Qiyuan Fu interessiert sich schon lange für Schlangen: "Sie sind elegant und kommen mit fast jedem Terrain zurecht. Aber bevor ich an die Johns Hopkins Universität gekommen bin, kannte ich Schlangen eigentlich fast nur aus dem Fernsehen." Das sollte sich dann schnell ändern.
Königsnattern als Inspirationsquelle
Denn der junge Maschinenbauingenieur begann seine Doktorarbeit am Terradynamics Lab der Universität in Baltimore. Hier fließen Biologie, Physik und Robotik zusammen. Eines der Ziele: die Bewegungen von Schlangen verstehen.
"Bei den Experimenten habe ich erstmal nur ausgeholfen. Ich habe Markierungen auf die Schlangen geklebt, damit wir ihre Bewegungen verfolgen können. Unsere Schlangen sind recht klein und darum war das nicht so angsteinflößend, wie man denken könnte."
Es sind etwa 40 Zentimeter lange Königsnattern. Sie können Hindernisse wie Baumstämme überwinden, indem sie einen großen Teil ihres Vorderkörpers vom Boden hochheben. Dabei stellt sich eine Frage, die banal klingt, aber aus rein mechanischer Sicht gar nicht so einfach zu beantworten ist: Warum kippen die Schlangen dabei nie um? Um das herauszufinden, ließen die Forscher ihre Schlangen verschiedene Stufen hochkriechen.
"Wenn sie die Stufe hochklettern, dann teilen sie ihren Körper sozusagen in drei Segmente: Der vordere und hintere Teil – also die Teile, die auf den ebenen Flächen sind – vollführen Wellenbewegungen. Und der mittlere Teil ist technisch gesehen wie ein Träger, der den Höhenunterschied überwindet."
Eine Treppenstufe - kein Hindernis
Es sieht ein wenig so aus, als würde die Schlange sich durch eine gedachte unsichtbare senkrechte Röhre quetschen, die die Stufe hochführt. Vor und hinter der Stufe macht sie mit ihrem langen Körper auf dem ebenen Boden ihre typischen schlängelnden Bewegungen. Der mittlere Teil, der praktisch in der unsichtbaren Röhre wäre, bleibt dabei ganz gerade. Durch das Schlängeln bildet das Tier eine breite, stabile Stütze. So kippt die Schlange nicht um. Mit dieser Beobachtung im Kopf haben die Ingenieure einen Roboter gebaut. Sein Körper besteht aus 19 Segmenten, die mit Gelenken verbunden sind. Dadurch kann er sich verbiegen.
Der bionische Roboter klettert höher als sein Vorbild
Die Forscher programmierten ihm die Schlangenbewegungen ein und siehe da – die Maschine war sogar besser als das Tier, sagt Qiyuan Fu: "Er kann Stufen hochkriechen, die über ein Drittel seiner Körperlänge hoch sind. Die Schlangen wollten maximal Stufen angehen, deren Höhe einem Viertel ihrer Länge entspricht."
Doch trotz der richtigen Bewegungen war der Roboter zunächst nicht stabil genug und kippte immer wieder um. Für die Forscher hieß das: zurück ans Reißbrett! Sie verpassten ihrem Roboter eine Art Federung, damit sein Verhalten dem anschmiegsamen Körper einer Schlange ähnlicher wird. Der Roboter erhielt dadurch mehr Bodenhaftung und kippte nicht mehr um.
Tiere imitierende Roboter fristen ein Nischendasein
Die Wissenschaftler haben jetzt also eine Maschine, die Stufen hochkriechen kann. Solche Roboter könnten irgendwann mal unwegsames Gelände erobern und beispielsweise bei Erdbeben nach Vermissten suchen. Klingt toll - Tatsache ist aber, dass Roboter, die die Bewegungen von Tieren imitieren, bisher fast nur in Labors zu finden sind. Roboter im echten Leben fahren entweder auf Rädern, auf Ketten oder sie können fliegen. Ein Grund dafür sei, sagt Qiyuan Fu, dass diese Tier-Roboter immer nur für ganz bestimmte Umgebungen entworfen werden: "Dort funktionieren sie perfekt. Aber sobald sie etwas Unbekanntem begegnen, versagen sie."