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Letzte Ausfahrt Brüssel?

Es läuft nicht gut für Polens Ministerpräsident Donald Tusk. Die Umfragewerte seiner liberalkonservativen Regierung sind schlecht wie nie, der Regierungschef gilt als führungsschwach und ideenlos. Schon wird laut darüber nachgedacht, was aus Tusk nach den nächsten Wahlen werden könnte.

Von Sabine Adler |
    Anders als den Fußballhelden Robert Lewandowski scheint den polnischen Ministerpräsidenten das Glück zu verlassen. Rybnik, wo ein neuer Senator für die zweite Parlamentskammer gewählt werden musste, weil der bisherige gestorben war, in Rybnik konnte Miroslaw Duzy von der Bürgerplattform nicht punkten. Er musste den prestigeträchtigen Posten dem Kandidaten der Partei Recht und Gerechtigkeit Boleslaw Piecha überlassen. Rybnik liegt tief im Süden Polens an der tschechischen Grenze, ein schlesischer Kohle-Ort. Nicht repräsentativ, also vielleicht kein Beinbruch, hier zu verlieren. Tusk hielt es, anders als Jaroslaw Kaczynski, nicht für nötig, mal in Rybnik vorbei zu schauen. Als Premier sei er schließlich beschäftigter als jeder von der Opposition. Für politische Beobachter wie den Blogger Michal Studrzynksi eine unverzeihliche Haltung.

    "Die Wahl in Rybnik könnte ein Verrücken der Möbel auf der politischen Bühne ankündigen. Jedenfalls dann, wenn die Bürgerplattform in die nächste Wahl ebenso wenig motiviert und geschlossen geht. Ist das ein Warnsignal? Ja. Tusk sollte es als solches verstehen. Wenn er die Sache unterschätzt, wenn er keine Lust hat, wenn die regionalen Parteieinheiten nicht richtig arbeiten werden, dann wird er verlieren."

    Der Verlust des einen Senatorenpostens ist nur ein Indiz dafür, dass Tusk derzeit nicht viel gelingt. Rybnik hat er unterschätzt, eine andere Personalie ließ er laufen. Sein Justizminister Gowin, der Tusk geradezu vorgeführt hat als schwachen, inkonsequenten Regierungschef von erschreckender Gutgläubigkeit. Dabei trat der Minister auf, als sei er von der Opposition. Er distanzierte sich von zwei wichtigen Regierungsprojekten: der Gleichstellung homosexueller Paare und der geplanten Unterstützung der künstlichen Befruchtung für ungewollt kinderlose Paare. Bei letzterem Punkt hätte ihn die Presse falsch zitiert, sagte er wahrheitswidrig, Tusk zog die Konsequenz und entließ den Justizminister. Spät, fanden die Analysten wie Tomasz Sekielski, Moderator einer eigenen politischen Fernsehshow.

    "Es gibt Ideen, es gibt Pläne. Aber Tusk braucht jetzt einen sichtbaren Erfolg. Ich verstehe nicht, warum er die Zügel nicht straffer anzieht, warum er nicht mindestens zwei oder drei Minister austauscht gegen fleißige und loyale Mitglieder aus seiner Fraktion?"

    Die Pechsträhne hält bereits beunruhigend lange an. Die für Polen sehr erfolgreichen Budgetverhandlungen in Brüssel über den Finanzrahmen bis 2020 sind schon fast vergessen angesichts der stetig fallenden Umfragewerte, die seit November immer weiter sinken: von ursprünglich 43 Prozent auf jetzt 34 Prozent. Erstmals kann Donald Tusk keinen deutlichen Vertrauensvorsprung mehr verbuchen. Er liegt fast gleichauf mit Jaroslaw Kaczynski. Dabei ist der streitbare Chef von der Partei "Recht und Gerechtigkeit" jemand, der - anders als Tusk - stark polarisiert und deshalb viele Bürger vor den Kopf stößt. Tomasz Sekielski hält es für einen Fehler, dass sich in der Regierungspartei "Bürgerplattform" alles auf Tusk konzentriert.

    Sekielski: "Tusk verfährt nach der Methode: Ich bin der Retter. Geht etwas schief, reite ich auf einem weißen Pferd herbei, schaffe Ordnung und die Partei gewinnt. In seiner Bürgerplattform gibt es keinen anderen Führer."

    Die "Bürgerplattform" wirkt unentschieden. Sollte sie konservativer oder liberaler auftreten? Für eine konservativere Ausrichtung stand der geschasste Justizminister. Vor zwei Jahren hat die Regierungspartei das Kunststück fertiggebracht, als stärkste Kraft bestätigt zu werden. Jetzt, in der Mitte der zweiten Legislaturperiode, warten Polens politische Beobachter auf den frischen Wind.

    "Sie tun etwas, aber es fehlt eine generelle Idee. In allen diesen Jahren gab es kein innovatives Projekt, weder ein wirtschaftliches, noch ein politisches."

    Sollte der Abwärtskurs weitergehen, die PO die Wahlen verlieren, werden Tusk immer noch Chancen für eine zweite politische Karriere zugeschrieben, als nächster EU-Kommissionspräsident, also Manuel Jose Barroso abzulösen. EU-Ratspräsident könne er nach van Rompoy nicht werden, da Polen der Eurozone nicht angehöre und keinerlei Eile an den Tag legt, dies zu ändern.