Bestandsaufnahme im Keller des Vereins "Baltikum für Neurussland" in Riga. Stanislaw Bukaju nickt zufrieden, weil sich die Regale seiner Hilfsorganisation unaufhaltsam füllen. Gebrauchte Kinderkleidung, Wintermäntel und Schuhe stapeln sich neben Shampooflaschen, Reis und Makkaroni in dem kleinen Lager, das der 26-Jährige im Zentrum der lettischen Hauptstadt angemietet hat. Erst Ende Juli gegründet, will Stanislaw Bukaju mit seinem Verein den russischen Separatisten in der östlichen Ukraine zur Seite stehen.
"Wir Russen in Estland Lettland und Litauen wollen unseren Brüdern in Donezk und Lugansk zeigen, dass sie nicht alleine sind. Wir leben nicht mal 1.500 Kilometer voneinander entfernt und gehören zusammen. Die ganze Welt wirft Russland vor, schuld an der Gewalt in der östlichen Ukraine zu sein. Das ist eine Lüge. Deshalb werden wir über Rostow in Russland die leidenden Russen in der Ukraine unterstützen."
Und wieder trägt eine junge Frau prall gefüllte Plastiktüten in den Keller, ein junger Student meldet sich freiwillig zum Dienst. Gut 100 Bürger russischer Herkunft haben sich mittlerweile der Bewegung "Baltikum für Neurussland " in Lettland angeschlossen und zusätzlich rund insgesamt 800 Euro gespendet. Für Tatjana und Alexej ist das eine Ehrensache.
"Wir sehen täglich im Fernsehen, wie sehr die Russen in Donezk leiden, da kann ich nicht ruhig bleiben. Dass die ukrainische Regierung ihre eigenen Leute vernichtet, ist unfassbar. Sie nennen sie russische Separatisten, dabei verteidigen die Russen nur ihr eigenes Land."
"Ich habe dort in Donezk Freunde, sie sind die wahren Patrioten. Sie sprechen russisch wie ich, aber sie wollen nicht die Ukraine zerstören, sondern kämpfen für Gerechtigkeit in ihrer Heimat."
"Der Verein könnte Lettland destabilisieren"
Vor einer Woche trat der Verein "Baltikum für Neurussland" zum ersten Mal in der Öffentlichkeit auf. Obwohl der Verein auf wenig Interesse stieß und kaum ein Passant stehen blieb, zeigt sich der Politologe Juris Rozenvalds besorgt. Er hat im Internet verfolgt, wie gleichzeitig die sogenannte "Union europäischer Russen" für ein Ende des Bürgerkriegs in der Ukraine und für "humanitäre Hilfe" geworben hat. In Anwesenheit moskautreuer Politiker. Immerhin ist jeder Dritte in Lettland russischer Herkunft und davon sind noch immer 300.000 Menschen ohne lettischen Pass. Juris Rozenvalds stört vor allem, dass die Website der Bewegung mit der Endung .su registriert worden ist: Eine Endung, die "Sowjetunion" bedeutet, seit 1990 existiert und von Russland verwaltet wird.
"Mit der provokativen Endung .su wenden sie sich gerade an jene Russen in der Ukraine, die von einem "Neurussland" träumen und lieber heute als morgen die Sowjetunion zurück haben wollen. Das ist reine Propaganda. Wir können die Bewegung dadurch als Werkzeug Moskaus erkennen. Das kann große Sprengkraft in der lettischen Gesellschaft haben. Der Verein "Baltikum für Neurussland" könnte Lettland destabilisieren."
Genau deshalb würde er den Verein am liebsten ignorieren, sagt Viktors Makarovs, Staatsekretär im lettischen Außenministerium. Für ihn ist die neue humanitäre Bewegung nichts weiter als ein Versuch Moskaus, die Stabilität der lettischen Gesellschaft zu untergraben. Dabei wolle die russische Minderheit in Lettland Umfragen zufolge eigentlich weder auf ihre Unabhängigkeit noch die Zugehörigkeit zur Europäischen Union verzichten.
"Es gibt überall Leute, die sich wünschen, dass Lettland wieder unter die Kontrolle Russlands gerät. Wenn wir zu viel über "Baltikum für Neurussland" reden, könnte es sein, dass sie unnötig Aufmerksamkeit gewinnen. Noch gibt es keine Tendenzen von Separatismus in Lettland, obwohl eine kleine radikale Gruppe das will."
Derweil füllt sich das Lager der humanitären Organisation von Tag zu Tag. Ende August will der Verein ins russische Rostow starten, um von dort aus die Separatisten in der Ukraine zu beliefern. Die Aktivisten werden auch vom lettischen Geheimdienst beobachtet. Denn sie könnten im Bürgerkrieg radikalisiert werden und nach ihrer Rückkehr in Lettland für Unruhe sorgen.