschaft, wo es jeweils vor Ort sehr, sehr zerstückelte Strukturen und Einflussbereiche gibt. Man bekommt aber bestimmte Lebenslagen, also prekäre Lebenslagen, die von einer Menge Nachteile gemeinsam gekennzeichnet sind, nur in den Griff, wenn man seine Anstrengungen koppelt und als Akteure gemeinsam sich quasi solchen Aufgaben stellt. Und ich glaube, solchen Regionen gelingt das eben, indem man sich Schwerpunkte herausgreift und nicht versucht, das wenige Geld mit der Gießkanne so zu verteilen, dass auf jedem heißen Stein ein Tröpfchen landet und dort dann eben schnell verpufft, sondern dass man seine Kräfte konzentriert.
Götzke: Das funktioniert dann über eine gute Kommunalpolitik oder warum sind diese einzelnen, Sie sagten Hidden Champions, warum können die das besser als andere?
Frick: Die kommunale Ebene ist deshalb wichtig, weil das unser sozialer Raum ist, in dem wir lernen. Wenn wir wissen, dass die schulischen und beruflichen Bildungsinstitutionen von unserem gesamten Bildungserfolg im Lebensverlauf nur vielleicht 40, 50 Prozent ausmachen, das heißt, das meiste an Bildung wir eigentlich im sozialen Nahraum erwerben, dann bedeutet das, dass das in unserer direkten Umgebung ist. In Vereinen oder auch im Chor oder auch in der Nachbarschaft und in der Familie. Und das wiederum ist der kommunale Nahraum, das ist der Bereich, in dem wir leben. Das war der Grund, warum wir uns die Kommunen angeschaut haben. Den Hebel zur Verbesserung haben zum Teil diese Kommunen, weil sie am besten einschätzen können, wie man vor Ort beispielsweise das Ehrenamt befördert. Einen Hebel haben aber auch Unternehmen, weil es auch um Fragen von Weiterbildung geht. Das findet aber eben auch regional statt. Darüber hinaus gibt es aber eben auch Hebel, die mehr beispielsweise in der Landespolitik, zum Beispiel in der Schulpolitik liegen.
Götzke: Als Vorbild hat Ihnen ein Modell gedient, das in Kanada seit Jahren erprobt ist. Was hat das da bewirkt?
Frick: In Kanada werden seit Jahren 6000 kanadische Kommunen nach dem Motto "The smartest city in Canada" analysiert. Und das hat erstmals überhaupt dafür gesorgt, dass man einen breiten Blick aufs Lernen gewonnen hat und verstanden hat, dass Lernen viel, viel mehr ist als Schule. Daraufhin hat man natürlich dann auch angefangen zu schauen, was kann man eigentlich in seiner eigenen Umgebung dafür tun, dass sich die Lernbedingungen verbessern, und hat in vielfältiger Weise dafür gesorgt, dass es da einen neuen Aufbruch für eine, ja, verbesserte Bildungslandschaft gibt. So einen Aufbruch in Richtung eines Bildungslandes Deutschland wünschen wir uns seit geraumer Zeit und ich glaube, wenn wir dazu einen Beitrag leisten, dann können wir sehr froh sein.
Götzke: Im Süden Deutschlands lernt es sich am besten, egal, ob auf dem Land oder in der Großstadt, das hat die Bertelsmann Stiftung jetzt in einem Bildungslernatlas deutlich gemacht. Und mit verfasst hat ihn Frank Frick, vielen Dank!
Frick: Gerne! Tschüss!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.