Jule Reimer: Für die Angestellten von Air-Berlin geht es um ihre berufliche Zukunft, die Angst vor der Arbeitslosigkeit, wenn heute das Unternehmen den Betrieb einstellt. Im Vergleich dazu nimmt sich die Sorge um ein bereits gekauftes Flugticket als völlig unbedeutend aus. Für den einzelnen Kunden stellt sich dennoch die Frage, was wird aus meinem Anspruch? Dieter Nürnberger in Berlin, reihen sich die Kunden mit bezahlten Tickets in die Verlierer ein?
Dieter Nürnberger: Es ist recht eindeutig, dass die Kunden der Fluggesellschaft auch zu den Verlierern der Unternehmensinsolvenz von Air Berlin gehören. Denn rund 200.000 Tickets bereits verkaufte Tickets sind davon betroffen, sie verlieren ihre Gültigkeit.
Wenn eine Fluggesellschaft ihren Betrieb einstellt, dann werden auch keine Flüge mehr durchgeführt. Und heute Abend kurz vor 23 Uhr wird die letzte Maschine auf dem Flughafen Tegel hier in der Hauptstadt landen - dann ist Air Berlin Geschichte.
Wer von den Betroffenen kann auf eine Erstattung hoffen? Da ist der Tag des Insolvenzantrags von Air Berlin der entscheidende Faktor. Das ist der 15. August.
Kaum Hoffnung auf finanziellen Ausgleich
Wer vor diesem Datum ein Ticket gebucht hat, wird wohl leer ausgehen. Denn das bereits gezahlte Geld ist Teil der Insolvenzmasse und betroffene Kunden können ihre Forderung dann lediglich in die Insolvenzliste des Insolvenzverwalters eintragen. Viel Hoffnung auf finanziellen Ausgleich gibt es aber nicht, denn erfahrungsgemäß stehen die Kunden in der Gläubigerkette relativ weit hinten.
Wer nach dem 15. August ein Flugticket erworben hat, steht besser da. Denn dieses Geld ist auf ein Treuhandkonto gebucht worden und die Kunden werden es zurückbekommen, allerdings nur den gezahlten Ticketpreis, nicht die berechneten Gebühren.
Reimer: Wie sieht es bei Kunden aus, die bei der Air Berlin-Tochter-Niki gebucht haben?
Nürnberger: Hier liegt der Fall anders: Niki ist nicht insolvent, der Flugverkehr geht weiter. Somit haben diese Kunden Glück - die Insolvenz der Muttergesellschaft hat da keine Auswirkungen.
Reimer: Es gibt ja auch komplexere Reisefragen: Einen Zubringerflug mit Air Berlin gebucht - und dann mit einer anderen Fluggesellschaft weiter? Wie sieht es da aus?
Die Bahn kann eine Alternative sein
Nürnberger: Hier muss der Kunde aktiv werden. Denn der Zubringerflug mit Air Berlin ist gestrichen. Konkret: Man müsste einen neuen Zubringerflug auf eigene Kosten buchen, oder: Wenn der Umsteigeflughafen innerhalb Deutschlands liegt, ist vielleicht auch die Bahn eine Alternative. Und man sollte sich auf jeden Fall mit dem Vertragspartner, dort, wo der Flug gebucht wurde, in Verbindung setzen. Das kann beispielsweise auch ein Reiseportal im Internet sein. In der Regel wird aber dieser gebuchte Anschlussflug der anderen Airline starten. Das Problem ist das Hinkommen.
Reimer: Aus Verbrauchersicht: Zeigt der Fall Air Berlin politischen Handlungsbedarf?
Nürnberger: Viele Experten und Verbraucherschützer bejahen dies: Sie fordern, dass es endlich auch einen Insolvenzschutz für alle Flugreisenden geben sollte. Bislang gilt dies nur für gebuchte Pauschalreisen.
Und es gibt auch politischen Druck, dass künftig Käufer einer Fluggesellschaft nicht nur die attraktiven Strecken übernehmen sollten, sondern auch die Kunden und ihre gebuchten Tickets.
Hier gibt es derzeit aber lediglich eine Kulanzregelung des Teil-Käufers Lufthansa und dessen Töchter: Wer ein verfallenes Air-Berlin-Rückflugticket hat, erhält hier einen Rabatt von 50 Prozent bei Neukauf. Allerdings ist diese Aktion nur bis zum 15. November gültig, gilt nicht für innerdeutsche Flüge und auch nur solange der Vorrat reicht. Und sie betrifft nur Air-Berlin-Rückflüge, die schon vor dem 15. August gebucht wurden.