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Lernen von Afrika

Frage nicht, was du für Afrika tun kannst! Frage, was Afrika für dich tun kann! Das war die scheinbar paradoxe Aufforderung des Regisseurs, Filmemachers und Aktionskünstlers Christoph Schlingensief, als er sich für ein Operndorf in Burkinas Faso einsetzte. Das nimmt immer mehr Gestalt an.

Von Silke Bartlick |
    Im Oktober soll die erste Bauphase endlich abgeschlossen sein. Ein Schule wird dann in Laongo stehen, mit vier Klassen, einem Tonstudio, einer Kantine, Lehrerwohnungen und Lagerräumen.

    "”Für bestimmte Module stehen schon Fundamente. Das war der Stand, bevor Christoph dann von uns ging. Und jetzt wird demnächst, ich rechne damit, in dieser Woche noch, dass schon wirklich losgelegt wird und dass wir in drei vier Monaten noch mehr auf der Baustelle sehen.""

    Francis Kéré ist der Architekt, der Schlingensiefs Vision eine Form gegeben hat – dem Festspielhaus für 500 Besucher, um das sich spiralförmig ein ganzes Ensemble von Gebäuden und Nutzflächen winden soll. Von der Krankenstation über Anbauflächen zur Selbstversorgung bis hin zur besagten Schule, die dringend gebraucht wird. Denn beinahe 80 Prozent der Menschen in Burkina Faso sind Analphabeten. Francis Kéré stammt aus diesem bitterarmen Land. Er sagt, Christoph Schlingensief habe die Menschen dort mit seiner Begeisterung restlos gewonnen. Und sie seien froh, dass die in Berlin ansässige Festspielhaus GmbH unter der Leitung von Schlingensiefs Witwe Aino Laberenz entschieden hat, den Bau des Operndorfes fortzuführen:

    ""Ich bin ziemlich schnell runter gefahren nach seinem Tod. Und ich hab dann auch wirklich gesehen und gemerkt, was es mir bedeutet. Und das ist schon verdammt viel. Und das ist nicht nur einfach ein Christoph nahe sein, das ist es wirklich nicht, weil es dazu einfach zu komplex ist”. "

    Christoph Schlingensief wollte die Oper als eine alle Disziplinen vereinende Kunstform nach Afrika tragen, dort mitten im Leben ansiedeln und so dazu beitragen, dass traditionelle Kulturtechniken erhalten bleiben und gleichzeitig Neues entstehen kann. Das Goethe Institut, die Kulturstiftung des Bundes und das Auswärtige Amt hat er dafür gewonnen, zahlreiche Sponsoren und Politiker in Burkina Faso wie in Deutschland. Unlängst hat der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler die Schirmherrschaft für das Operndorf übernommen und Antje Vollmer, frühere Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags, gehört zusammen mit Weggefährten und Partnern Schlingensiefs dem Kuratorium der Festspielhaus GmbH an:

    "”Ein Aspekt von Globalisierung ist ja auch, dass weltweit Sprachen und Kulturen verloren gehen. Und deswegen ist das auch ein Aspekt des Bewahrens dieses kreativen Potentials, was es im Land einfach gibt”."

    Das klingt anders, nüchterner, als seinerzeit bei Christoph Schlingensief. Aber, da ist man sich im Kuratorium einig, der umtriebige Künstler soll und kann nicht ersetzt werden. Bewahren möchte man ihn indes in dem Projekt, es in seinem Sinne fortführen, den Austausch zwischen Afrika und Europa befördern und in Burkina Faso jene soziale Plastik realisieren, die ihm laut Aino Laberenz immer vorgeschwebt habe:

    "”Dass es darum geht, Lehrer auszubilden, Ärzte auszubilden, dass wir mit alternativen Energien arbeiten. Also, das ist zwar dieser soziale Charakter, aber ich glaube, dass Kunst auch eine Sprache in dem kompletten Dorf sein soll. Nicht nur in der Schulklasse. Sondern so als ein Austausch”. "

    Was auch deshalb Sinn macht, weil bislang erst die Finanzierung des ersten Bauabschnitts, also der Schulanlage, gesichert ist. Und weil das Geld derzeit gerade mal reicht, um den Schulbetrieb ein Jahr lang aufrecht zu erhalten. Wenn man denn geeignete Lehrer findet. Es sind zunächst also ziemlich handfeste Probleme, die gelöst werden müssen, bevor im Operndorf wirklich Kunst entstehen kann. Aber scheitern, sagt Francis Kéré, scheitern darf das Projekt nicht:

    "”Ich natürlich, als jemand, der aus Burkina kommt, muss dafür sorgen, dass da was steht. Es darf keine Seifenblase bleiben. Und das ist es nicht. Und da freue ich mich, dass es weiter geht”."