Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger bezeichnete die Ergebnisse als alarmierend. Die FDP-Politikerin erklärte, gut lesen zu können, sei eine der wichtigsten Grundkompetenzen und das Fundament für Bildungserfolg. Die IGLU-Studie zeige, dass man dringend eine bildungspolitische Trendwende benötige.
Stark-Watzinger verwies auf das von der Ampel-Regierung geplante sogenannte Startchancen-Programm, mit dem 4.000 Schulen im Land "mit einem hohen Anteil sozial benachteiligter Schülerinnen und Schüler" speziell gefördert werden sollen.
Hessens Bildungsminister bestürzt
Auch der hessische Bildungsminister Lorz zeigte sich bestürzt über die Ergebnisse. Für eine Trendumkehr müssten unter anderem Strategien entwickelt werden, um Kindern zu helfen, deren Eltern nicht deutsche Muttersprachler seien, sagte der CDU-Politiker dem Deutschlandfunk.
Beim Lesen geht es nicht allein darum, Buchstaben zu entziffern, erklären Experten. Es geht darum, Inhalte zu erfassen. Viele scheitern zum Beispiel in der Mathematik an Sachaufgaben, nicht weil ihnen das Rechnen schwerfällt, sondern weil sie die Fragenstellung gar nicht erst verstehen. Lesen ist ferner die Grundlage fürs Schreiben und Verfassen von Briefen, Emails und Texten.
Mehrere Faktoren spielen eine Rolle - auch Corona
Die Lesekompetenz der Schüler sinkt bereits seit Jahren. Bei der letzten Erhebung im Jahr 2016 konnte noch jeder Fünfte nicht ausreichend lesen.
Als Grund für die Entwicklung sehen die Forscher neben der Corona-Pandemie die vielfältige Zusammensetzung der Schülerschaft. Systematische Unterschiede gibt es dabei zwischen unterschiedlichen Gruppen: Mädchen und Jungen, Kindern mit oder ohne Migrationshintergrund, Kindern aus unterschiedlichen sozialen Schichten. Als weiterer Grund wird die auf das Lesen im Unterricht verwendete Zeit angeführt. Während in Deutschland dafür durchschnittlich 141 Minuten pro Woche zur Verfügung stünden, seien es in anderen Mitgliedsländern der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, OECD, etwa 200 Minuten, sagte Studienleiterin McElvany dem Deutschlandfunk.
Deutschland liegt im Mittelfeld
Im internationalen Vergleich liegt Deutschland bei der Lesekompetenz im Mittelfeld. Seit 2001 werden Grundschüler in 25 Staaten und Regionen alle fünf Jahre getestet.
Weiterführende Informationen
Der Deutschlandfunk hat außerdem in einer zweieinhalbstündigen Sondersendung von "Campus & Karriere" über die IGLU-Studie und die grundsätzliche Bedeutung des Lesens berichtet.
Diese Nachricht wurde am 16.05.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.